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Gletscher
04. Okt 2019 - 17 min Lesezeit

Gletschereis statt tropisch heiß

Warum wir das Eis in unseren Herzen und nicht das auf unseren Gletschern schmelzen sollten ...

Stefan Gatt ist vielen von euch kein Unbekannter. Vielleicht weniger als bergundsteigen-Autor („Zero Accident“ 4/02, „Bergsteigen unter sportwisenschaftlichen und höhenmedizinischen Aspekten“, #88/3-14), sondern als Coach, Vortragen- der, Alpinist, Bergführer, Reiseveranstalter oder Herausgeber des legendären „Abenteuer Berg“-Kalenders, den es seit 1989 gibt. Das Vater-Sohn-Team Erich und Stefan Gatt hat weltweit seine Spuren hinterlassen und mit seinen Fotografien und Vor- trägen zahlreiche Hobbybergsteiger inspiriert. Doch etwas überrascht hat es uns dann, als uns der „Everest-Snowboard- ohne-Sauerstoff-Befahrer“ Stefan angerufen und uns von seinem Herzensprojekt „Climbers for future“ erzählt hat. Nachdem er sich auch angeboten hat, einen Beitrag zu schreiben, haben wir anschließend noch einige Fragen an ihn gehabt.

Am Obersulzbachkees auf dem Weg zum Grossvenediger /Venedigergruppe/Hohe Tauern/Salzburg. Foto: argonaut.pro

Taschachferner/Ötztaler Alpen/Tirol. Foto: Peter Plattner

Seit über 40 Jahren warnt die Wissenschaft in tausenden Studien immer öfter und lauter vor den Folgen der klimatischen Veränderungen auf unserem Planeten. Das klimatische Gleichgewicht auf unserer Erde gerät immer mehr aus den Fugen und diese Tatsache kann nicht mehr geleugnet werden.

Die Häufigkeit und Intensität von Starkregenereignissen, von Überschwemmungen, Hitze- und Dürreperioden, Berg-/Felsstürzen, Stürmen etc. nimmt weltweit weiterhin zu. Anfang Juli 2019 wurde die Stadt Guadalajara in Mexico in einem Hagelinferno unter meterhohen Eiskornhaufen begraben. Die Fichte ist an den sonnenexponierten Hängen in Oberösterreich innerhalb der letzten Jahre durch den Befall von Borkenkäfern fast verschwunden – viele Waldbereiche gleichen einem Schlachtfeld. In Osttirol und Kärnten sind tausende Bäume dem letztjährigen Sturm zum Opfer gefallen. Frankreich verglüht in einer ungekannten Hitzewelle.

Fakt ist, dass sich aufgrund der immer größer werdenden Menge an CO2 in unserer Luft der Treibhauseffekt und damit die Temperaturen auf unserer Erde stetig erhöhen. Der Permafrost taut auf und unsere Gletscher schmelzen in rasender Geschwindigkeit ab. Nach neuesten Messergebnissen wird es in ca. zehn Jahren keinen Gletscher mehr am Dachstein geben. Ich könnte noch viele Folgen des Klimawandels auflisten – diese hier aufgelisteten Probleme sind alle dramatisch, aber auch irgendwie lösbar.

Das Glocknerleitl am Großglockner. Im September 2003 eine feine Eis-/Schneeflanke …
… Anfang Juli 2019 eine Schotterrinne. Fotos: Archiv Gatt

Was aus physikalischer Sicht unlösbar werden wird, ist, wenn Kipppunkte überschritten werden – wie z.B. das Abschmelzen des arktischen Eisschildes, welches ein gigantisches Reflektorschild für die Sonneneinstrahlung darstellt. Dann wird das darunter liegende dunkle Wasser des Polarmeeres die Energie aufnehmen und sich dadurch erwärmen. Oder das Auftauen der subpolaren Permafrostböden einerseits durch die Erderwärmung und andererseits die Wald- und Torfbrände in Alaska und Sibirien. In diesen Bereichen sind Millionen von Tonnen Methan (einem ca. 30-fach stärker wirkenden Treibhausgas als CO2) gespeichert. Wenn diese zwei exemplarisch genannten Kipppunkte überschritten werden, dann verselbstständigt sich der Prozess der Erderwärmung und unser Klima gerät völlig außer Kontrolle.

