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Walter W. beim Überziehen seines Lieblings-Biwaksackes. I bergundsteigen.blog|Biwaksack: welchen
10. Apr 2019 - 8 min Lesezeit

Die W-Fragen zum Biwaksack

„Der Biwaksack ist ein winddichter, meist auch wasserdichter Sack, der bei Übernachtungen im Freien, dem Biwakieren, als Außenhülle um den Schlafsack verwendet wird und vor Nässe, Schmutz, Auskühlung durch Wind und anderen schädlichen Einflüssen schützt. Er wird in Ausführungen für eine oder auch für zwei Personen gefertigt und vorwiegend beim Bergsteigen, Klettern oder Trekking benutzt. Als Erfinder des Biwaksacks gilt Mathias Zdarsky.“

Das sagt zumindest das allwissende Online-Lexikon Wikipedia. Und hat damit nur teilweise recht. Denn nicht nur als Schlafsacküberzug oder zum Übernachten haben wir Alpinistinnen einen Biwaksack mit. Und je nach vorgesehenem Einsatzzweck gibt es ihn in verschiedensten Ausführungen. Doch der Reihe nach.

Nicht nur für Pausen, (Not-)Biwaks und zum Wärmeerhalt nach Unfällen ist ein Biwaksack gut. Auch für einen kurzen Transport bzw. wie im Foto zum schonenden Umlagern in die Vakuummatratze der Flugrettung kann er hervorragende Dienste leisten.

Welcher Biwaksack als Teil der Standard-Notfall-Ausrüstung?

Neben Mobiltelefon, Erste-Hilfe-Paket und Stirnlampe wird der Biwaksack in den meisten Ländern und von fast allen Alpin-Organisationen als Standard-Ausrüstung empfohlen, die das ganze Jahr über für jede Aktivität am Berg im Rucksack sein sollte. Eben für Notfälle, wenn etwas Unvorhergesehenes eintritt. Dass dieses Notfallpaket beim schnellen Standard-Gipfel-Lauf nach der Arbeit anders aussehen wird als bei der 4.000er-Skihochtouren-Durchquerung ist klar. Dort wird je nach Exponiertheit nicht nur die Erste-Hilfe-Ausrüstung der Gruppe etwas umfangreicher sein und auch einmal ein Sat-Telefon oder -Messenger zur Kommunikation mit dabei sein, auch beim Biwaksack wird man sich vermutlich für ein anderes Modell entscheiden.

Welche Modelle eignen sich für welche Einsatzzwecke?

Auch mit einem superleichten und kleinen Biwaksack kann eine verletzte oder erschöpfte Person eingepackt und so vor Auskühlung geschützt werden. Gemeinsam mit der Rettungsdecke aus dem Erste-Hilfe-Paket und etwas Reservekleidung kann damit die Wartezeit auf Hilfe erträglich und vor Wind und Wetter einigermassen geschützt verbracht werden. Auch wenn der Biwaksack danach kaputt ist, hat er seine Dienste für einen solchen unerwarteten echten Notfall erfüllt. Doch Obacht: die kleinsten und leichtesten Biwaksackmodelle gehen klar auf Kosten der Stabilität; nicht nur, dass sie durch Skischuhe, scharfe (Fels-)kanten usw. schnell ausfreissen, bei unserem Fototermin zu diesem Beitrag reichte ein Windstoss aus, um das Nahttape sofort zu lösen und aus dem Sack eine Decke zu machen…

Die etwas größeren und schweren Modelle sind robuster und eignen sich deshalb für Gruppenverantwortliche und Einsatzbereiche ohne einen Notfall. Wie, einen Biwaksack ohne Notfall verwenden? Klar, um bei Kälte und/oder stürmischem Wind eine Pause zum Rasten, Orientieren, Kleidung wechseln oder Jausnen zu machen, bietet er sich optimal an, wenn kein geschützter Platz erreichbar ist. In den skandinavischen Ländern hat das Tradition und dort wird für diese Zwecke ein sogenannter Windsack (hier von Hilleberg) verwendet, der meistens etwas größer ist (bis zu drei Personen haben hier Platz) und über den Kopf gezogen wird sowie eigene Öffnungen zum Hinausschauen und Atmen hat.

