bergundsteigen 126 Sucht Cover
Magazin Abo
07. Jun 2022 - 5 min Lesezeit

How-To: Improvisierter Rettungsschlitten aus 2 Snowboards

Bei Unfällen auf Skitouren oder beim Variantenfahren kann ein improvisierter Rettungsschlitten helfen, der Zusammenbau will aber gelernt sein. Martin Maurer stellt eine einfache Konstruktion aus zwei Snowboards vor und plädiert dafür, den Bau von Rettungsschlitten mit Kreativität und Improvisation zu üben.

Es war vor ein paar Jahren, als wir zu dritt unverspurte Varianten befahren wollten. Die vergangenen drei Tage hat es ununterbrochen geschneit. Weit weg vom Sessellift passierte der Unfall in einem steilen Wald. Eine aus unserer Gruppe konnte ihr Bein nicht mehr belasten, weder fahren noch gehen war möglich. Was waren die Optionen? Eine Hubschrauberbergung war wegen Schlechtwetter ausgeschlossen, ein Abtransport durch die Bergrettung mit dem Akja sehr zeitaufwendig, die Verunfallte zu stützen und mit ihr horizontal nach rechts zur Skipiste zu queren, wäre im hüfthohen Tiefschnee unmöglich gewesen. Wir entschieden uns daher für die vierte Option, bauten einen Rettungsschlitten und zogen, schoben und bremsten die Verunfallte etwa 150 Höhenmeter bergab zu einem Ziehweg. Wie mit der Bergrettung telefonisch vereinbart, kam uns dort die Pistenrettung mit einem Schneemobil entgegen und übernahm die weitere Versorgung und den Abtransport.

Wann und wo?

Hier war der Rettungsschlitten sinnvoll, weil er den Rettungseinsatz enorm beschleunigt hat und die Zeit der Schmerzen, Kälte und psychischen Belastung reduziert hat. Es gibt einige Szenarien, bei denen es sich lohnt, über den Bau eines Rettungsschlittens nachzudenken:

  • Großräumig gibt es kein Handysignal, die Bergrettung kann nicht verständigt werden.
  • Nebel, Wolken oder Sturm machen eine Hubschrauberbergung unmöglich und die terrestrische Bergrettung sehr zeitaufwändig.
  • Der Unfallort ist schwer erreichbar, aber nicht weit von einer Straße bzw. einem möglichen Landeplatz. Um den Bergrettungseinsatz zu verkürzen, wird der oder die Verletzte mit dem provisorischen Rettungsschlitten zur Straße bzw. zum Landeplatz gebracht.
  • Auf Expeditionen und Reisen in abgelegenen Gebieten, wo die Kameradenhilfe entscheidend ist, weil es keine organisierte Bergrettung gibt.

Grundsätzlich ist immer dann über den Einsatz eines improvisierten Rettungsschlittens nachzudenken, wenn eine professionelle Bergrettung nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist.

Wie?

Es gibt viele Möglichkeiten einen improvisierten Rettungsschlitten zu bauen. Den Lehrplan-Schlitten gibt es nicht. Vielmehr geht es darum, mit Kreativität, Bastelgeschick und den vorhandenen Gegenständen eine Lösung zu finden. Erlaubt ist, was funktioniert. Wichtig ist eine gut gleitende Unterlage, eine stabile und gleichzeitig gepolsterte Liege- bzw. Sitzfläche sowie geeignetes Material, um den Schlitten zu ziehen und zu steuern (Stöcke, Reepschnüre etc.). Aus einem Paar Ski einen Schlitten zu improvisieren, ist relativ kompliziert, zeitaufwändig und braucht ein paar Hilfsmittel.