Was (spätestens nach dem Überschreiten dieser physikalischen Kipppunkte) aus humanitärer Sicht unlösbar werden wird, ist, wenn hunderte Millionen Menschen ihre Heimat im Süden verlassen, weil ihnen die Lebensgrundlage durch verdorrte Böden abhanden kommt, diese aufgrund der Hitze nicht mehr bewohnbar ist und sie sich aus existentiellen Gründen in Richtung Europa auf die Flucht machen.

Der Anstieg des Meeresspiegels wird aber auch viele „westliche“ Millionenmetropolen unbewohnbar machen.

Je länger wir mit Gegenmaßnahmen warten, desto größere Belastungen kommen aus finanzieller Sicht auf die Steuerzahler zu, weil die Schäden immer größere Dimensionen annehmen und auch die Strafzahlungen aufgrund der Nichteinhaltung der Pariser Klimaziele immer höher werden.

Ich kann verändern!

Wenn wir diesen Trend in der Zukunft abschwächen oder reduzieren möchten, dann müssen wir unseren CO2-Ausstoß drastisch reduzieren. Nachdem das Klima ein globales Thema ist, kann ich jeden verstehen, der sich denkt: „Die da oben sollen was ändern – ich kann sowieso nichts machen!“ Oder auch die Argumentation: „Solange die USA das Pariser Klimaschutzabkommen nicht einhält, ist sowie- so alles für die Katz´!“

Faktisch ist diese Argumentation nur zum Teil richtig. Die Menge der CO2-Einsparung, die jeder einzelne oder Österreich stemmen kann, ist natürlich zu gering, als dass sich das Weltklima dadurch verändert. Aber wenn wir uns ändern, ändern sich auch die Systeme, in denen wir leben und wenn wir uns ändern und darüber reden, dann können sich auch große Systeme ändern. Der Kritiker wird einwenden, welchen Unterschied macht es, ob ich jetzt zum Klettern nach Kalymnos fliege oder nicht. Dem Klima ist das völlig egal. Das Flug- zeug fliegt sowieso. Wenn nicht ich mitfliege, dann fliegt halt jemand anders oder keiner. Der Schadstoffausstoß ist nahezu ident.

Damit hat der Kritiker natürlich auch wieder zum Teil recht! Wir Menschen orientieren uns in erster Linie am Verhalten unserer Mitmenschen. Wenn mein Kletterpartner nach Kalymnos fliegt und davon schwärmt, wird in mir auch die Idee oder der Wunsch entstehen, dorthin zu fliegen. Wenn mein Kletterpartner aber von seinen Sorgen bezüglich der Klimakrise spricht und erzählt, dass er heuer nicht nach Kalymnos fliegt, sondern im Wilden Kaiser eine Woche klettern geht, dann könnte es sein, dass ich mein Verhalten auch zu hinterfragen beginne. Wenn ich eine Photovoltaikanlage aufs Dach montiere, wird sich der erste Nachbar zumindest überlegen, ob er sich nicht auch eine zulegt. Wenn die Medien dann auch positiv über solche Entwicklungen berichten und der dritte Nachbar dann vielleicht auch eine montiert, wird dies einen weiteren Effekt auf den ersten Nachbarn haben und er wird sein Verhalten dazu vielleicht ändern.

Zerstörung unserer Ressourcen

Der Mensch zerstört seit der industriellen Revolution in exponentiellem Tempo seinen eigenen Lebensraum durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern, Schadstoffen in der Luft, Pestiziden in der Erde, Plastik in allen Aggregatszuständen, Versiegelung des Bodens, Auslöschung anderer Spezies und ganzer Ökosysteme, … ein düste- res Bild der Zukunft. Ich möchte hier aber nicht über die Vergangen- heit jammern, was alles schiefgelaufen ist. Wir können und müssen jetzt mutige Schritte in eine andere Richtung tun.

Als ich 2006 den Film von Al Gore „An inconvenient Truth“ gesehen habe, beschloss ich, keine Flüge mehr zu machen, auf unnötige Autofahrten zu verzichten und meinen Beitrag für den Klimaschutz zu leisten. Nach zwei Jahren des Verzichts merkte ich allerdings, dass ich meine Lebensfreude ein Stück eingebüßt hatte. Keine Reisen mehr zu unternehmen, war für mich eine harte Prüfung – als jemand, der in einer Familie aufwuchs, in der Reisen ein wichtiger Wert war.

