LARA: Local Avalanche Risk Assessment
Die LARA-App wurde im Jahr 2019 von Georg Kronthaler in Zusammenarbeit mit der Firma Delta 4 Software Solutions OHG aus Augsburg entwickelt und seitdem kontinuierlich verbessert. Die App ist sowohl für Android als auch für iOS in deutscher und englischer Sprache verfügbar.

Die LARA-App basiert auf der Systematischen Schneedeckendiagnose (2003 Kronthaler G.; Systematische Schneedeckendiagnose; Österr. Kuratorium für alpine Sicherheit; Sicherheit im Bergland; Jahrbuch 03).
Das Ziel der App ist es, ein Instrument zu bieten, mit dem ausgebildete Anwender durch systematisches Vorgehen gezielt eine Einzelhangbeurteilung vornehmen können. Außerdem gibt die App eine Einschätzung der jeweiligen Situation auf Basis der vom Anwender eingegebenen Daten ab. Zusätzlich können persönliche Gefahrenstufen erstellt werden, die denen der Warndienste ähneln.
Auch bietet die App eine einfache Möglichkeit, getroffene Entscheidungen nach Ort, Datum und Uhrzeit zu dokumentieren, indem die eigene Beurteilung oder der jeweilige Vorschlag der LARA-App auf einer topografischen Karte dargestellt wird. Die Anwendung ist auch im Offline-Modus verfügbar.
Struktur der LARA-App
Beim Start der LARA-App erhält man verschiedene Auswahlmöglichkeiten: „Diagnose erstellen“, „Persönliche Gefahrenstufe erstellen“ oder „Übungsdiagnose erstellen“ (bei der Übungsdiagnose werden die Daten nicht ins Internet übertragen, also auch nicht auf der Karte dargestellt).
1. Diagnose erstellen

Man wird aufgefordert, die Schneequalität sowie die Schneelage und die zu erwartenden Lawinenarten auszuwählen. Bei den Lawinenarten gibt es unterschiedliche Auswahlmöglichkeiten: Schneebrettlawine, Lockerschneelawine, Gleitschneelawine und Nassschneelawine. Außerdem gibt es die Möglichkeit, „Keine Lawine“ auszuwählen. Wird die Option Schneebrettlawine ausgewählt, gelangt man zur vereinfachten (vSSD) und optional zur systematischen Schneedeckendiagnose (SSD).
Bei beiden Varianten muss zuerst eine persönliche Gefahreneinschätzung abgegeben werden. Danach erhält man die Einschätzung der App. Für jede mögliche Kombination der insgesamt sechs Eigenschaften von Schwachschicht und Brett ist eine konkrete Gefahreneinschätzung hinterlegt. Diese Einschätzungen resultieren aus den Erfahrungen von 25 Jahren Anwendung der SSD. Die Gefahreneinschätzung wird nicht durch einen selbstständig arbeitenden Algorithmus ermittelt.

2. Persönliche Gefahrenstufe erstellen
Die Regularien der European Avalanche Warning Services (EAWS) legen fest, dass der Prognosebericht oder die Gefahrenstufe der Lawinenwarndienste für eine Region erst ab einer Fläche von mehr als 100 km² gilt. Wie soll der Anwender also wissen, wie stabil Einzelhänge in einer Region (zum Beispiel im Chiemgau) sind und wie viele tatsächlich von der im Prognosebericht angeführten Gefahrenstellen betroffen sind?
Dies bedeutet, dass die Gefahrenstufen für den Einzelhang nicht ungeprüft aus dem Prognosebericht übernommen werden können. Von Bergführern oder Tourenleitern wird jedoch erwartet, dass sie vor Ort im Gelände die Gefahrenstufe und die Lawinenprognose überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
LARA bietet eine einfache Möglichkeit, eine persönliche Gefahrenstufe für den Berg oder das Gebiet (Skigebiet), in dem sich der Anwender befindet, zu erstellen. Dies geschieht anhand der dortigen Auslösewahrscheinlichkeit, des dortigen Umfangs der Gefahrenstellen und der dort zu erwartenden Lawinengröße.

