bergundsteigen #130
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16. Juni 2025 - 14 min Lesezeit

„Handy App führt Bergsteiger in den Tod“

Im Spätsommer 2023 macht ein Ereignis die Runde in den deutschen Medien: Ein Wanderer verunglückte in den Berchtesgadener Alpen tödlich, da er, so die Vermutung, mit Hilfe einer App einem Steig folgte, der zu diesem Zeitpunkt in der verwendeten OpenStreetMap (OSM) eingezeichnet war, in der Realität aber nicht existierte.

Die digitale Eigenverantwortung am Berg

Die Bild-Zeitung titelte ihren Beitrag dazu gewohnt reißerisch: „Handy-App führt Bergsteiger (34) in den Tod“, aber auch andere Medienhäuser sahen die Verantwortung vor allem auf Seiten von Wander-Apps. Durch die große Medienaufmerksamkeit war auch das Team von alpenvereinaktiv.com für mehrere Wochen ein gefragter Interviewpartner und konnte die Expertise der Alpenvereine mit einbringen.

Medienbericht über Fehlleitung am Berg durch Handy App
Abb. 1 Berichte wie dieser häuften sich in letzter Zeit.

Dieser Unfall, die Berichterstattung der Medien und die übrigen (Unfall-) Ereignisse in Zusammenhang mit Apps am Berg haben uns dazu bewogen, der Thematik auf den Grund zu gehen. Besonders im Hinblick auf die (Eigen-)Verantwortung eröffnet sich ein spannender Bereich, der sich von den App-Herstellern über die Tourenportalbetreiber bis hin zu den Nutzer:innen erstreckt.

Der Unfall in Berchtesgaden ist nur die Spitze des Eisberges und ein Blick in die Medienberichte der letzten Jahre zeigt uns ein breites Spektrum an Ereignissen, an denen Tourenportale oder Apps beteiligt waren. Dazu gehören beispielsweise tödliche Abstürze an der Maiwand oder Benediktenwand in Bayern und viele Berichte über Rettungen von Personen, die vermeintlich von ihrer App oder einem digitalen Tourenportal in eine Notlage geführt wurden (Abb. 1). Dazu gehören aber auch nicht alltägliche Fälle, wie der von 99 Schülern und acht Lehrern, die im Kleinwalsertal auf einer „Feierabendrunde“ gerettet werden mussten, oder sehr tragische Ereignisse, wie das Unglück auf der Haute Route an der Pigne d’Arolla.

Alle diese Geschehnisse haben eines gemein: technische Helfer wie Tourenportale und Apps waren beteiligt oder sogar ausschlaggebend für deren Verlauf. Analysiert man die Ereignisse genauer, dann lassen sich daraus drei Problemfelder ableiten:

1) Fülle an Infos in den digitalen Tourenportalen, aber trotzdem schlecht oder falsch informierte Leute am für sie falschen Ort/in einer für sie unpassenden Tour.

(Beispiel der 99 Schüler im Kleinwalsertal)

Was war am Heuberggrat im Kleinwalsertal passiert? Eine von acht Lehrern geführte 99-köpfige Schülergruppe musste gerettet werden. Die Lehrer hatten zur Tourenplanung das Portal hikr.org konsultiert. Der Autor der Tourenbeschreibung beschreibt die Tour ausführlich.

Zugleich gibt er in einem Satz seine subjektive Sicht auf die exponierten Passagen am Grat wider: „Der Kamm wird zwar an 2–3 Stellen etwas schmaler und bei 2 kleinen Aufschwüngen muss man evtl. auch kurz die Hände aus der Hosentasche nehmen, aber schwierig ist hier nichts.“ Insgesamt gibt der Autor aber mit T4 eine korrekte und genaue Schwierigkeitsbewertung ab.

T4 wird folgendermaßen definiert: Wegspuren, oft weglos. Raues Steilgelände. Einzelne einfache Kletterstellen (I). Blockfelder. Steile Grashalden und Schrofen. Einfache Schneefelder. Gletscherpassagen, meist markiert. Exponierte Stellen mit Absturzgefahr.

Außerdem gibt der Autor eine Kletterbewertung an. Hätten die Lehrer die Tourenbeschreibung genau studiert und über ein Mindestmaß an Tourenplanungs-Kompetenz verfügt, wäre diese Tour – trotz der verharmlosenden Aussagen – niemals in die engere Auswahl gekommen (Abb. 2).

Tourenbericht über den Heu-berggrat von Andy84 auf: hikr.org
Abb. 2 Tourenbericht über den Heu-berggrat von Andy84 auf: hikr.org

2) Verschiedene Karten mit Stärken und Schwächen, mangelhafte/fehlende Kartenlesekompetenz.