Nach zwei Jahren merkte ich auch, dass sich nichts geändert hatte in unserem System. Im Gegenteil, das kapitalistische Karussell drehte sich noch ein Stückchen schneller. Also begann ich wieder zu reisen – nicht mehr soviel wie früher, aber ich stieg wieder in Flugzeuge.

Als ich zu Weihnachten 2018 von Greta Thunberg erfuhr, die damals 15-jährige Schwedin, die sich jeden Freitag vor das schwedische Parlament setzte, keimte in mir plötzlich wieder Hoffnung auf, dass (s)ich doch etwas gegen die Zerstörung und hemmungslose Ausbeutung der Natur verändern könnte. Als ich dann las, dass sie zum Weltwirtschaftsgipfel nach Davos mit dem Zug anreiste und dort im Zelt schlief, hat sie mich schwer beeindruckt! Ein schöner Kontrapunkt zu den vielen Privatjets und senatorkartenfliegenden anderen Gästen!

Nach dem ersten weltweiten Klimastreik Mitte März nutzte ich die positive Energie, auch in meinem Umfeld etwas bewegen zu wollen. Die Idee der „Climbers for Future“ war nach ein paar Gesprächen mit Sepp Friedhuber und einer kreativen Kletterwoche mit Freunden in Korsika waren die schnell geboren. Uwe Mutz, ein befreundeter IT- und Grafikspezialist, hat unserer Initiative dann die Optik verliehen. Bei unserer Initiative Climbers for Future (www.climbersforfuture.org) kannst du mit deiner Unterschrift dein Zeichen setzen und wenn du mit deinen Freunden und Bekannten darüber redest, kannst du etwas bewirken.

Montblanc du Tacul, Foto: Archiv Gatt

Die sensiblen Ökosysteme der Alpen sind durch die klimatischen Veränderungen existentiell bedroht. Das Schmelzen der Gletscher wirkt sich verheerend auf die Versorgung mit Trinkwasser aus; die Permafrostböden tauen auf. Die Folgen sind Bergstürze, Steinschläge, Muren und das Freisetzen des sehr schädlichen Treibhausgases Methan. Die Wetterextreme nehmen zu: sowohl Dürreperioden als auch Starkregenereignisse, welche Überschwemmungen und Muren verursachen. Wir wollen die alpinen Räume auch für die künftigen Generationen erhalten. Dafür benötigen wir mutige, weitreichende Lenkungsmaßnahmen auf politischer Ebene und rasche Veränderungen auf individueller Ebene, zum Beispiel im Konsumverhalten. Alpine Vereine in Österreich (Alpenverein, Naturfreunde, VAVÖ) unterstützen die Aktion „Climbers for Future“, in deren Rahmen Bergsteigerinnen und Bergsteiger, Wanderinnen und Wanderer sowie Kletterinnen und Kletterer zu „Klimagipfeln“ aufrufen und damit ein Zeichen für den Umwelt- und den Klimaschutz setzen wollen.

Foto- und Unterschriftenaktion

    Mach deinen Lieblingsgipfel zum Klimagipfel! Besteige ihn alleine, mit deiner Familie oder mit Freunden und mache ein aussagekräftiges Klimagipfelfoto. Lade das Foto auf www.climbers-forfuture.org !
    Werde aktiv und unterschreibe auf www.climbersforfuture.org die Online-Petition, die der Bundesregierung einen klaren Auftrag zum Klimaschutz erteilen soll.

Die Petitionsforderungen

    Klimaschutz jetzt! Ziele des Pariser Klimaabkommens mit geeigneten Maßnahmen erreichen und als Verfassungsziele in der Bundesverfassung der Republik Österreich verankern.
    Aus- und Neubau von Schigebieten stoppen!
    Bodenversiegelung und -verdichtung in den Bergen stoppen!
    Nachhaltige Waldwirtschaft: Schutzwälder und keine Nutzwälder in den alpinen Regionen!
    Den überbordenden Güter- und Individualverkehr stoppen: Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes und Verlagerung des Güter- und Individualverkehrs auf die Schiene!
    Subventionen nur mehr für klimaneutrale oder klimaschützende Maßnahmen!

