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Markus Hofbauer I bergundsteigen.blog
19. Dez 2018 - 8 min Lesezeit

Nachgefragt bei Markus Hofbauer

In Blauer Engel hat Markus Hofbauer von seinem Eiskletterunfall im Februar 2017 berichtet, bei dem er schwer verletzt wurde und der Vorsteiger ums Leben gekommen ist. Wir hatten noch einige Fragen und haben ihn zu einem Gespräch gebeten.

Markus, was ist am 12. Februar 2017 im Blauen Engel schief gelaufen?

Natürlich stellt man sich die Frage, ob und welche Fehler gemacht wurden. Was habe ich nicht erkannt oder ignoriert? Aber wenn ich alles rekapituliere, komme ich zum Schluss, dass ich es wieder so machen würde. Daraus ergeben sich natürlich weitere Fragen: War es das wert? Wie sollte ich mit dem Restrisiko umgehen? Verträgt sich das mit meiner Lebensweise? 

Wert war es das natürlich nicht – eh klar. Aber: Die Säule stand das letzte Mal vor fünf Jahren und war so dick wie noch nie. Wir sind sie geklettert, weil sie eben wieder mal gestanden ist. So einfach ist das. 

Bleibt die Frage nach dem Restrisiko: Wir wussten, dass so eine Säule einstürzen kann. Ebenso war uns klar, welche Konsequenzen ein Sturz beim Eisklettern haben kann; mit oder ohne zusammenbrechende Säule. 

Also was hätten wir anders machen können? Zur Risikobewertung bei Eissäulen, würde ich empfehlen, diese wenn möglich von oben gesichert oder Toprope zu klettern. Das hätte zwar nicht verhindert, dass die Säule einstürzt, aber dass jemand dabei stirbt. 

Und: wenn irgendwas nicht passt oder man ein ungutes Gefühl hat, auch einmal zu seinem Partner und Kindern heimgehen und Lego spielen.

Du hast den tödlich verunglückten Vorsteiger eurer Dreier-Seilschaft vom Körper gesichert. Was wäre anders gelaufen, wenn du vom Fixpunkt gesichert hättest?

Dem Vorsteiger hätte das nichts gebracht. Vom Körper habe ich gesichert weil man vom Standplatz aus die Seillänge nicht einsehen kann und nichts mitbekommen würde, weil ich nicht wollte, dass sich das Seil – wie 11 Tage davor – aufgrund des Seilverlaufes im Zapfen der Sekundärsäule verheddert und, weil es auf den Standplatz ordentlich runter getropft hat.

Was es mir gebracht hätte, wenn ich nicht vom Körper gesichert hätte? Im nach hinein natürlich schwer zu sagen, aber da Daniela (die zweite Nachsteigerin) am Stand, bzw. knapp daneben wartete und fast ohne Verletzungen davon gekommen ist …

Das Körpersichern hat seine Berechtigung in der Halle, beim Sportklettern und ev. in schweren Plaisiertouren – aber nicht im alpinen Gelände. Da ist es einfach nur deppert. Man hängt mitten drinnen, statt nur dabei und ist nach einem Sturz, oder eben in einer Situation wie bei meinem Unfall nahezu bewegungsunfähig. 

Während des letzten Jahres hast du in Krankenhäusern und auf Reha verschiedenste Menschen getroffen, die nach einem Unfall plötzlich „Behinderte“ geworden sind. Wie geht man, wie gehst du damit um, dass mit einem Mal alles anders ist?

So gut wie möglich. Mach was noch geht und freu dich, dass nicht mehr passiert ist. Trauere dem Alten nicht nach, sondern sei froh, dass du es erleben durftest!

Entscheidend dabei ist die Akzeptanz: Du musst dich damit abfinden was passiert ist. Was geschehen ist, ist geschehen und du kannst es nicht mehr ändern. Je schneller du das checkst, desto schneller kannst du in die Zukunft schauen. 

Du musst deine Energie auf die Dinge richten die zu ändern sind: die Zukunft, die Genesung, die Ziele! Nachtrauern, hadern und dem Schicksal nachweinen kostet nur Kraft und führt zu nichts.

Dabei ist dieser Prozess ist für viele gar nicht so schwer und oft leichter als man denkt.

Ambitionen diese Erkenntnisse und deine Erfahrungen an andere weiter zu geben, als Motivationssprecher oder Mentaltrainer?

Trainer für wen…? Für „von Eissäulen Erschlagene“, Bankmanager oder Sportler? Nein, ich glaube nicht. Ich verfüge ja jetzt nicht plötzlich über irgendeine Qualifikation, sondern mir sind Dinge widerfahren, die man niemanden wünscht. 

Was ich davon mitnehme? Naja, meine rechte Hand zumindest einmal nicht.

OK, aber überhaupt keine Message an alle Kletterer und Alpinisten, die vor schweren Unfällen verschont geblieben sind?

Schon. Man sollte sich klar sein, dass am Berg immer etwas schiefgehen kann. Je ausgesetzter und weiter man vom zivilen Raum weg ist, desto fataler kann der kleinste Fehler auswirken, der gemacht wird. Daneben können einem auch noch die sogenannten objektive Gefahren umbringen.

Kurz um: Der Tod klettert mit und somit ist die Entscheidung zum Umdrehen oder Abbruch keine Schwäche sondern im Gegenteil die größte Stärke und Kompetenz die man als Alpinist braucht. 