(z. B. die Unfälle an Maiwand und Laafeldkopf in Zusammenhang mit der OpenStreetMap)

Was war an der Maiwand passiert? An der Maiwand bei Flintsbach zwischen Kufstein und Rosenheim kamen 2022 drei Wandernde ums Leben – weil sie einen Pfad gegangen sind, der zumindest in den meisten gedruckten Karten nicht eingezeichnet war, sondern in einer App, die auf das Kartenmaterial der Plattform OpenStreetMap zugreift.

Und da war ein Weg eingezeichnet, den man nur mit sehr viel Bergerfahrung und bei Top-Bedingungen in Angriff nehmen sollte. Denn er ist mit Felsen durchsetzt und führt durch abschüssiges Terrain. Zu der Zeit lag dort auch noch Schnee. Und genau darauf sind die drei ausgerutscht und tödlich verunglückt.

Am Laafeldkopf folgte der Wanderer vermutlich auch einem auf der OpenStreet- Map eingezeichnetem Steig, der in keiner anderen Karte vermerkt ist (Abb. 3).

Der Laafeldkopf in drei verschiedenen Kartenausschnitten.
Abb. 3 Der Laafeldkopf in drei verschiedenen Kartenausschnitten. Oben: OpenStreetMap mit dem eingezeichneten Steig zum Gipfel und nach Norden, der in felsiges, wegloses Gelände führt. Mitte: Kompasskarte ohne eingezeichnete Wege zum und vom Laafeldkopf. Unten: Alpenvereinskarte ebenso ohne eingezeichnete Wege zum Gipfel. Auf dem Tourenportal alpenvereinaktiv kann ich mit der Bezahlversion alle drei Kartentypen als Grundlage auswählen. Um diese richtig zu nützen, braucht es jedoch Hintergrundwissen (siehe nachfolgender Artikel von Werner Beer).

3) Technische Grenzen der elektronischen Helfer und entsprechende Tourenvorbereitung.

(z. B. Unfall am Pigne d’Arolla)

Was war am Pigne d’Arolla passiert? Ein Bergführer geriet mit seiner Gruppe in einen Sturm. In der Kälte versagte der Akku des Smartphones, das er als alleiniges Navigationsgerät nutzte. Ein Kunde hatte zwar noch ein GPS-Handgerät dabei, aber ohne geeignete Karte und vorbereitete Route. Die Gruppe fand die rettende Hütte nicht mehr und sieben Menschen verstarben.

Hinein in die Navifalle?

Zu alledem offenbaren uns die Medien noch einen weiteren Umstand: Die Bergrettungen Österreichs (und sicher auch der anderen Alpenländer) sind mit einer enormen Zunahme an Einsätzen konfrontiert. Bei den meisten Einsätzen handelt es sich aber nicht um schwer verletzte Personen, die etwa im steilen Gelände stürzen oder in Klettersteigen verunglücken.

„Am häufigsten fällt leider auf, dass wir unverletzte Personen aus dem alpinen, unwegsamen Gelände retten. Die Personen sind verstiegen, verirrt oder blockiert im Gelände und dies ist meistens auf mangelnde oder keine Tourenvorbereitung und Tourenplanung zurückzuführen“, bringt es Stefan Schröck, Landesleiter der Bergrettung Steiermark in einem ORF-Beitrag auf den Punkt.

Es stellt sich somit die Frage, ob der Bergsport oder zumindest ein Teil davon auf einem direkten Weg dorthin ist, wo sich der Straßenverkehr schon länger befindet: hinein in die Navi-Falle? (Abb. 4) Dass die Nutzung von digitalen Tourenportalen und Orientierungs-Apps nicht per se selbsterklärend ist, sondern dafür Wissen, Können und durchaus eine ordentliche Portion Eigenverantwortung gefragt sind, ist sicherlich vielen Gelegenheits-Berggehern nicht klar.

Navi-Falle im Bergsport
Abb. 4 Stolpert der Bergsport auch bald in die Navi-Falle?

Nur wie klar ist diese Thematik unserer Bergsport-Community selbst? Welche Kompetenzen haben Bergführer:innen, Tourenführer:innen oder unsere AV-Mitglieder in diesem Bereich? Ich wage zu behaupten: Im Vergleich dazu, wie häufig Smartphones und Apps am Berg verwendet werden, ist das spezifische Wissen zu deren Stärken und Schwächen sowie zu speziellen Themen oftmals dürftig. Das Problem liegt, wie man so schön sagt, meist vor dem Bildschirm.