Der Bergsteiger, Autor und Coach Stefan Gatt hat diese Initiative im März 2019 ins Leben gerufen und zusammen mit Freunden organisiert.

www.climbersforfuture.org 

Meinen CO²-Abdruck reduzieren

Auch wenn die Klimakrise das dringlichste Problem unserer Zeit ist, ist es aus meiner Sicht nur ein Symptom eines größeren Problems unserer Zeit.

Wir leben in einer kapitalistischen Marktwirtschaft. D.h. solange Kun- den durch Kaufentscheidungen oder der Staat durch Subventionen oder fehlende gesetzliche Regelungen klimaschädigende Angebote unterstützt, werden diese am Markt erfolgreich sein. D.h. ganz konkret im Flugverkehr: Solange wir als Konsumenten günstige Flüge kaufen, weil uns das ökologische Wissen fehlt oder wir die klima- schädigende Wirkung insbesondere durch Kurzflüge ignorieren („Nach oder neben mir die Sintflut“-Syndrom), werden wir als Konsumenten diese Flüge konsumieren. Vor allem wenn diese – wie derzeit der Fall – vom Staat umsatzsteuer-, mineralölsteuer- und klimasteuerbefreit am Markt angeboten werden. Dass die Steuerbefreiung vom Flugverkehr beim Beschluss im Jahre 1944 in Chicago Sinn machte, kann ich aus dem Geist der damaligen Zeit nachvollziehen. Heute kann ich dies überhaupt nicht verstehen, weil sie ungeheure Schäden verursacht! Jeder Flugzeugkilometer ist 31-mal schädlicher als ein Kilometer mit der Eisenbahn (Daten des Umweltbundesamtes). Fliegen ist nur deshalb so erschwinglich, weil es der Staat unterstützt.

Aus meiner Sicht muss der Staat hier lenkend eingreifen und Kurzflüge bzw. Zubringerflüge um mindestens € 100,- pro Flug besteuern, um das ökologische (Ge)Wissen der Konsumenten zu entwickeln. Bei der Langstrecke sollte dies ebenfalls in dieser Höhe passieren, um den Wahnsinn, der zurzeit passiert, zu reduzieren.

Diese Steuereinnahmen könnten dann für einen raschen Ausbau des öffentlichen Verkehrs genutzt werden. Dieser Bereich könnte dann auch die freiwerdenden Jobs des Flugpersonals eine Zeit lang kompensieren.

Das Szenario, weiterhin billige (Kurz)Flüge am Markt zu haben, führt zum Klimakollaps und damit langfristig zum gleichen Ergebnis, dass nicht mehr geflogen werden wird. Der Großteil der Konsumenten hätte bei einem Klimakollaps weniger Geld für Flüge, die Flugaus- fälle würden aufgrund von Wetterkapriolen zunehmen und es würde auch immer weniger Sinn machen in ein Land zu fliegen, das ökologisch am Boden liegt. Aber noch rechnet sich der Flugverkehr und damit darf er weiterhin in unserem freien Markt bestehen.

Weg vom wirtschaftlichen Diktat

Wir müssen von der wirtschaftlichen Frage „Rechnet sich das? Was bringt mir das (an Rendite)?“ wieder zur Frage kommen „Macht das Sinn? Macht das Sinn für mich, mein Umfeld und die Umwelt (auch für die zukünftigen Generationen)?“ Und hier kommen unser Gewis-sen und unser Bewusstsein ins Spiel, die wir dringend als Menschheit entwickeln dürfen.

Das Gefühl der Flugscham z.B., das es in Schweden bereits gibt, sollte sich auch im Alpenraum rasch verbreiten. Wenn du in Schweden ein Flugzeug besteigst, kann es leicht sein, dass dich ein Gefühl der Scham befällt.

Das individuelle Tun wirkt

Was kann jeder Einzelne nun konkret tun, damit der CO2-Abdruck geringer wird? Ich möchte mit mir anfangen:

Heliskiing in Kanada war für mich immer ein Traum. Einen unverspurten Hang nach dem anderen mit dem Snowboard oder mit den Schiern hinunterzugleiten. Den ganzen Tag lang bis zum Sonnenuntergang powdern. Bis vor einem halben Jahr war dies noch ein realistischer Traum von mir, kann ich die Realisierung dieses Traumes jetzt nicht mehr vor meinem Gewissen vertreten. Der Interkontinentalflug, die Flüge dort vor Ort sind für mich mittlerweile undenkbar. Stattdessen freue ich mich auf das Genießen von tollen Pulverhängen in meiner nächsten Umgebung mit meinen Freunden und meinen Töchtern. Und die Gespräche beim Aufstieg durch eine Winterwunderwelt, die hätte ich beim Heliskiing sowieso nicht.

