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wohlleben Hintersberger salbit klettern
19. Mrz 2024 - 17 min Lesezeit

Wohlleben/Hinterberger: Die Salbit-Winter-Trilogie

Michael Wohlleben und Lukas Hinterberger über gute Seilschaft, ihre Salbit-Winter-Trilogie im Februar 2023, das psychische Runterkommen nach großen Projekten und was Käsen mit Bergsteigen zu tun hat.
Wohlleben und Hintersberger bei der Querung eines Schneefeldes am Salbit
Foto: ALPSOLUTpictures

Worin liegt der Reiz des Winteralpinismus?

Wohlleben: Dass du im Winter deine absolute Ruhe hast. Da ist nix los. Als wir am Salbit für die Winter-Begehung aller drei Grate unterwegs waren, haben wir keine Menschenseele getroffen. Aber am Fels bist du vollkommen allein. Da ist am Cerro Torre mehr los.

Wie habt Ihr Euch als Seilschaft gefunden?

Wohlleben: Ich hatte die Trilogie als Winterprojekt schon länger im Kopf. Im Herbst 2022 waren Lukas und ich sportklettern. Und der Herbst ist die Zeit, wo man so giggerig wird und sich überlegt, was man im Winter machen kann. Also sind wir nach dem Klettern beim Kaffee zusammengesessen und haben überlegt. Als die Trilogie zur Sprache gekommen ist, hat der Lukas gleich gesagt: Das machen wir!

Was hat für euch den Reiz ausgemacht?

Wohlleben: In erster Linie, als Winter-Erstbegeher aller drei Grate am Stück zu gehen. Bei einer Trilogie schwingen immer alpinistische Erinnerungen mit an Größen wie Jean-Marc Bouvin. Und dann ist es schön, wenn man ein Projekt findet, bei dem man an seine Grenzen kommt und das noch dazu in den Alpen liegt – quasi vor der eigenen Haustür.

Gar nicht leicht zu finden. Natürlich ist die Trilogie nicht der größte Streich im Alpinismus – aber dass das noch niemand im Winter gemacht hat, hat dem schon einen großen Reiz gegeben.

Hinterberger: Wenn du ein Abenteuer erleben willst, ist es manchmal effizienter, das in den Alpen zu suchen. Sonst fliegst du irgendwo hin und frierst fünf Wochen im Basecamp bei miesem Wetter. Wenn es blöd läuft, kehrst du mit leeren Händen zurück.

wohlleben salbit gipfel
Foto: ALPSOLUTpictures

Wie oft wart ihr zusammen unterwegs, bevor ihr die Salbit-Winter-Trilogie angegangen seid?

Hinterberger: Wenn man Sportklettern nicht dazu zählt, zehn Mal.

Wohlleben: Unsere erste große gemeinsame Tour war die Wiederholung der Dani-Arnold-Roger-Schaeli-Tour am Großen Ruchen. Da haben wir uns quasi alpinistisch kennengelernt. Wir pflegen eine normale Bergfreundschaft – und zwischendurch machen wir was Schwierigeres.

Was zeichnet Euch als Seilschaft aus?

Hinterberger: Dass wir uns sehr gut ergänzen. Ich bin mehr der Ruhigere. Ich kommuniziere nicht so viel wie Michael und wenn es mir nicht so gut geht, sag ich das leider nicht so deutlich wie Michael. Der spürt das aber sehr gut. Er gibt mir das Gefühl, dass ich alles auf den Tisch legen kann. Deswegen fühle ich mich mega-wohl mit ihm. Der Michi ist für mich so bisschen wie ein Joker.

Freundschaft ist wichtig für Eure Seilschaft?

Hinterberger: Unbedingt. Ich kenne das Leben von Michael: Ich weiß, wo er wohnt, kenne sein Kind, seine Frau. Ich weiß wie und wofür er lebt und wie er tickt. Wenn ich von jemanden nur weiß, wie stark er klettert, aber sonst nichts, wäre mir das zu oberflächlich. Und bezüglich Risiko haben wir beide in etwa die selbe Schwelle.

Und zwar?

Hinterberger: Natürlich gibt es immer Situationen, wo der eine anders urteilt als der andere. Aber die grundsätzliche Risikobereitschaft und -wahrnehmung muss schon übereinstimmen. Das spürt man meistens sehr, sehr schnell. Da muss man nicht mal wochenlang miteinander unterwegs sein. Ich merke das innerhalb von wenigen Stunden.