Dabei kann es zu Abweichungen von der offiziellen Lawinengefahrenstufe oder Prognose kommen, da die Gefahrenstufe der Warndienste per Definition nicht auf einzelne Berge angewendet werden kann, da lokale Unterschiede auftreten können. Um eine einfachere Eingabe als User durchführen zu können, sind, entgegen der EAWS-Matrix (2022), die künstliche (also durch den Skifahrer) und die natürliche Lawinenauslösung getrennt zu beurteilen.
Der Algorithmus der LARA-App richtet sich daher entsprechend der EAWS-Matrix (2017) nach der Auslösewahrscheinlichkeit, dem Umfang der Gefahrenstellen sowie der zu erwartenden Lawinengröße. – Die Kombination da-raus führt direkt zu einer Gefahrenstufe. Die Auslösewahrscheinlichkeit ersetzt dabei die Einteilung nach der Schneedeckenstabilität „sehr schlecht“, „schlecht“ und „mittel“ im Prognosebericht.
3. Übungsdiagnose erstellen
Übungsdiagnose und Diagnose sind vom Programmablauf identisch. Bei der Übungsdiagnose werden keine Ergebnisse auf den Server übertragen. Sie ist das perfekte Tool für Unterricht und Ausbildung. Die LARA-App ist speziell für Personen konzipiert, die eine Ausbildung zur Systematischen Schneedeckendiagnose absolviert haben.
In Österreich und Deutschland bieten bereits zahlreiche Bergführer entsprechende Schulungen an. Informationen auch über: www.lara-app.com. Um die Qualität und Zuverlässigkeit der Diagnosen der jeweiligen Anwender besser einschätzen zu können, erfordert die Nutzung der App die Angabe des Klarnamens.

Eine Sternebewertung dient dazu, den Ausbildungsstand und die Erfahrung des Nutzers in der Anwendung der Systematischen Schneedeckendiagnose zu bewerten. Zum Beispiel entspricht eine Bewertung von drei Sternen einem Bergführer, der in der Systematischen Schneedeckendiagnose ausgebildet ist und bereits mehr als drei Jahre Erfahrung vorweisen kann.
Die Qualifikation kann der Nutzer selbst in den Einstellungen festlegen. Aufgrund des geforderten Klarnamens wird davon ausgegangen, dass die Qualifikation objektiv erfolgt. Wer mit LARA arbeitet, hat zusätzlich die Möglichkeit, nicht nur Informationen über die Einschätzung der Gefährlichkeit zu erhalten, sondern auch über die Schneequalität und Schneelage. Die App bietet somit einen umfassenden Überblick über die aktuellen Risiken in Bezug auf Lawinen sowie über die derzeit herrschenden Wintersportbedingungen. Dies unterstützt die Anwender dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen, und erhöht die Sicherheit am Berg.
Fazit
Die LARA-App wird mittlerweile von zahlreichen Bergführern und Tourenleitern weltweit eingesetzt, die in der Systematischen Schneedeckendiagnose (SSD) ausgebildet wurden. Die Systematik der LARA-App ermöglicht es aber auch weniger erfahrenen Personen, die Einzelhangbeurteilung schnell und zuverlässig zu erlernen. Diese Ausbildung wird mittlerweile von Bergsteigerschulen und Bergführern auch für den privaten Nutzer angeboten.
Angesichts des wachsenden Interesses an der Systematischen Schneedeckendiagnose auch außerhalb des deutschsprachigen Raums wird für den kommenden Winter eine englische Version der LARA-App verfügbar sein.
Die Entwicklung der App wurde bisher ohne Sponsoren finanziert, weshalb sie nur gegen einen jährlichen Unkostenbeitrag von 15 Euro erhältlich ist. Zusätzlich wird darauf geachtet, dass ausschließlich Personen mit einer Ausbildung in der Systematischen Schneedeckendiagnose (SSD) Zugang zur LARA-App erhalten. Zugangsdaten können über die E-Mail-Adresse info@lara-app.com angefordert werden.
Seit Dezember 2023 wird die Weiterentwicklung der App finanziell von den High Zürs Guides unterstützt, seit April 2024 auch vom NATO Mountain Warfare Centre of Excellence in Slowenien, von der Interessensgemeinschaft der Staatlichen Ski- und Snowboardlehrer Österreichs sowie von Alpine Welten – Die Bergführer.
Auswertungen von Daten, die mit Hilfe der LARA-App ermittelt wurden
Bis zum März 2024 wurden insgesamt 1.909 Schneedeckendiagnosen durchgeführt, davon 1.031 Diagnosen mit der vereinfachten Systematischen Schneedeckendiagnose (vSSD) und 878 mit der Systematischen Schneedeckendiagnose (SSD). Zusätzlich zur Beurteilung des Einzelhanges wurden 866 persönliche Gefahrenstufen erstellt, davon 759 für die Auslösung von „Skifahrerlawinen“ und 107 persönliche Gefahrenstufen zur Beurteilung der Selbstauslösung von Lawinen.