Wer den Weg des Risikos einschlägt, muss sich der möglichen Konsequenzen klar sein. Im nach hinein jammern ist zu spät und die Schuld bei anderen zu suchen, wäre unfair. Wir waren gut ausgebildet, trainiert und motiviert. Wir wussten was wir tun, aber es hat uns im Endeffekt nichts gebracht. 

Auch im Klaren sollte man sich darüber sein, dass ein Unfall nicht nur einen selber betrifft, sondern auch seine Familie, Verwandte und Freunde. Man geht nicht nur für sich alleine ein Risiko ein, sondern auch für seinen Partner oder seine Kinder.

Wer sorgt für mich oder die Familie wenn mir wirklich etwas passiert? Diese Dinge offen anzusprechen und zu klären, gehört genauso zum Bergsteigen wie die Touren selbst! 

Nicht nur allen Beteiligten der professionellen Rettungskette, sondern auch den Eiskletterern der anwesenden Nachbarseilschaft verdankst du dein Leben. Nun wird immer von Eigenverantwortung gesprochen, wie sieht es auch hier mit der Verantwortung anderen gegenüber aus?

Ohne diese Seilschaft – die den Zusammenbruch der Säule miterlebt hat uns sicher keine Freude daran hatte in einen kollabierten Eisfall hinein zu klettern und uns zu helfen – wäre ich jetzt mausetot. Sie haben mir das Leben gerettet und dafür bin ich sehr dankbar!

Die unmittelbare Hilfe am Berg von anderen Bergsteigern, ist oft die einzige Möglichkeit Leben zu retten; vor allem natürlich bei Lawinenverschüttungen und daher sollte jeder in der Lage sein, die grundlegenden Rettungstechniken zu beherrschen und sein LVS nicht nur einschalten, sondern auch bedienen können!

Solidarität und ein Gemeinschaftssinn – manche würden Kameradschaft sagen – sollte am Berg sowieso ganz oben stehen. Aber auch in unserer Zivilgesellschaft wird oft vergessen, dass einer alleine gar nichts ausrichten kann. Doch Helfen kann jeder! Umso effizienter, je besser er ausgebildet ist. Ich hatte das Glück, dass extrem gute Alpinisten vor Ort waren.

Nach dem Unfall, scheint Bergsport auch weiterhin enorm wichtig für deine Rekonvaleszenz zu sein. Wie reagiert deine Umgebung darauf, dass Klettern und Berge für dich den „einzigen“ Weg darstellen, um wieder auf die Beine zu kommen?

Alleine den Fokus darauf zu legen wieder gesund zu werden reicht nicht aus! Man muss sich konkrete Ziele stecken. Realistische aber Harte. Als ich bereits auf der Intensivstation davon gesprochen habe zur Kletter-WM zu fahren, haben mich alle ausgelacht. Aber für mich war klar, dass ich dieses Ziel anvisieren muss, um überhaupt wieder aus dem Bett zu kommen. Während der Reha am Weißen Hof habe ich mir im Gehbarren dann vorgestellt wie mich die Zuschauer anfeuern – und das hat mir extrem viel Kraft gegeben.

Schließlich musste ich mir aber noch ein anderes Ziel suchen, weil die WM zu einem fixen Datum stattfindet und ich ja von vielen, wenig planbaren Faktoren abhänge. Also war es naheliegend einem Berg die Last des Unverrückbaren umzuhängen. Da traf es sich günstig an den Ort zurückzukehren, wo alles begann – ein Neuanfang: Vor fast 20 Jahren startete meine Hochtourenlaufbahn mit einem Kurs am Cevedale. Anfänger gehen zu leichten Bergen, aber wollen hoch hinaus. Also war auch für mich der Cevedale das ideale Ziel; 3.769m hoch und mit einer Hütte auf 3.250m und technisch leicht. 

Beides – WM und Cevedale – ist dann auch aufgegangen, auch wenn einige gemeint haben, dass ich weder das Eine noch das Andere schaffen kann. Für mich waren es nie unmöglich, sondern klar und realistisch: ich habe nüchtern kalkuliert welche Ziele in Betracht kommen und fokussiert darauf hin gearbeitet. Ein solch scharfer Fokus lässt auch wenig Spielraum, um viel drüber nachzudenken. Das hat mir immer geholfen nach vorne zu schauen, und nicht der Vergangenheit nachzuweinen.

Eines ist mir aber auch bewusst: wäre ich am Cevedale grandios gescheitert, hätte meine Psychologin nachher eher nicht auf Urlaub fahren dürfen.

Auch hat mir meine Mutter – noch auf der Intensivstation – das Versprechen abgerungen, nach Maria Zell zu pilgern. Natürlich habe ich ja gesagt, denn ein besseres Training gibt’s ja wohl nicht. Mit dem Glaube an einen Gott konnte ich allerdings nie viel anfangen und die Religion ist mir seit dem Unfall noch weniger eine Hilfe. Wenn Gott mich umbringen hätte wollen: versagt. Wenn er mich retten hätte können: auch versagt. Und wenn er’s nicht mitgekriegt hat, dann brauch ich ihn auch sonst nicht.

Aber natürlich gibt es noch andere Ziele in meinem Leben: alleine zurecht zu kommen, Arbeiten, Mobilität. Ich werde in meine neue Wohnung einziehen und irgendwann eine Prothese bekommen um wieder arbeiten zu können. 

Also den Alltag alleine bewältigen zu können, das ist schon enorm wichtig! •

Die Fragen stellten Philipp Wegan und Peter Plattner.

Erschienen in der
Ausgabe #106