Ich für mich habe die Entscheidung getroffen, dass ich nie mehr in meinem Leben einen Kurz-/Zubringerflug (das sind Flüge unter 1.500 km) machen werde und auch sicherlich nicht mehr in den Himalaya fliegen werde. Wenn ich wieder dorthin möchte, werde ich mit dem Zug und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln fahren oder mit dem Radl.

Aber dorthin fliegen werde ich sicher nicht mehr. Meine geplante Tour nach Patagonien werde ich solange verschieben, bis es einen Flieger nach Buenos Aires gibt, der nicht mit Kerosin fliegt.

Für heuer habe ich mich entschieden, überhaupt nicht zu fliegen und mehr Kilometer öffentlich, mit Rad oder zu Fuß zurückzulegen als mit meinem Auto. Anfang Juli stand ich bei 9.500 km mit dem Auto zu ca. 10.500 km Zug und ca. 1.000 km mit dem Rad. In drei Wochen sind wir in Kopenhagen auf einer Hochzeit mit dem Zug natürlich, auch wenn der Flieger billiger und schneller wäre.

Und ich weiß, dass mein CO2-Abdruck noch nicht optimal ist. Für nächstes Jahr möchte ich meinen Dieselverbrauch auf unter 1.000

Liter pro Jahr senken, aber da muss ich noch dazulernen. Und da geht es bei mir ganz viel um Gewohnheiten!

In Zeiten unserer Klimakrise müssen aus meiner Sicht alle CO2-Emissionen besteuert werden und zwar sofort. Mit diesen Geldern könn- ten dann wieder klimafreundliche Initiativen gefördert werden, was diese wieder unterstützt … Dann würden vielleicht auch die zivilen Straßenpanzer (SUVs) aus 2-3 Tonnen Blech langsam wieder aus dem Straßenbild verschwinden.

Öffentlicher Verkehr

Wenn wir die Wende schaffen wollen, muss der öffentliche Verkehr sofort und stark ausgebaut werden und für den Nutzer nahezu kostenlos werden. Wenn die Verbindungen gut sind und die Nutzung nahezu kostenlos (ein großartiges Beispiel ist hier ist das Jahrestikket in Wien oder Tirol um € 365,-) werden die Öffis von einer breiten Bevölkerung stärker genutzt.

Mit dem eigenen Auto unterwegs zu sein, ist natürlich angenehm und bequem. Ich kann meine Abfahrtszeit selbst wählen, kann mit- nehmen was und wen ich will und bin autonom. Der Vorteil, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, ist, dass ich die Zeit anderweitig nutzen kann, weil das Lenken des Fahrzeugs jemand anderer erledigt. Wenn das Angebot der Öffis steigt und gleichzeitig die Kosten für deren Nutzung sinken, desto mehr werden sie genutzt.

Dies zeigte sich z.B. in der belgischen Stadt Hasselt: In den Jahren 1997 bis 2004 erhöhte sich die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel unter anderem durch das Aufheben jeglichen Entgeltes auf das 13-Fache! D.h. es geht auch immer wieder um den politischen Willen, den öffentlichen Verkehr auszubauen. Wenn die Frequenz steigt und die Dauer für die zurückzulegenden Strecken sinkt, dann werden sie genutzt. Dies ist z.B. auch bei der Westbahnstrecke in Österreich zu beobachten.

Bis im Frühjahr 2019 hatte ich die Vorannahme in meinem Kopf, dass ich zu einem Seminar immer mit meinem Auto anreisen müsste. Zuviel Material, das ich eventuell nutzen müsste, hatte ich immer dabei. Im Frühjahr hatte ich dann einen Kunden in Vorarlberg und damit war für mich klar, dass ich die 5,5 h Reisezeit in eine Richtung sicherlich nicht mit dem Auto zurücklegen würde. Ich plante mein Seminarmaterial besser, bepackte drei große Trolleys und zwei Rucksäcke und plötzlich war es möglich mit dem Zug anzureisen. Ein Teil des Materials blieb für ein paar Wochen in Vorarlberg und siehe da – es machte sogar Freude. Oft sind es Glaubenssätze wie „Das geht nicht!“ oder  „Das habe ich immer schon so gemacht!“, die ein klima- freundliches Verhalten verhindern. Wenn ich diese über Bord werfe und mich dazu bringe/zwinge, neue Lösungen zu suchen, werden plötzlich Alternativen sichtbar.