Was macht Lukas für dich, Michael, zu einem guten Partner?

Wohlleben: Ich war mit einigen der besten Bergsteiger der Welt unterwegs, unter anderem auch Ueli Steck. Und habe da nicht nur gute Erfahrungen gesammelt. Mittlerweile würde ich fast sagen: die Freundschafts-Komponente ist der Schlüsselfaktor für erfolgreiche Begehungen.

Weshalb?

Wohlleben: Weil du dann Vertrauen hast. Und weil du mit einem guten Freund wie Lukas viel besser über deine Schwächen kommunizierst. Bei einem Profi, der nicht gleichzeitig ein wirklich guter Freund ist, nimmst du viel eher ein Blatt vor den Mund. Beim Lukas muss ich das nicht.

Wenn es zu Hause mal nicht so gut läuft oder ich vor einer bestimmten Seil-Länge plötzlich Schiss habe, weiß ich, dass die Botschaft bei Lukas gut aufgehoben ist. Und dass er darauf eingeht.

wohlleben Hintersberger salbit klettern
Foto: ALPSOLUTpictures

Geht es um Offenheit?

Wohlleben: Und um Vertrauen. Und was das Risikobewusstsein angeht: da habe ich schnell gemerkt, dass das bei uns sehr ähnlich gelagert ist. Lukas kann megaehrgeizig sein und sehr zielgerichtet. Aber er hat nie dieses Quäntchen zu viel Ehrgeiz, das manchen Vollprofis – vor allem solche ohne Familie – das Leben kostet.

Familie ist ein limitierender Faktor Deiner Risikobereitschaft?

Wohlleben: So weit würde ich nicht gehen. Das ist meine Grundhaltung beim Bergsteigen, schon bevor ich Familie hatte: ich will überleben. Ich spüre gut, wenn ich Angst habe oder wenn es mir zu gefährlich wird. Und der Lukas hat eben eine sehr gute Balance zwischen ‚Jetzt drück ich mal ab, weil es die Verhältnisse zulassen‘ und defensiver Vorsicht. Wir sind beide auch nicht übertrieben dickköpfig oder ehrgeizig.

Salbit-Triologie Michi Wohlleben und Lukas Hinterberger
Foto: Jake Holland

War das bei Ueli Steck anders?

Wohlleben: Ueli hatte schon ein bisschen die Tendenz, ein angekündigtes Projekt in jedem Fall durchzuziehen.

Bei Lukas ist das anders?

Wohlleben: Lukas macht die Projekte vor allem für sich selbst und nicht für irgendjemand anders. Er versteht auch, dass es manchmal einfach nicht sein soll, was man sich in den Kopf gesetzt hat.

Hängt das auch damit zusammen, dass Lukas kaum in den sozialen Netzwerken aktiv ist?

Hinterberger: Wie meinst du das?

Lochbihler: Dass dir das wurscht ist – die Followerzahlen, Likes und so weiter

Hinterberger: Ja, das ist mir wurscht.

Den Sponsoren auch?

Wohlleben: Der Lukas hat nur Sponsoren, denen es wurscht ist. Lacht.

Hinterberger: Ich habe eigentlich nur die für Bergführer üblichen Ausrüstungsdeals, bei denen kein Geld fließt. In dem Sinn also gar keine Sponsoren.

Sponsoren erwarten von ihren Athleten Präsenz – in den Medien und den sozialen Netzwerken. Du, Michael, hast die Folgen daraus schon mehrfach kritisiert.

Wohlleben: Ich finde das Verschwimmen des Profi-Bergsports und des extremen Alpinismus – oder wie immer man das nennen will – mit dem Influencertum ein bisschen schwierig.

Blick in die Tiefe vom Salbit - Hintersberger, Wohlleben
Foto: Hintersberger

Weil nicht immer die Leistungen, die die größte Aufmerksamkeit bekommen, diejenigen sind, die alpinistisch am meisten beeindrucken?

Wohlleben: Ja. Und weil dadurch Druck entsteht, der gefährlich sein kann. Insofern finde ich es gut, dass dem Lukas Sponsorings so egal sind. Wir haben bei unseren gemeinsamen Projekten überhaupt keinen Druck. Sehr wertvoll.

Aber was ist mit deinen Sponsoren?