In Kombination mit einem schnell geschaufelten „Bankerl“ im Schnee ist das für eine Rast unschlagbar! Und besonders auf Skitouren bestens geeignet, um Freunde oder Kunden mit gutem Gewissen z.B. vor dem Gipfelgrat warten zu lassen, wenn sie keine Lust mehr haben weiterzugehen. Es ist unglaublich, wie schnell es dort drinnen warm wird.

Auch Bergsteiger mit kälteempfindlichen Händen werden diese Säcke lieben, um sich z.B. vor der Abfahrt herzurichten, die Skischuhe in Ruhe zuzumachen usw. – und als Führerin oder Gruppenleiter sammelt man mit diesem Ausrüstungsteil Bonuspunkte ohne Ende.

Leider sind viele Packsäcke dieser robusten Biwaksäcke so klein, dass sich die Biwaksäcke dort nach der Verwendung nicht mehr schnell verstauen lassen, vor allem nicht bei stärkerem Wind. In solchen Fällen den Biwaksack einfach in den Rucksack stopfen, zu Hause trocknen lassen und erst dann wieder sauber verstauen. Übrigens haben die wirklich durchdachten Modelle Schnüre, um den Sack beim Überziehen am Körper zu sichern, bzw. Packsäcke, die in den Biwaksack, z.B. als Belüftungsöffnung, integriert sind und so nicht verloren gehen können.

Was ist ein Bothy-Bag?

Eine weitere Form des Biwaksackes sind die sogenannten Bothy-Bags, die vor allem bei den wettererprobten Briten beliebt sind (für Nostalgiker vgl. bergundsteigen 2/98). Wie beim Windsack sind auch sie unten offen und werden über den Kopf gezogen (natürlich haben sie Lüftungsöffnungen und teilweise transparente Sichtfenster), allerdings lehnt man sich dann in entgegengesetzte Richtungen gegen die Außenwand des Sackes und kann auf diese Weise gemütlich sitzen, während man in der Mitte – wie in einem Zelt – einen offenen Raum zum Navigieren, Jausnen, im Rucksack herumwühlen usw. hat. Wiederum ideal in Kombination mit einem schnell geschaufelten Loch im Winter, allerdings nicht bzw. schlecht geeignet, um sich flach hineinzulegen.

Aber ein klassischer Biwaksack wird nur in den seltensten Fällen – wie eingangs erwähnt – zum Übernachten mit einem Schlafsack verwendet werden. Dafür gibt es eigene Schlafsacküberzüge mit einer entsprechenden (Mumien-)Form, die meist aus wasserdampfdurchlässigen Materialien bestehen, um die Kondenswasserbildung im Inneren möglichst vorzubeugen.

Welches Biwaksack-Modell ist am besten?

Auf einige Unterschiede haben wir gerade hingewiesen, doch auch sonst gibt es zig Varianten von Biwaksäcken:

Was die Größe betrifft, sind bei uns Zwei-Personen-Biwaksäcke wohl am weitesten verbreitet und werden dann entsprechend der Gruppengröße mitgeführt (z.B. zwei Stück für eine Vierergruppe). Denkanstoß: Könnte das Ego-Ein-Personen-Modell, das dafür jeder immer bei sich führt, unter Umständen nicht besser geeignet sein, z.B. wenn ich den Rest der Gruppe verliere? (Gleiches gilt übrigens auch bezüglich Erste-Hilfe-Packerl usw.).

Bei Unfällen ist es mit einem größeren Biwaksack aber einfacher, eine verletzte Person schonend einzupacken. Manche Modelle verfügen darüber hinaus über Ösen, Reepschnurschlaufen usw., die dann auch für einen kurzen Transport auf einen geeigneten Warteplatz verwendet werden können. Diese Schlaufen können auch ohne Notfall zum Befestigen als Tarp, zum Aufspannen zwischen Skiern etc. verwendet werden.

Der Vorteil der Zwei-bis-drei-Personen-Modelle ist die bessere Wärmeentwicklung, „ungünstige“ (Aussen-) Positionen können durchgetauscht werden und der psychologische Aspekt sowie die bessere Kommunikationssituation dürfen nicht vernachlässigt werden. Die Vier-bis-zwölf-Personen-Bothys sind dagegen wohl nur für Wandergruppen oder Bergrettungen interessant, können aber dafür auf kreative Weise verwendet werden.