Wenn wir Tourenportale und Apps nutzen wollen, dann müssen wir alle den richtigen Umgang mit ihnen lernen. Die sehr dynamische Weiterentwicklung von Apps wie alpenvereinaktiv mit regelmäßigen Updates und immer wieder neuen Funktionen macht es Nutzern nicht immer leicht, auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Das muss man ehrlicherweise auch sagen. Rein aus technischer Sicht sollten wir uns jedenfalls nicht darauf verlassen, dass Apps am Berg alle Probleme lösen können. Anders, als wir es im urbanen Raum vielleicht schon von ihnen gewöhnt sein mögen. Um nicht selbst in eine Notlage zu geraten, braucht es also mehr als das Wissen um die Bedienung einer App oder eines GPS-Gerätes. Vielmehr braucht es ein sehr eigenverantwortliches Handeln und ein bewusstes Einsetzen dieser Hilfsmittel.

1900 Touren-Vorschläge für das Kleinwalsertal
Abb. 5 Nur für das Kleinwalsertal spuckt das Tourenportal 1900 Vorschläge aus – ohne Filter verirrt man sich im Datendschungel.

Problemfeld 1: Was ist die Lösung?

Das Problemfeld 1 (Beispiel der 99 Schüler) lässt sich, zumindest auf dem ersten Blick, ganz einfach und klar lösen: eine vollständige Tourenplanung machen und sich selbstkritisch mit dem Tourenziel auseinandersetzen. „Ja logisch“, denken sich jetzt sicher manche. „Geht ja eh alles mit Tourenportalen ruckzuck. Hätte der Lehrer halt einfach alpenvereinaktiv.com verwendet und nicht hikr.org, dann wäre ihm das nicht passiert.“

Dann schauen wir uns das doch mal genauer an, denn so einfach ist es auch wieder nicht. Suchen wir auf alpenvereinaktiv eine Wanderung oder Bergtour im Kleinwalsertal, dann bekommen wir – nur dort – rund 1900 Touren angeboten (Abb. 5). Der Heuberggrat, von dem die 99 Schüler gerettet wurden, in schlechterer Qualität als bei hikr.org ist eine davon.

Erst wenn man weiß, welche Filter gesetzt werden sollten, und wenn man erkannt hat, dass es auf alpenvereinaktiv verschiedenste Quellen gibt, die vertrauenswürdig sind oder eben nicht, dann reduzieren sich die Suchergebnisse und man findet sehr hochwertige und gut recherchierte Tourenbeschreibungen. Weiß man das alles nicht, dann lassen sich selbst auf alpenvereinaktiv Tourenbeschreibungen finden, die niemals auf einem Tourenportal der Alpenvereine zu finden sein sollten.

Abb. 6 Wer diesem Track folgt, wird wahrscheinlich nicht lebend auf die Hütte zurückkommen.
Abb. 6 Wer diesem Track folgt, wird wahrscheinlich nicht lebend auf die Hütte zurückkommen.

Es stellt einem regelrecht die Haare auf, wenn man liest, was offizielle Quellen wie Tourismusverbände auf dieser Plattform veröffentlichen. Dürftige Toureninformationen gespickt mit schönen Bildern, die nicht von der Tour oder dem Berg selbst stammen, mit Routen, denen man niemals folgen sollte und mit Wegbeschreibungen, die am Schreibtisch als Werbetext erstellt wurden (Abb. 6).

Sind wir also, selbst wenn wir eine Tourenplanung machen wollen, doch auf dem Weg „App in den Abgrund“, wie die FAZ schreibt (Abb. 7). Wenn es scheinbar gar nicht so leicht ist, mit Tourenportalen eine verlässliche Planung zu machen, vielleicht kann uns dann die KI weiterhelfen? Diese wird mittlerweile schon kräftig eingesetzt. Komoot macht daraus kein Geheimnis, sondern beschreibt das Vorgehen transparent und generiert vollständige Tourenbeschreibungen sowie Tipps für Regionen automatisiert durch Algorithmen.

App in den Abgrund - Titel in der FAZ
Abb. 7 Titel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Das Portal AllTrails schließt sich dem an – genauso Bergfex. Dort werden massenhaft Touren unter der Quelle „Bergfex Tour Generator“ generiert, alle ohne jeglichen Beschreibungstext und mit dürftiger Schwierigkeitsangabe. Erstellt werden die Touren scheinbar ausschließlich anhand der routingfähigen OSM-Wege- datenbank.