Wohlleben: Bei der Projektplanung denke ich erst mal nicht an meine Sponsoren. Ich will die Projekte machen, die ich machen will. Was danach kommt – an Medienecho, an Social-Media-Resonanz – ist dann nur eine Konsequenz. Aber es sollte nie die Priorität sein. Zuerst kommt der Sport und erst dann, was dazugehört, um ihn zu ermöglichen. Ich glaube, dass man nur so seiner Linie, seinem Alpinismus, treu bleiben kann.

Ihr hattet schon 2022 erste Versuche unternommen, die Salbit-Trologie im Winter zu klettern. Was hat damals nicht gepasst?

Wohlleben: Zum Beispiel die Schneelage im Winter 21/22, wo wir die Abseilstrecke zwischen Süd und West-Grat wahrscheinlich nicht gefunden hätten. Von der Lawinensituation ganz zu schweigen. Aber auch die Vibes haben damals einfach nicht gepasst.

Nachtaufnahme am Gipfel de Salbit
Foto: ALPSOLUTpictures

Was meinst du?

Wohlleben: So viel, was im Januar und Februar 2022 in kurzer Zeit zusammengekommen ist. Der fürchterliche, damals noch ganz neue Krieg in der Ukraine, aber auch ganz private Sachen wie mein Physio-Studium und die Endphase unseres Hausbaus.

Und dann auch noch der Tod von Korra Pesce am Cerro Torre Ende Januar 2022. Das war alles einfach too much. Das gibt es manchmal, dass die Zeit oder das eigene Feeling nicht passen. Darauf sollte man hören. Wie man sich fühlt, ist manchmal fast so wichtig wie die Bedingungen am Berg.

Wie empfindet Ihr das Klettern bei Nacht wie am Salbit?

Hinterberger: Mental eine Herausforderung. Du hast da diesen Lichtkegel und links und rechts ist es einfach nur schwarz. Du hast die ganze Zeit das Gefühl, dass es links und rechts von dir in ein schwarzes Loch geht, auch wenn da eigentlich Fels ist. Kann schon bedrückend sein. Und ermüdend. Aber wenn man reingefunden hat, macht es vom Klettern her eigentlich keinen Unterschied zum Tag.

Wie lief das mit den Dreharbeiten?

Wohlleben: Wir hatten ursprünglich mit einem größeren Filmteam geplant, aber bald war klar, dass das nicht funktioniert, weil wir dann einsteigen müssen, wenn das Wetter und die Verhältnisse passen. Ein Filmteam drei Monate auf Stand-Bye zu halten, wäre viel zu teuer gewesen.

Außerdem – das darf man nicht vergessen – erzeugt es Druck: Wenn du weißt, da stehen jetzt fünf Filmer bereit und alles kostet einen großen Haufen Geld, kann das Entscheidungen negativ beeinflussen. Wir haben uns deswegen gesagt: Komm, wir wollen das Projekt machen und wie der Film wird, ist uns erst einmal egal.

Wir hatten letztlich einen Filmer, der uns mit Drohne und Tele gefilmt hat, so lange das eben ging. Dazu haben wir selber Aufnahmen mit unseren Handys und einer GoPro gemacht. Wir sind zwar keine guten GoPro-Filmer, besonders ich, weil mich das Ding auf dem Helm so nervt. Aber den Lukas stört es viel weniger, der kommt gut damit klar.

Erst kommt das alpinistische Projekt und dann der Film?

Wohlleben: Genau. Eigentlich sollte es doch immer erst einmal um das gehen, was wir machen wollen. Der Film ist sekundär. Wenn er dann trotzdem schön wird – umso besser! Wenn es anders ist – also die Filmerei das Projekt bestimmt -, ist man ganz schnell beim Influencertum. Natürlich ist es viel leichter, bei alpinistisch leichten Projekten zu filmen. Deswegen gibt es davon auch immer die beste Footage – nicht von den schwersten und eindrucksvollsten Besteigungen.

Für dich, Michael, war das Dein drittes größeres Winterprojekt: 2014 bist du mit Ueli Steck die Nordwände der Drei Zinnen in 15 Stunden 42 Minuten geklettert. 2017 gab es mit Simon Gietl die Überschreitung der Drei Zinnen. Am Salbit warst du mit Lukas allerdings 45 Stunden unterwegs. Was bedeutet das im Vergleich zu den kürzeren Winterprojekten?

Wohlleben: Das man das nicht vergleichen kann. Mit Ueli und Simon ging es immer auch um die Zeit – so schnell wie möglich zu sein.

Speed?

