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Skitour Stubaier Gletscher VDBS. Foto: Christian Pfenning
27. Nov. 2025 - 3 min Lesezeit

Absturz & Kälte: Die unterschätzten Gefahrendes Winters

Lawinen, die größte Gefahr des Winters? Nicht zwingend. Bei tödlichen Unfällen bleiben Lawinen zwar eine der Hauptursachen, betrachtet man jedoch alle alpinen Unfälle, rücken sie in den Hintergrund. Der Verband Deutscher und Berg- und Skiführer (VDBS) und der Österreichische Alpenverein nehmen sich den unterschätzte Gefahren an und geben Tipps, wie man ihnen begegnet.

Wenn im Winter von alpinen Risiken die Rede ist, denken viele zuerst an Lawinen. Doch das Unfallgeschehen zeigt: Die größten Gefahren lauern oft woanders. Dass Bergsteigen inzwischen zum Breitensport geworden ist, sich das Freizeitverhalten verändert und der Klimawandel deutliche Auswirkungen zeigt, beeinflusst auch die Risiken am Berg. Sturz, Absturz, Erschöpfung, Orientierungslosigkeit, Wetterumschwünge oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen eine ebenso große Rolle – werden in der Wahrnehmung aber häufig unterschätzt.

Weniger Tote, mehr Verletzte

Vorab: Das Österreichische Kuratorium für alpine Sicherheit (ÖKAS) verfügt auf Basis der Erhebungen der Alpinpolizei über die weltweit älteste Datenbank zum alpinen Unfallgeschehen. Die folgenden Daten (vom 1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) beziehen sich damit zwar nur auf Österreich, dennoch lassen sie sich als Vergleichswert auf andere Alpenländer übertragen.

Skitour Stubaier Gletscher VDBS. Foto: Christian Pfenning
Skitour am Stubaier Gletscher: Schlechte Sicht, wenig Schnee. Foto: Christian Pfenning

Im Betrachtungszeitraum sind bei den typischen Wintersportarten 68 Personen in den österreichischen Bergen tödlich verunglückt: 33 auf Pisten/ Skirouten, 28 auf Skitour, drei beim Variantenfahren und einige wenige jeweils beim Eisklettern, Langlaufen und Rodeln. Mit 170 Alpintoten bei den Sommerdisziplinen, etwa beim Wandern, Bergsteigen oder Klettern, bleibt die Zahl also deutlich geringer.

Doch ein Blick auf die Gesamtheit aller Verunfallten – also Tote, Verletzte und Unverletzte – zeigt ein anderes Bild: Mit rund 5.300 Verletzten passierten 23/24 bei den Winterdisziplinen deutlich mehr Unfälle als im Sommer (rund 3.200 Verletzte). Die mit Abstand meisten Unfälle mit verletzten Personen ereigneten sich dabei auf der Piste oder Skirouten – wobei hier die Unfallzahlen (4.047 Verletzte) vermutlich nur bis zu zehn Prozent der Gesamtheit darstellen dürften. Pistenunfälle werden von der Alpinpolizei nämlich nur aufgenommen, wenn ein Verdacht auf Fremdverschulden, zum Beispiel Kollisionen, besteht.

Gesamtstatistik Alpinunfälle Sommer/Winter für Betrachtungszeitraum 2024. Quelle: Analyse Berg / ÖKAS
Gesamtstatistik Alpinunfälle Sommer/Winter für Betrachtungszeitraum 2024. Quelle: analyse:berg / ÖKAS

Winter Update vom ÖAV zum Nachschauen

Auch der Österreichische Alpenverein rückt die Gefahren abseits der Lawine in den Vordergrund und tour ab sofort mit dem Winter Update durchs Land. Das Winter Update ist die Weiterentwicklung des erfolgreichen Lawinenupdate – mit neuem Fokus und frischem Format. Neben Lawinen werden jetzt auch die unfallrelevanten Themen Absturz und Kälte in den Fokus gerückt. Anhand aktueller Unfallbeispiele werden die entscheidenden Faktoren analysiert – und klare „Take-Home-Points“ mitgegeben.

Gefahren jenseits der Lawine

Mit 28 toten Skitourengehern gibt es zwar fast doppelt so viele wie im Vorjahr (22/23) und deutlich über dem 10-Jahre-Mittel von 22. Doch es lässt sich festhalten, dass 13 Personen aufgrund von Herz-Kreislauf-Störungen starben – acht durch eine Lawine, vier durch Sturz oder Absturz, zwei durch einen Wechtenbruch und eine aufgrund eines Wettersturzes.

Verunglückte Skitourengeher:innen der letzten 10 Jahre in Österreich. Quelle: analyse:berg / ÖKAS

Das soll keineswegs bedeuten, dass Lawinen keine oder nur geringe Gefahr darstellen – im Gegenteil. Auffallend ist nämlich beispielsweise der Anstieg der Lawinentoten bei ausgegebener Gefahrenstufe zwei (mäßig): Im Gegensatz zum 10-Jahre-Mittel von 25 Prozent starben im Betrachtungszeitraum genau die Hälfte bei mäßiger (2) Lawinengefahrenstufe. Bei Stufe 3 (erheblich) dagegen mit 19 Prozent signifikant weniger als die 53 Prozent im Mittel.

Unfallursachen der tödlich verunglückten Skitourengeher:innen 2023/24 (rot) und im Zehn-Jahres-Mittel (weiß). Quelle: Analyse Berg / ÖKAS
Unfallursachen der tödlich verunglückten Skitourengeher:innen 2023/24 (rot) und im Zehn-Jahres-Mittel (weiß). Quelle: analyse:berg / ÖKAS

Weniger Schnee, mehr Bergtouren – und neue Gefahren

Dennoch kommen andere Gefahren hinzu. Da die Winter zunehmend schneeärmer werden, bleiben Bergtouren ohne Ski oft über die gesamte Wintersaison möglich. Menschliche Fehler wie Selbstüberschätzung, mangelnde Fitness und Fehleinschätzung der Gegebenheiten können dann vor allem in der kalten Jahreszeit schnell dramatische Folgen haben.

Betrachtet man die häufigsten tödlichen Unfallursachen über alle Disziplinen im 10-Jahre-Mittel, stehen Herz-Kreislauf-Störungen an erster Stelle (71 Tote). Darüber hinaus gab es, speziell im Betrachtungszeitraum, mit 58 Toten so viele tödliche Absturz-Unfälle wie noch nie zuvor. Summiert man nun die Zahl der tödlich Verunfallten durch Absturz und Sturz/Stolpern/Ausgleiten, dann ist das sogar die alpine Todesursache Nummer 1 in Österreich. Mit 16 Lawinentoten (10-Jahre-Mittel 19) starben gleich viele Menschen, wie durch umstürzende Bäume bei der Forstarbeit.

Alpintote nach der häufigsten Unfallursache im 10-Jahres-Mittel in Österreich. Quelle: Analyse Berg / ÖKAS
Alpintote nach der häufigsten Unfallursache im 10-Jahres-Mittel in Österreich. Quelle: analyse:berg / ÖKAS

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