Sie führen oftmals über nicht markierte Wege und Steige. Betrachtet man mehrere dieser Touren, die als vermeintlich fertige Inhalte und für alle nutzbar auf dem Portal landen, dann findet man häufig derartige Fälle wie in Abbildung 8. Die Route zweigt nach links ab und endet in einer Sackgasse (Pfeil). Nun müsste man laut Navigationsapp umdrehen und denselben Weg wieder über einen Kilometer absteigen, um auf die Hauptroute zu gelangen.

Laut Karte trennen die Wanderer am Ende der Sackgasse aber nur wenige Meter wegloses Gelände von der weiterführenden Hauptroute. Was die Wandergruppe, die sich von der App blindlings navigieren hat lassen, nun macht und ob daraus ein Einsatz für die Bergrettung resultiert, kann sich jeder selbst ausdenken. Ob es darüber hinaus im Hinblick auf die naturverträgliche Besucherlenkung sinnvoll ist, Leute auf unmarkierte Steige zu lotsen, ist ebenfalls zu hinterfragen. Gerade im Umfeld von touristischen Regionen.

Die KI generiert Touren, die in einer Sackgasse enden (Pfeil).
Abb. 8 Die KI generiert Touren, die in einer Sackgasse enden (Pfeil).

Wohl eher nicht …

Die KI kann uns die Arbeit einer vollständigen Tourenplanung also momentan nicht abnehmen und KI-erstellte Touren sind mit Vorsicht zu genießen. Vielmehr ist die klare Empfehlung, sich an gut recherchierte Inhalte von verifizierten Quellen zu halten.

Auf alpenvereinaktiv.com z. B. an die Inhalte unserer geschulten AV-Autoren, die anhand des alpenvereinaktiv.com-Logos und der Angabe der jeweiligen Sektion erkennbar sind. Oder an das SAC-Tourenportal, welches ausschließlich Inhalte der eigenen Autoren veröffentlicht.

Problemfeld 2: Was ist die Lösung?

Der Problematik rund um die OpenStreetMap und die Qualität verschiedener Kartenprodukte geht Werner Beer im folgenden Artikel aus kartografischer Sicht auf den Grund. Nutzen wir Karten und Tourenbeschreibungen in Apps und Tourenportalen, dann müssen wir das Problem aber auch aus der Anwendersicht betrachten.

Denn Karten bilden immer die Basis unserer Tourenplanungen, das ist bei eigenen Planungen dasselbe wie bei bereits veröffentlichten Tourenbeschreibungen. Nutzer des SAC-Tourenportals können sich bei dem Thema entspannt zurücklehnen, denn hier hängt alles mit der zentralen und sehr hochwertigen Kartengrundlage von Swisstopo zusammen.

Anders sieht das bei alpenvereinaktiv oder Portalen wie Komoot und Bergfex aus. Hier steht entweder nur die Wegedatenbank der OpenStreetMap für das Routing zur Verfügung oder eine Kombination aus verschiedenen, teils öffentlichen Daten. In der alpenvereinaktiv-/ Outdooractive-Welt hat man beide Möglichkeiten zu Auswahl:

einerseits die OSM- Wegedaten, wenn die OSM als Grundkarte aktiviert ist, und andererseits die Outdooractive-Karte mit ihren möglichst offiziellen Wegedaten, die von Swisstopo, vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) oder anderen nationalen Institutionen stammen können.

Wann welche Wegedaten für das Routing verwendet werden, woher die Daten stammen und wie sich das auf die Tourenplanung auswirkt, ist aber für die wenigsten Nutzer sofort ersichtlich oder selbsterklärend. Vielen Nutzern ist das auch schlichtweg egal, da sie nicht über das nötige Wissen zu den verschiedenen Kartengrundlagen verfügen oder Apps nur mit der kostenlosen OSM-Karte verwenden.

Jede Karte hat allerdings ihre Stärken und Schwächen, die man erst erkennen und lernen muss, und somit auch ihre Vor- und Nachteile für die jeweiligen Bergsportarten. Während sich für das Wandern oder Biken z. B. die Kompass-Wanderkarte anbietet, ist für Skitouren oder Hochtouren eher die Outdooractive-Karte oder die klassische Swisstopo-/AV-Karte die erste Wahl.

Wenn aber ein Nutzer in einem Tourenportal eine Tour plant und vielleicht sogar veröffentlicht und dabei unreflektiert nur die OSM als Grundlage für das automatische Routing verwendet, dann kann es leicht zu Problemen wie an der Maiwand oder Benediktenwand kommen. Dasselbe gilt für KI-generierte Touren, die anhand der OSM erstellt werden. Aber mehr dazu im Artikel von Werner Beer.