Interessant ist die Übernahmequote des Bewertungsvorschlags von LARA. Bei Diagnosen, die mit der vSSD durchgeführt wurden, wurde der Vorschlag der App zu 63 % übernommen, während bei Diagnosen mit der SSD eine Übernahmequote von 66,7 % festgestellt wurde. Betrachtet man den Mittelwert der persönlichen Einschätzungen der Gefahr und vergleicht diesen mit dem Mittelwert aller Einschätzungen von LARA, lässt sich sowohl bei der vSSD als auch bei der SSD eine Tendenz erkennen:
Die Anwender haben die Situation tendenziell weniger gefährlich eingeschätzt als die LARA-App vorgeschlagen hat. Dass dies bei der vSSD häufiger vorkommt als bei der SSD, ist leicht zu erklären. Bei der vSSD werden nur die Schlaghärte, die Bruchfläche und die Kristallgröße in der Schwachschicht zur Beurteilung herangezogen.


Erfahrene Anwender beziehen aber unter Umständen bereits bei der vSSD beispielsweise die Eigenschaften des überlagernden Bretts mit ein. Ist dieses hart oder kaum gebunden, sodass die Bruchinitiierung oder aber die Bruchausbreitung unwahrscheinlicher ist, wird die eigene Beurteilung ggf. „sicherer“ angenommen als von der LARA-App vorgeschlagen.
Bei der SSD werden zusätzliche Informationen wie Dicke und Tiefe der Schwachschicht sowie die Eigenschaften des überlagernden Bretts mitberücksichtigt, sodass LARA dann evtl. zu einem „sichereren“ Ergebnis kommt als bei der vSSD und damit dann durchschnittlich näher an der eigenen Gefahreneinschätzung liegt.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Vorschläge der LARA-App zwar einen gewissen Sicherheitspuffer aufweisen, dieser jedoch keine wesentliche zusätzliche Einschränkung verursacht.
Fachliche Informationen zum Kleinen Blocktest, vSSD und SSD
1. Kleiner Blocktest
Der Kleine Blocktest dient hauptsächlich der Ermittlung der Auslösewahrscheinlichkeit einer Schneebrettlawine. Durch die Kombination von Schlaghärte und der Art der Bruchfläche kann abgeleitet werden, welche zusätzliche Belastung erforderlich ist, um eine Schneebrettlawine auszulösen1. Kurz gesagt: Wenn beim Ausstechen oder leichten Klopfen ein glatter oder rauer Bruch in der Schwachschicht erzeugt wird, ist das Risiko groß, bereits durch Selbstauslösung bzw. bei geringer Zusatzbelastung eine Bruchfortpflanzung in der Schwachschicht zu erzeugen.
Dieser Bereich wird in der vereinfachten Schneedeckendiagnose (vSSD) rot dargestellt. Achtung! Ein rauer Bruch (tritt häufig bei dickeren Schwachschichten (>3 cm) und meist bei kantigen Kristallen auf) ist nicht weniger kritisch zu betrachten als ein glatter Bruch!
Mittels eines Klassifikationsbaums, der in einer wissenschaftlichen Arbeit von G. Kronthaler und C. Mitterer (20141) Anwendung fand, wurde ermittelt, dass nur bei einem gestuften Bruch davon ausgegangen werden kann, dass eine Schneebrettlauslösung erst bei großer Zusatzbelastung möglich ist.
Wird erst ab mäßigem bis starkem Klopfen ein Bruch erzeugt oder ist die Bruchfläche gestuft, kann davon ausgegangen werden, dass eine Schneebrettauslösung von selbst foder bei geringer Zusatzbelastung unwahrscheinlich ist.
Die Kombination „glatter/ rauer Bruch beim Ausstechen oder bei leichtem Klopfen“ mit der Beurteilung „Auslösung bei geringer Zusatzbelastung oder von selbst“ stellt für den Profi unter Umständen eine zu starke Einschränkung dar, da zusätzliche Informationen wie Kristallgröße (bei LARA bereits in der vSSD enthalten), Dicke und Tiefe der Schwachschicht, aber auch die Eigenschaften des überlagernden Bretts hinsichtlich Gebundenheit und Härte des Schnees fehlen.
Die Untersuchung und Bewertung dieser zusätzlichen Eigenschaften ergänzen die „vereinfachte Schneedeckendiagnose“ vSSD und führen so für den Profi zur „Systematischen Schneedeckendiagnose“ (SSD).
2. Kein Vergleich der Auslösewahrscheinlichkeit zwischen KBT und ECT allein aufgrund der Schlaghärte möglich
Die Auslösewahrscheinlichkeit zwischen dem „Kleinen Blocktest“ (KBT) und dem „Compression Test“ (CT) bzw. dem „Extended Column Test“ (ECT) kann nicht verglichen werden, da beim KBT nahezu ausschließlich eine Scherbelastung und beim CT/ECT weitestgehend eine Druckbeanspruchung auf die Schwachschicht wirkt.
Druck- und Scherbeanspruchung wirken sich mechanisch unterschiedlich auf die Kristalle einer Schwachschicht aus (Abb. 7). In einer gemeinsamen Arbeit mit Manfred Steffl2 wurde ein durchschnittliches Druck-Scherverhältnis von 2.2 berechnet. Unter Berücksichtigung dieses Wertes ergibt sich folgende Überlegung.
Wird der KBT mit leichtem Klopfen (Handgelenk) belastet, entspricht das unter Berücksichtigung des Faktors 2.2 (Druck-Scherverhältnis) beim CT/ECT einer Belastung aus dem Ellbogen. Mäßiges Klopfen beim KBT entspricht beim CT/ECT einer Belastung aus der Schulter. Warum können diese Testmethoden trotzdem nicht direkt miteinander verglichen werden, obwohl das Verhältnis der wirkenden Kräfte ja bekannt ist?
Man könnte denken, dass dies rechnerisch einfach möglich ist. Beim CT/ECT beeinflusst die Lage der Schwachschicht und die Beschaffenheit der die Schwachschicht überlagernden Schneeschichten das Ergebnis. Die Belastung durch die Schläge wirkt erst dann auf die Schwachschicht, wenn die darüberliegende Schneedecke ausreichend verdichtet ist und die Energie auf die Schwachschicht wirken kann.
Das Energieabsorptionsvermögen des Schnees spielt hier eine entscheidende Rolle. Beim KBT wird die Schwachschicht immer direkt mit einer deutlich geringeren Dämpfung beansprucht. Fazit. Das seitliche Belasten der Schwachschicht erzeugt einen größeren Krafteintrag als das vertikale Belasten. Das Energieabsorptionsvermögen des Schnees über der Schwachschicht führt beim CT/ECT unter anderem auch zu einer größeren Streuung der Ergebnisse.
Die Ergebnisse des KBT und CT/ECT können aufgrund der oben genannten methodischen und physikalischen Gründe nicht direkt miteinander verglichen werden. 3. Unterschied vertikales zum seitlichen Belasten eines Testblocks aus Sicht des Skifahrers Beim CT/ECT erfolgt die Belastung senkrecht, während beim KBT die Belastung seitlich zur Schwachschicht erfolgt.
Wenn man sich die Kristalle in der Schwachschicht als Säulen vorstellt, wird deutlich, dass sie bei vertikaler Belastung eine höhere Stabilität aufweisen als bei seitlicher Belastung (Differenz Druck-/Scherbelastung). Zudem führt vertikale Belastung aufgrund der Schneeüberlagerung zwischen Testschaufel und der Schwachschicht zu einer deutlich größeren Energieabsorption im Vergleich zur seitlichen Belastung der Schwachschicht.