Welches Material?

Was das Material betrifft, ist zwischen der ultraleichten, etwas besseren Alu-Rettungsfolie und GoreTex alles erhältlich. Winddicht sind alle erhältlichen Materialien, wasserdicht nicht – besonders im Winter ist ein „nur“ wasserabweisendes, aber dafür dampfdurchlässiges Material von Vorteil. Das Material entscheidet auch hauptsächlich wie groß, schwer, robust und teuer der Biwaksack ist.

Welche Ausstattung?

Was die Ausstattung und die Details betrifft, haben wir auch schon einiges angesprochen: Neben Befestigungsösen, Öffnungen zum Atmen und transparenten „Fenstern“ sind noch die Modelle zu erwähnen, die man auch als Poncho tragen kann (Öffnungen für Kopf und Arme und unten offen). Zum Wandern super und auch bei einem Notbiwak fein, weil man damit problemlos herumgehen kann.

Am Ende war ein solches Modell der Ganzjahres-Favorit der meisten Beteiligten an diesem Beitrag, die alle abgebildeten Biwaksackmodelle das letzte halbe Jahr ausprobieren mussten: ein (enger) Zwei-Personen-Biwaksack, der von einer Person ideal als Poncho, gemütlich zum Hineinlegen und auch als Plane/Tarp abgespannt werden kann und der aus einem stabilen aber noch  leichten und klein zusammenpackbaren Material besteht.

Zusammenfassung

  • Ein Biwaksack ist bei jeder alpinen Unternehmung ein sinnvoller Bestandteil der Ausrüstung.
  • Für kurze Touren sind die ultraleichten „Einmal-Biwaksäcke“ in Ordnung, weil sie klein und günstig sind und nach einer Anwendung kaputt sein dürfen.
  • Nur etwas mehr wiegen die etwas größeren Allroundmodelle, die schon gute Details aufweisen und auch ohne Notfall universell verwendbar sind.
  • Absolut empfehlenswert sind hier Modelle, die über den Kopf gezogen werden können (so machen die Ski-/Bergschuhe nichts kaputt) und entsprechende Reißverschluss-/Klettöffnungen zum Hinausschauen und Atmen haben.
  • Im Winter und als „mobile Unterkunft“ eignen sich Modelle wie Windsack bzw. Bothy-Bags ideal und sind vor allem dann sinnvoll, wenn sie regelmäßig eingesetzt werden.
  • Ein Biwaksack kann nicht nur das Überleben bei einer ungeplanten Übernachtung im Freien bei widrigen Verhältnissen sichern, sondern auch einen Verletzten vor kritischer Auskühlung bewahren und den Komfort bei Pausen erhöhen – was möchte man mehr?

Wie immer gilt. Sich im guten Fachhandel (doch, es gibt ihn noch) beraten lassen und die Verwendung ohne Stress üben! Wer von euch hat schon einmal eine Nacht nur im Biwaksack verbracht? Einmal trainiert ist man dann in einer Notsituation nicht mehr unvorbereitet, sondern weiß, wie das geht und dass man die Nacht überstehen wird. Und man wird dann auf Ski- oder Hochtouren ziemlich sicher auch eine leichte Daunenjacke, eine warme Mütze usw. mit dabeihaben und dann nur noch ein bisschen frieren …

Was übrigens auch Bestandteil jedes geplanten Biwaks ist. Aber das ist eine andere Geschichte.

Neben den mehr oder weniger „klassischen“ Biwaksäcken gibt es für geplante Biwaks bzw. Rettungskräfte weitere spezielle Produkte, wie z.B. solche aus dem seit Jahren in verschiedenen Bereichen bewährten Reflexcell-Material: 3 Lagen „Silberfolie“ sind elastisch miteinander verbunden, sodass sie eine wärmende Luftschicht eng um den Körper speichern. Wie am Foto als Blizzard-Survival-Bag verarbeitet, garantieren diese Handbuch-groß eingeschweißten Säcke unglaublichen Schlafkomfort – aber darüber werden wir einmal extra etwas schreiben …
P.S.: Vorgestellt in bergundsteigen vor 10 Jahren …