Die Lösung für dieses Problem mag für manche nicht sehr verlockend klingen: Karten lesen und mit ihnen arbeiten können will gelernt sein – und dafür muss man sich einfach mit der Thematik auseinandersetzen oder Schulungen dazu besuchen. Gerade für die alpinen Vereine würde sich hier ein großes Betätigungsfeld im Ausbildungsbereich auftun, wo sich die klassische analoge Orientierung und Kartenkunde perfekt mit der digitalen Welt vereinen lässt.

Problemfeld 3: Was ist die Lösung?

Das technische Know-how kann man sich entweder durch learning by doing und trial and error (natürlich unter sicheren Rahmenbedingungen) aneignen oder man besucht spezielle Schulungen zu dem Thema. Dass ein Smartphone bei Kälte und Nässe an seine Grenzen stoßen kann, ist jedem irgendwie bewusst.

Wie schnell das aber am Berg wirklich gehen kann, sollte man nicht erst im Notfall erfahren müssen – ohne Backups und Redundanzen. Für die alpinen Vereine ist das ebenfalls wieder ein spannendes Feld für Kurse. So bietet beispielsweise das alpenvereinaktiv-Team über die ÖAV-Akademie regelmäßig das Update „Orientierung und digitale Tourenplanung“ an, wo auf alle oben genannten Punkte ausgiebig eingegangen wird.

Plädoyer für mehr digitale Bildung und eine einheitliche Schwierigkeitsskala

Auch wenn unsere schnelllebige Zeit uns gerne in eine andere Richtung lenken würde, so bleiben am Berg doch die wichtigsten Instrumente unser Kopf und unsere gelernten Kompetenzen in Sachen Tourenplanung und Orientierung. Gerade in der digitalen Welt ist daher eine kritische Auseinandersetzung mit den veröffentlichten Toureninformationen und den technischen Möglichkeiten von Apps ganz zentral.

Das will gelernt sein und braucht eine eigenverantwortliche Anwendung. Hier kommen nun die alpinen Vereine wieder ins Spiel, denn eine wichtige Säule unserer digitalen Tourenportale sollte das Thema Ausbildung sein. Die Bedienung ist nicht für jeden selbsterklärend und die ganz konkreten Grenzen einer App oder eines Smartphones sollten nicht erst am Berg ins Bewusstsein rücken.

Im Themenfeld der digitalen Tourenplanung und Orientierung gibt es viel zu vermitteln, von der „einfachen“ Anwenderschulung bis hin zu Kursen speziell für Tourenführer:innen, Bergführer: innen und Ausbilder:innen. Alpenvereinaktiv, als zentrales Tool der Planung und Orientierung von DAV, AVS und ÖAV, sollte daher fundamental in den Ausbildungen der Sektionen und auch in den Bildungsangeboten der (Haupt-)Vereine verankert sein.

In vielen Sektionen ist das schon der Fall und die alpenvereinaktiv-Beauftragten (eine Funktion innerhalb des ÖAV) sowie versierte Ausbilder im AVS und DAV leisten hier sehr wertvolle Arbeit. In mindestens genauso vielen Sektionen gibt es aber definitiv noch Luft nach oben, weshalb hier die Hauptvereine mit Bildungsangeboten unterstützen. Neben den Kursangeboten braucht es darüber hinaus ein gutes Konzept und einen roten Faden für die Ausbildungen, damit die klassische Orientierung und Kartenkunde als untrennbare Einheit mit den digitalen Tools wie alpenvereinaktiv oder SAC-App gelehrt wird.

Aber nicht nur die Bildung ist ein wichtiges Feld, auf dem die Vereine aktiv werden sollten. Denn selbst wenn die Anwender von Tourenportalen gut geschult sind, bleibt noch ein Problem übrig: das Fehlen einer einheitlichen und alpenweit gültigen Schwierigkeitsbewertung für (Berg-)Wanderwege und Skitouren sowie für die veröffentlichten Tourenbeschreibungen der-selben.

Gerade beim Wandern und Bergsteigen, das von den meisten Bergsportler:innen betrieben wird und bei dem die meisten Unfälle geschehen, haben wir in den Ostalpen keine einheitliche Schwierigkeitsskala, anhand derer sich Sportler:in-nen gut selbst einschätzen können. Die Schwierigkeitsskalen des SAC wären ein fundiertes System, das man auch in den Ostalpen etablieren könnte. Von einigen Tourenportalen und von der OpenStreetMap wird das schon gemacht und das Wegenetz sowie die Touren der Ostalpen klassifiziert. Wir alpine Vereine sollten das aber selbst in die Hand nehmen und nicht einer User-Community oder anderen Unternehmen überlassen.

Erschienen in der Ausgabe #127 (Sommer 24)

bergundsteigen #127 cover