Daher ist die Streuung der Energiewerte beim seitlichen Belasten deutlich geringer als bei der vertikalen Belastung eines Testblocks . Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Anzahl der Testblöcke, die an einem Einzelhang gegraben werden müssten, um diesen umfassend bewerten zu können. Während beim seitlichen Belasten bei geeigneter Standortwahl in der Regel zwei Tests (KBT) ausreichen, müssen beim vertikalen Belasten (CT/ECT) deutlich mehr Tests durchgeführt werden.
Betrachtet man die Krafteinwirkung auf die Schwachschicht, die ein abfahrender Skifahrer ausübt, lässt sich der Schluss ziehen, dass die Situation beim CT/ECT für den Skifahrer gefährlicher ist. Dies liegt daran, dass der Skifahrer insbesondere in Kurven die Schwachschicht in Summe schräg, also nicht nur vertikal, sondern auch horizontal belastet.
Diese schräge Belastung wirkt auf die Schwachschicht ungünstiger als die rein vertikale Belastung beim Test. Beim seitlichen Belasten ergibt sich jedoch ein gegenteiliges Ergebnis: Der Skifahrer belastet die Schwachschicht im Vergleich zum KBT in der Realität nicht rein horizontal, sondern schräg, was günstiger ist, und hat zudem insbesondere bei tiefer liegenden Schwachschichten mehr Schnee als Dämpfer zwischen Ski und Schwachschicht.
Daher gibt der KBT die Situation tendenziell gefährlicher an, als sie tatsächlich für den Skifahrer ist. Der KBT bietet damit einen zusätzlichen Sicherheitspuffer und verringert somit die Wahrscheinlichkeit einer potenziellen Lawinenauslösung.
Danksagung
Besonderer Dank geht an alle, die tatkräftig an diesem Artikel mitgewirkt haben. Insbesondere: Carolin Strößner, Stefan Martin, Manfred Steffl, Dominik Winner.
Literatur
1 KRONTHALER G.; MITTERER CH. The Systematic snow cover analysis: a practical tool for interpreting assessing slope stability; Proceedings ISSW, Banff; 2014
2 KRONTHALER G., 20 Jahre Systematische Schneedeckendiagnose; bergundsteigen #106 / 2019