Wohlleben: Ja, aber nicht als Speed-Rekord. Mit Ueli und Simon mussten wir so schnell wie möglich sein, weil wir keine Biwakausrüstung dabeihatten. Ursprünglich hatten Lukas und ich auch am Salbit geplant, es eventuell an einem Tag zu machen. Oder zumindest in einem Push. Aber bei den ersten Versuchen haben wir schnell gemerkt, dass das nicht zu schaffen ist. Und dass wir einmal biwakieren müssen.

Salbit Michi Wohlleben und Lukas Hinterberger
Foto: ALPSOLUTpictures

Weshalb?

Wohlleben: Es ist einfach zu lang: die Zinnen-Trilogie hat 45 Seillängen, die Salbit-Trilogie hat 80. Und bei der Zinnen-Überschreitung sind es noch weniger Seillängen, weil man sich sehr viel am Grat bewegt.

Die Salbit-Trilogie ist fast doppelt so lang….

Wohlleben: … deswegen haben wir uns gesagt, dass es uns nicht um die Zeit geht, sondern dass wir das einfach nur als erste schaffen wollen. Am Ende schreit kein Hahn danach, ob man ein Biwak, zwei oder gar keins braucht. Wir wollten es nur so alpinistisch wie möglich machen.

Habt ihr in den vielen Jahren, in denen ihr klettert, auch schon mal eine Seilschaft beendet, weil es nicht mehr ging oder sich nicht gut angefühlt hat?

Wohlleben: Bei Ueli und mir habe ich schon gemerkt, dass wir bei so einem kurzen Projekt wie der Zinnen-Trilogie gut funktioniert haben. Ein Tag ging gut. Aber über eine längere Zeit hätte es nicht funktioniert, weil mir da die Risiken von Uelis Projekten zu groß waren. Es ist etwas anderes, ob man kontinuierlich gewisse Risiken eingeht oder ob man das fokussiert an zwei Tagen pro Saison macht.

Du hast gesagt, dass du nur ein bis dreimal pro Jahr ein riskanteres, auch mental sehr forderndes Projekt angehst, aber nicht häufiger. Hat das auch mit deiner Situation als junger Familienvater zu tun?

Wohlleben: Mehr mit der Statistik. Die zeigt einfach, dass sich das Restrisiko akkumuliert, je mehr und je häufiger man sich am Limit bewegt. Wenn Lukas und ich jedes Jahr zehn solche Sachen wie am Salbit machen würden, passiert dabei sehr viel wahrscheinlicher etwas, als wenn wir so ein Projekt nur einmal im Jahr angehen.

Wenn wir über zehn Jahre 20 schwierige Projekte machen, dann ist das das gleiche Risiko, wie wenn wir diese 20 Projekte in nur einem Jahr versuchen würden – aber eben verteilt auf zehn Jahre. Ein oder zwei Projekte pro Jahr, wo man sich am Limit bewegt – das reicht. Und das passt auch besser zu einem Leben mit Familie.

wohlleben Hintersberger salbit klettern
Foto: ALPSOLUTpictures

Wie meinst du das?

Wohlleben: Die Emotionen, die man im Anschluss verarbeitet, sind schon ziemlich krass. Krass positiv meistens. Aber man darf nicht vergessen, dass ein solches High nicht das normale Leben ist. Und dass man das ganz normale Leben doch auch als sehr, sehr schön empfinden muss.

Wie lange dauert es, nach einem solchen Projekt mental wieder runterzukommen?

Wohlleben: Das hängt von der Intensität ab, vom Risiko, das man eingegangen ist, vom Adrenalin, das man ausgeschüttet hat. Auch ob man erfolgreich war oder nicht. Beim Salbit-Projekt hat es drei, vier Wochen lang angehalten bei mir.

Was für Gefühlslagen durchlebst du da?

Wohlleben: Überwiegend fühlt man sich wahnsinnig positiv, man fühlt sich gut, stark und toll. Ich hatte aber auch ein bisschen zu kämpfen mit der Lawinen-Situation, also der Frage, ob eine Querung und die Zustiege bei der Salbit-Trilogie lawinentechnisch nicht doch zu riskant waren. Natürlich ist es wichtig, das im Nachhinein zu reflektieren. Und dann kommt irgendwann der Punkt, wo man wieder im normalen Alltag angekommen ist und sich auch da gut fühlt.

Auch beim Müll rausbringen?

Wohlleben: Lacht. Sogar dann.

