Eindrücke 2 von Dienstag, 9. Oktober, ISSW 2018
Interviewpartner: Christine Schönberger Lawinen- und Naturgefahrenexpertin bei der ÖBB
Am Nachmittag standen v.a. „technische“ Themen am Programm. Was ist bei Dir von den Vorträgen besonders hängengeblieben?
Zum einen gab es heute Themenbereiche, wo es um den Austausch zwischen Wissenschaftlern ging mit dem Schwerpunkt, worauf man bei der Anwendung verschiedener Lawinensimulationsmodellen achten muss. Aufgrund der Tatsache, dass kleine Änderungen im Set-up, beispielsweise die Verwendung eines genaueren Geländemodells, große Wirkungen auf die Auslauflängen von Lawinen haben, ist ein reflektierter Umgang mit den Inputparameter wie beispielsweise den Reibungsbeiwerten notwendig.
Ein anderer Vortrag, der heute sehr interessant war, beschäftigt sich mit Datenmanagement. Wir haben mittlerweile extrem viele meteorologische Daten in unterschiedlichen Formaten und Qualitäten verfügbar. Als Anwender von verschiedenen Modellketten wendet man immer wieder viel Zeit auf, um diese Daten in vielen kleinen Schritten zur weiteren Verwendung so gut wie möglich zu filtern, zu bearbeiten, zu interpolieren …. Mittlerweile hat man ein Produkt entwickelt, welches unterschiedliche Daten so nachvollziehbar und in höchster Qualität aufbereitet und die notwendigen Schritte dokumentiert zusammenfasst, damit diese allen Nutzern anwenderfreundlich zur Verfügung gestellt werden können.
Du bist Lawinen- und Naturgefahrenexpertin im Dienste der ÖBB. Arbeitet Ihr im Betrieb viel mit Modellierungen und Simulationen?
Wir arbeiten natürlich auch mit Modellierungen und Simulationen, v.a. sind für uns die Ergebnisse derer als Informations- und Entscheidungsgrundlage sehr wichtig. Gerade deshalb ist es gut zu wissen, wie diese Systeme funktionieren und welche Inputdaten bzw. in weiterer Folge auch Ergebnisse evtl. entsprechend hinterfragt werden müssen. Konkret geht es bei uns v.a. im Bereich Schnee um die Lawinenauslauflängen und Schneedeckensimulationen.
Ein Themenschwerpunkt lag auf den Lawinendetektionssystemen. Was kannst Du uns hier berichten?
Mittlerweile gibt es ein großes Spektrum an Möglichkeiten zur Lawinendetektion. Die Bandbreite reicht hier von verschiedenen Radarsystemen, seismischen Messungen bis hin zu Infrasoundsystemen. Alle Systeme haben ihre spezifischen Vor-, aber auch Nachteile sowie Grenzen an Reichweiten und Zuverlässigkeiten. Als Anwender muss man sich daher sehr gut überlegen wofür man was brauchen kann und wo es zum Einsatz kommen soll.
Neben der alleinigen Lawinendetektion können diese auch als Alarm- oder Warnsysteme eingesetzt werden, wenn sie beispielsweise mit Ampelschaltungen zur Straßensperre gekoppelt werden.
Gab es auch Inhalte, die überraschend oder neu für Dich waren?
Überraschend fand ich z.B. eine Studie aus der Verhaltensforschung von der „High-Risk-Gruppe“ der Freerider, wo es um die spezifische Risikowahrnehmung von Gefahren und deren folgende Reaktion ging. Dafür wurden sie in einem virtuellen „Spiel“ bzw. einem „Simulator“ unterschiedlichen Szenarien ausgesetzt, welche verschiedene Reizkanäle (visuell, auditiv, motorisch) angesprochen haben. Damit galt es herauszufinden, welche Entscheidungen im Gelände getroffen werden und wie schnell auf Veränderungen reagiert wird. Schließlich geht es darum Lawinenwarnungen so zu formulieren oder zu gestalten, dass sie besser bei den Wintersportlern ankommen.
Worauf freust Du Dich noch beim ISSW?
Ich freue mich konkret auf den Donnerstag, wo verschiedene Lawinenprognosemodelle vorgestellt werden und bin auch schon auf die verschiedenen Vorgehensweisen und Tools zur Risikokommunikation am Freitag sehr gespannt.
Was ist Dir wichtig, wenn es um hochtechnologische Themen geht?
Beim Einsatz neuer Technologien oder Anwendungen sollte man nie die Feedbackschleifen versäumen, in der die Erfahrungen von Experten mit lokalem Wissen berücksichtigt werden können. Jede Weiterentwicklung sollte auch immer in und mit der Community diskutiert werden.
Zwar nicht hochtechnologisch, aber wichtig und besonders vielversprechend finde ich Entwicklungen – Apps, welche die Bergsportcommunity ansprechen, um mit deren Unterstützung und freiwilligen Hilfe die Datengrundlage für die Wissenschaftler zu verbessern. Beispielsweise können einfache Schneehöhenmessungen über bestimmten Seehöhen, wo keine Wetterstationsdaten mehr zur Verfügung stehen, helfen, Modelle zu validieren. Gleichzeitig wird dadurch auch ein weiterer Zugang zur Informationsübertragung und Kommunikation in die andere Richtung geöffnet.