Nahrungsmittel

Bei den Nahrungsmitteln habe ich als Konsument auch einen großen Hebel – regional (am besten direkt beim Hersteller), biologisch und so oft wie möglich vegetarisch oder vegan reduziert Treibhausgase. Gesünder ist diese Art der Ernährung sicherlich auch im Vergleich zur ungeheuren Menge an tierischen Eiweißen, die der Durchschnittsösterreicher vertilgt.

Ich bin kein Vegetarier, weil es mich in meiner Freiheit zu stark einschränken würde. Ich esse aber maximal 10-mal pro Jahr Fleisch, weil es dann halt mal passt. Wenn wir alle nur mehr den früher üblichen Sonntagsbraten essen würden, würde dies einen massiven Effekt auf unsere Landwirtschaft und unseren CO2-Abdruck erzeugen.

 Die Massentierhaltung mit dem hohen Methanausstoß der Tiere schädigt unser Klima und ist für unsere Gesundheit aufgrund dem Zuviel an tierischen Proteinen und dem Einsatz von Antibiotika in der Aufzucht alles andere als gesundheitsförderlich.

Gebrauchsgüter

Wenn ich bewusst langlebige Produkte kaufe, die auch repariert werden können, so hat dies einen Effekt auf die ganze Hersteller- und Lieferantenkette. Es ist mir natürlich bewusst, dass ich mit diesen Zeilen gegen unser Wirtschaftssystem spreche. Dieses ist auf ständiges Wachstum und auf Konsum ausgelegt. Aber wenn wir die Ressourcen weiterhin vernichten, wird uns die Lebensgrundlage abhanden kommen. Dann brauchen wir auch kein Wirtschaftssystem mehr. Also bremse ich lieber jetzt gleich.

Also

Das Positive an klimaschonendem Verhalten ist nicht nur, dass es unseren kommenden Generationen eine lebenswertere Umwelt ermöglicht, sondern dass es uns auch selbst durch eine veränderte Mobilität und Ernährung gesundheitlich nutzt. Und noch etwas anderes für die Pessimisten unter uns, die sich denken, dass diese Veränderungen unmöglich sind. Wir als Menschen haben ganz andere Herausforderungen geschafft. Ob die globale Ernährungssituation oder die Bekämpfung von Seuchen.

Die große Herausforderung dieser Krise ist die Zeitknappheit – wir hätten schon viel früher beginnen sollen. Jetzt geht es um unseren Willen, unser Verhalten grundlegend zu verändern. Ein paar kosmetische Änderungen werden nichts bewegen. Es geht um eine grundlegende Änderung unseres Wirtschafts- und Lebenssystems – das sind wir unseren Kindern und nachfolgenden Generationen schuldig. Dafür brauchen wir ein Zusammenspiel von politischer Lenkung und persönlichem Engagement, bei dem es auch da und dort um Verzicht geht. Wenn wir jedes Jahr unseren derzeitigen CO2-Abdruck um 10 % reduzieren, dann sind wir am richtigen Weg.

Für mich ist das Wissen, dass ich sehr viel unternommen habe, zu- künftigen Generationen eine intakte Natur zu hinterlassen, jedenfalls Motivation genug, mich jeden Tag aufs Neue zu hinterfragen und neues Verhalten auszuprobieren.

 

Literaturempfehlung

    Hawken, Paul (Hrsg.) (2019) Drasdown – Der Plan. Wie wir die Erderwärmung umkehren können. Gütersloh.

    Kromp-Kolb H., Formayer H. (2018). +2 Grad – Warum wir uns für die Rettung der Welt erwärmen sollten. Wien-Graz.

    Hrsg. Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina e.V. (2019). Klimaziele 2030: Wege zu einer nachhaltigen Reduktion der CO2-Emissionen. Halle a. d. Saale