Was würde passieren, wenn du gleich wieder losziehst und Dein Limit suchst?

Wohlleben: Dann gewöhnst du Dich irgendwann an dieses Gefühl, dass du nur noch solchen Projekten und diesem Gefühl hinterherrennst. Das ist auf Dauer nicht gesund. Und verträgt sich auch nicht mit einer Familie.

Salbit-Triologie Michi Wohlleben und Lukas Hinterberger bei Dämmerung
Foto: ALPSOLUTpictures

Erzählt Ihr Euren Partnerinnen viel von solchen Touren? Auch alles?

Hinterberger: Ja, wir sprechen darüber. Meine Freundin hat jedoch nicht vor Projekten wie solchen mit Michi am meisten Sorge, sondern wenn ich mit Gästen unterwegs bin. Und auch da geht es um die Frequenz. Wenn ich 150 Tage als Bergführer unterwegs bin, dann ist das einfach sehr viel. Und das mit ständig wechselnden Gästen. Zudem: Wenn ich bei einer Tour, die ich privat für mich unternehme, kein gutes Gefühl habe, breche ich ab. Auch beim Salbit war immer klar: Wenn es nicht passt, dann brechen wir ab. Da ist aber auch kein Gast dabei, der dich bezahlt und vielleicht Druck macht….

Vorhin habt ihr gesagt, dass euch am Winterbergsteigen das Alleinsein reizt. Noch mehr allein wärt Ihr bei Soloprojekten. Reizt euch das?

Hinterberger: Nein. So kleine Dinge bei uns zu Hause, vielleicht ein, zwei Mal pro Saison – okay. Aber eine so große Sache wie die Salbit-Trilogie: Nein, überhaupt nicht.

Warum?

Hinterberger: Ich bin nicht so gern alleine.

Du bist nur zu zweit gern alleine?

Hinterberger: Lacht. Ich hab gern jemanden am Berg dabei, mit dem ich mich austauschen kann. Wohlleben: In meiner Sturm-und-Drangzeit bin ich ein paar Sportkletterrouten free solo geklettert. Aber mir hat nie gefallen, dass ich solo an meinem eigentlichen Niveau Abstriche machen muss. Und den Salbit als Winter-Trilogie solo – da hätte ich große Bedenken, das zu machen. Der Spaß wäre definitiv auch nicht größer: Mit dem Lukas fühlt sich so ein Projekt an, als ob man in Kletter-Ferien geht und sich dabei den ganzen Tag über Gott und die Welt unterhält.

Salbit-Triologie Michi Wohlleben und Lukas Hinterberger
Foto: Wohlleben

Wenn Ihr mit Frauen klettert – fühlt sich das anders an als in einer reinen Männerseilschaft?

Hinterberger: Ich glaube, dass ich das ganz gut beantworten kann, weil ich häufiger mit weiblichen Gästen unterwegs bin. Und auch mit meiner Freundin.

Und wie lautet deine Antwort?

Hinterberger: Ja, es fühlt sich anders an.

Inwiefern?

Hinterberger: Ich glaube, Frauen sind generell schlauer. Sie kennen ihren Körper besser als Männer. Frauenseilschaften sind oft smarter unterwegs und vielleicht sozialer. Meistens haben sie ein kleineres Ego als Männer. Ich kenne aber auch Frauen, die sind mega-crazy unterwegs, die machen Sachen, die ich nie machen würde.

Sterben deswegen weniger Frauen als Männer in den Bergen?

Hinterberger: Nein, das liegt nach wie vor an der Statistik, daran, dass nach wie vor so viel mehr Männer in den Bergen unterwegs sind. Man darf auch nicht vergessen, dass Frauen vor gar nicht so langer Zeit nicht in die Berge sollten oder durften. Ein Wahnsinn. Und dass sie deswegen erst seit ein paar Jahren in der Spitze zu den Männern aufschließen.

Wohlleben: Ich glaube, dass die die ambitionierten Profi-Alpinistinnen mindestens genauso viel Risiko eingehen wie wir.

Salbit-Triologie Michi Wohlleben und Lukas Hinterberger kurz vor dem Gipfel
Foto: Wohlleben

Wie ist die Rollerverteilung, Lukas, wenn du mit Deiner Freundin klettern gehst?

Hinterberger: Meine Freundin ist technisch recht stark unterwegs, hat aber alpinistisch nicht so viel Erfahrung wie ich als Bergführer. Deswegen ist es logisch, dass ich die Entscheidungen treffe, wenn wir zusammen unterwegs sind.

