Absturz & Kälte: Die unterschätzten Gefahrendes Winters
Wenn im Winter von alpinen Risiken die Rede ist, denken viele zuerst an Lawinen. Doch das Unfallgeschehen zeigt: Die größten Gefahren lauern oft woanders. Dass Bergsteigen inzwischen zum Breitensport geworden ist, sich das Freizeitverhalten verändert und der Klimawandel deutliche Auswirkungen zeigt, beeinflusst auch die Risiken am Berg. Sturz, Absturz, Erschöpfung, Orientierungslosigkeit, Wetterumschwünge oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen eine ebenso große Rolle – werden in der Wahrnehmung aber häufig unterschätzt.
Weniger Tote, mehr Verletzte
Vorab: Das Österreichische Kuratorium für alpine Sicherheit (ÖKAS) verfügt auf Basis der Erhebungen der Alpinpolizei über die weltweit älteste Datenbank zum alpinen Unfallgeschehen. Die folgenden Daten (vom 1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) beziehen sich damit zwar nur auf Österreich, dennoch lassen sie sich als Vergleichswert auf andere Alpenländer übertragen.

Im Betrachtungszeitraum sind bei den typischen Wintersportarten 68 Personen in den österreichischen Bergen tödlich verunglückt: 33 auf Pisten/ Skirouten, 28 auf Skitour, drei beim Variantenfahren und einige wenige jeweils beim Eisklettern, Langlaufen und Rodeln. Mit 170 Alpintoten bei den Sommerdisziplinen, etwa beim Wandern, Bergsteigen oder Klettern, bleibt die Zahl also deutlich geringer.
Doch ein Blick auf die Gesamtheit aller Verunfallten – also Tote, Verletzte und Unverletzte – zeigt ein anderes Bild: Mit rund 5.300 Verletzten passierten 23/24 bei den Winterdisziplinen deutlich mehr Unfälle als im Sommer (rund 3.200 Verletzte). Die mit Abstand meisten Unfälle mit verletzten Personen ereigneten sich dabei auf der Piste oder Skirouten – wobei hier die Unfallzahlen (4.047 Verletzte) vermutlich nur bis zu zehn Prozent der Gesamtheit darstellen dürften. Pistenunfälle werden von der Alpinpolizei nämlich nur aufgenommen, wenn ein Verdacht auf Fremdverschulden, zum Beispiel Kollisionen, besteht.

Winter Update vom ÖAV zum Nachschauen
Auch der Österreichische Alpenverein rückt die Gefahren abseits der Lawine in den Vordergrund und tour ab sofort mit dem Winter Update durchs Land. Das Winter Update ist die Weiterentwicklung des erfolgreichen Lawinenupdate – mit neuem Fokus und frischem Format. Neben Lawinen werden jetzt auch die unfallrelevanten Themen Absturz und Kälte in den Fokus gerückt. Anhand aktueller Unfallbeispiele werden die entscheidenden Faktoren analysiert – und klare „Take-Home-Points“ mitgegeben.
Gefahren jenseits der Lawine
Mit 28 toten Skitourengehern gibt es zwar fast doppelt so viele wie im Vorjahr (22/23) und deutlich über dem 10-Jahre-Mittel von 22. Doch es lässt sich festhalten, dass 13 Personen aufgrund von Herz-Kreislauf-Störungen starben – acht durch eine Lawine, vier durch Sturz oder Absturz, zwei durch einen Wechtenbruch und eine aufgrund eines Wettersturzes.

Das soll keineswegs bedeuten, dass Lawinen keine oder nur geringe Gefahr darstellen – im Gegenteil. Auffallend ist nämlich beispielsweise der Anstieg der Lawinentoten bei ausgegebener Gefahrenstufe zwei (mäßig): Im Gegensatz zum 10-Jahre-Mittel von 25 Prozent starben im Betrachtungszeitraum genau die Hälfte bei mäßiger (2) Lawinengefahrenstufe. Bei Stufe 3 (erheblich) dagegen mit 19 Prozent signifikant weniger als die 53 Prozent im Mittel.

Weniger Schnee, mehr Bergtouren – und neue Gefahren
Dennoch kommen andere Gefahren hinzu. Da die Winter zunehmend schneeärmer werden, bleiben Bergtouren ohne Ski oft über die gesamte Wintersaison möglich. Menschliche Fehler wie Selbstüberschätzung, mangelnde Fitness und Fehleinschätzung der Gegebenheiten können dann vor allem in der kalten Jahreszeit schnell dramatische Folgen haben.
Betrachtet man die häufigsten tödlichen Unfallursachen über alle Disziplinen im 10-Jahre-Mittel, stehen Herz-Kreislauf-Störungen an erster Stelle (71 Tote). Darüber hinaus gab es, speziell im Betrachtungszeitraum, mit 58 Toten so viele tödliche Absturz-Unfälle wie noch nie zuvor. Summiert man nun die Zahl der tödlich Verunfallten durch Absturz und Sturz/Stolpern/Ausgleiten, dann ist das sogar die alpine Todesursache Nummer 1 in Österreich. Mit 16 Lawinentoten (10-Jahre-Mittel 19) starben gleich viele Menschen, wie durch umstürzende Bäume bei der Forstarbeit.

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Mehr Statistiken gibt es beim ÖKAS 2x im Jahr im Fachmagazin analyse:berg.