Dominik Bartenschlager und Andreas Thomann haben im DAV Panorama 2/2019 eine Konstruktion vorgestellt, die vergleichsweise simpel ist, aber Löcher in der Skispitze voraussetzt. Gut, dass sie gleich die Anleitung zum Anbohren der eigenen Ski mitliefern. Aber ganz ehrlich: Wer bohrt schon die eigenen Skier an, um im Falle des Falles einen Rettungsschlitten bauen zu können? Einige Ausrüster haben reagiert und bieten spezifische Produkte an. BCA/K2 haben ein Komplettpaket entwickelt und liefern die für ihre Lawinenschaufel-Eispickel-Kombination „Shaxe“ geeigneten Schrauben zum Bau eines Rettungsschlittens mit, die auf die Löcher in den K2-Ski ausgelegt sind.

Auch die Lawinenschaufeln von Ortovox sind mit geeigneten Löchern ausgestattet. Beide Firmen haben Videos veröffentlicht, in denen sie den Bau eines Rettungsschlittens zeigen.

Passend zur Artikelserie zum Thema Fahrgemeinschaft aus Skiern und Snowboards stellen wir hier einen einfachen Rettungsschlitten vor, der aus zwei Snowboards und Airbag-Rucksäcken besteht und ohne weitere Hilfsmittel wie Schrauben, Reepschnüre oder Kabelbinder auskommt und in wenigen Minuten zusammengebaut ist. Im Rahmen von Ausbildungskursen, insbesondere zur Vorbereitung auf internationale Bergreisen, ist es sinnvoll, den Bau von improvisierten Rettungsschlitten zu lehren. Dabei geht es weniger darum, einen Bauplan auswendig zu lernen. Vielmehr sollen mit dem vorhandenen Set an Ausrüstungsgegenständen und Hilfsmitteln Improvisations- und Bastelgeschick gefördert werden.

Bei der Fortbewegung des Schlittens ist wieder Kreativität und Ausdauer gefragt. Je nach Gelände- und Schneebeschaffenheit wird gezogen, geschoben, gebremst, gesteuert und gedrückt. Hilfsmittel können Reepschnüre, Seile, Sicherungsbänder, Zurrgurte oder Skistöcke sein, die mit dem Schlitten verbunden werden müssen. Zum Transport des Schlittens sollten mindestens zwei Personen verfügbar sein. Die Transportroute sollte bekannt sein und Bergaufpassagen ebenso wie Querungen vermieden werden. Wenn der oder die Verunfallte noch sitzen kann, kann er bzw. sie mithelfen und durch Gewichtsverlagerung mitlenken.

Improvisierter Rettungsschlitten

Aus zwei Snowboards kann ohne weitere Hilfsmittel ein improvisierter Rettungsschlitten gebaut werden. So funktioniert es Schritt für Schritt

Schritt 1

Schritt 2

Schritt 3

Rucksäcke als Unterlage auf den Boards platzieren. Wenn Airbag-Rucksäcke vorhanden sind, diese vorne und hinten so anordnen, dass das Sicherungsband des Rucksacks zum Ziehen und Steuern des Schlittens verwendet werden kann. Die Rucksäcke mit den hinteren Riemen (Anklestraps) oder anderen Teilen der Bindung fixieren. Foto: Armin Zechmeister

Schritt 4

Der Rettungsschlitten ist jetzt fertig zusammengebaut und sollte stabil gezogen bzw. geschoben werden können. Als Alternative zu den Sicherungsbändern der Airbagrucksäcke eignet sich eine Reepschnur, die man an den Bindungen befestigen kann. Foto: Armin Zechmeister

Schritt 5

Kann die Person aufrecht sitzen, kann sie durch Gewichtsverlagerung oder mit einem Ruder beim Steuern mithelfen. Die verunfallte Person so platzieren, dass der Schwerpunkt zwischen der Mitte und dem hinteren Drittel des Schlittens liegt. Foto: Armin Zechmeister

Schritt 6

Muss die Person liegend transportiert werden, zusätzlich in eine Rettungsdecke einwickeln und mit Sicherungsbändern, Rucksackriemen oder Reepschnüren fixieren. Foto: Armin Zechmeister

Erschienen in der
Ausgabe #118 (Frühling 22)

bergundsteigen #118 cover