Haben Bergführerinnen als Frauen auch Nachteile?

Hinterberger: Wenn ich Bergführerinnen mit großen, deutlich schwereren männlichen Gästen sehe, denke ich mir manchmal: Shit, Dein Gast ist sogar größer als ich, ich hätte da Angst, den zu führen, wenn der Gewichtsunterschied bei 50 Kilo oder mehr liegt.

Was hat Euch in letzter Zeit alpinistisch beeindruckt? Was fandet ihr geil, was andere gemacht haben?

Hinterberger: Lustig, das haben wir vor ein paar Tagen erst diskutiert. Auf jeden Fall Renaissance, die Trad-Erstbegehung in der Eiger Nordwand von Silvan Schüpbach und Peter von Känel. Beeindruckend, dass die da noch so eine Erstbegehung gefunden haben, ganz ohne Bohrhaken. Bis in den siebenten Grad, 30 Seillängen. Ein Meilenstein.

Wohlleben: Das ist richtiges Bergsteigen. Da ist nix vermurkst. Perfekter Alpinismus. Aber auch ein paar junge Franzosen sind aktuell richtig stark.

An wen denkst du?

Wohlleben: An Charles Dubouloz und Benjamin Védrines mit ihrer Chamlang North Face Direttissima in Nepal. Oder auch an Symon Welfringer. Dagegen ist das, was an so gennannten Rekorden zuletzt im Himalaya gefeiert wurde, irrelevant. Und in der heutigen Zeit eine Sauerei.

Wegen der Hubschrauberflüge von Berg zu Berg?

Wohlleben: Genau. Gib jemand wie dem Lukas einen Hubschrauber und Sauerstoff-Flaschen: Der macht die 8000er auch in 90 Tagen. Das ist wie die Tour de France mit Doping plus E-Bikes. Plus Umweltverschmutzung.

Ist Nachhaltigkeit ein Faktor, der Euch wichtig ist?

Hinterberger: In jedem Fall. Im Sommer mache ich sehr viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Da ist die Schweiz toll aufgestellt. Im Winter und im Frühling ist es schon schwieriger, auch weil man da so früh dran sein muss. Ich bin natürlich auch schon mal nach Kanada zum Eisklettern geflogen, was natürlich völlig widersprüchlich ist: Man will lange, kalte Winter und fliegt deswegen nach Kanada. Aber mit dem Flug trägt man natürlich dazu bei, dass diese Winter überall noch weniger werden. Auch in Kanada.

Wohlleben: Ich hätte jetzt kein Problem, nach fünf, sechs Jahren wieder mal nach Patagonien oder Nepal zu fliegen. Aber dreimal im Jahr solche großen Flugreisen, das geht eigentlich nicht. Ich will nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommen, aber jeder sollte sich überlegen, wo und wie er die eigenen Bedürfnisse reduzieren kann. Jeder sollte auch schauen, ob er Projekte in seiner Nähe findet. Für uns beide ist das jedenfalls ein Thema.

Salbit-Triologie Michi Wohlleben und Lukas Hinterberger bei Runde 3
Foto: Wohlleben

Michi hat zuletzt eine Ausbildung als Physiotherapeut abgeschlossen. Welchen Beruf hast du, Lukas, gelernt, bevor du Bergführer geworden bist?

Hinterberger: Ich habe Käser gelernt. Und arbeite in der Nebensaison auch noch in der Käserei meiner Familie – so lassen sich meine beiden Berufe recht gut vereinbaren.

Produziert Ihr Käse, den es so nur bei euch gibt?

Hinterberger: Nur bei uns? Klar. Wir haben einfach den besten Käse. Lacht

Wohlleben: Der Lukas macht sonst immer ein Bisschen auf Understatement. Aber nicht, wenn es um seinen Käse geht. Lachen

Gibt es Parallelen zwischen dem Alpinismus und der Herstellung von Bergkäse?

Hinterberger: Die Natur gibt das Timing vor: beim Käsen wie beim Bergsteigen.

Wohlleben: Ich würde ergänzen: Beim Käsen musst du so perfektionistisch und präzise arbeiten wie beim Klettern. Wenn Lukas da etwas falsch machen würde, ist das zwar nicht tödlich. Aber unverkäuflich.

Salbit-Triologie Selfie Michi Wohlleben
Foto: Wohlleben