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1992. Sherpa Sonam Tshiring kurz vor dem Everest- Gipfel. Foto: Ralf Dujmovits
01. Jun 2023 - 4 min Lesezeit

Hochtourismus: 30 Jahre kommerzielles Höhenbergsteigen in Nepal

Nadine Regel hat sich im Frühling 2022 auf Recherche bis ins Everest-Basecamp begeben, um den Entwicklungen der letzten 30 Jahre vor Ort nachzuspüren. Hier einige der Entwicklungsschritte in der Kommerzialisierung der 8000er.

1992: Erste kommerzielle Expeditionen am Everest.

Anbieter wie Amical Alpin (Ralf Dujmovits, der das Unternehmen bis 2011 führte) und Adventure Consultants, gegründet 1991 von Rob Hall und Gary Ball, führten 1992 das erste Mal Expeditionen mit zahlenden Gästen auf den Mount Everest. Damit war das Zeitalter der kommerziellen Expeditionen an den Achttausendern eingeläutet.

Gipfelfoto vom K2 Michi Wärthl und Ralf Dujmovits
Michi Wärthl und Ralf Dujmovits am Gipfel des K2 ohne Sauerstoff! Wärthl war der Jüngste, der je auf dem K2 gestanden hat. Foto: Archiv Dujmovits.

1996: Katastrophe am Everest.

Am 10. und 11. Mai 1996 verloren acht Bergsteiger beim Versuch, in einem Schneesturm vom Gipfel abzusteigen, ihr Leben. Insgesamt starben in dieser Saison zwölf Menschen am Everest – die zu der Zeit tödlichste Saison am Berg. Das warf schon damals Fragen zur Kommerzialisierung auf.

2008: Tödliche Saison am K2.

Stau am „Flaschenhals“, der Schlüsselstelle des K2 am 22. Juli 2022. Foto Kristin Harila

Die K2-Katastrophe von 2008 ereignete sich am 1. August 2008, als elf Bergsteiger internationaler Expeditionen auf dem K2, dem zweithöchsten Berg der Erde, ums Leben kamen. Drei weitere wurden schwer verletzt. Als Hauptproblem wurde eine Eislawine genannt, die in dem gefährlichsten Abschnitt auf der Normalroute, dem Flaschenhals, abging und Fixseile zerstörte. Unter den Toten befanden sich Personen aus Frankreich, Irland, Korea, Nepal, Norwegen, Pakistan und Serbien.

2013: Streit am Everest.

Die Extrembergsteiger Ueli Steck († 30. April 2017 am Nuptse), Simone Moro und Jonathan Griffith geraten im Khumbu-Eisfall mit Sherpas aneinander. Angeblich sollen sie beim Queren oberhalb der Ice-Fall-Doctors Eisschlag ausgelöst haben. Nach dem Abstieg folgten Handgreiflichkeiten und Todesdrohungen. Ueli Steck reiste infolge der Vorkommnisse unverrichteter Dinge ab.

2014: Maßnahmen zur Abfallbeseitigung am Everest.

Die Everest Summiteers Association schätzt, dass der Everest mit etwa 30 Tonnen Müll bedeckt ist. Die nepalesische Regierung führte zur Eindämmung der Müllproblematik 2014 einige Maßnahmen zur Abfallbeseitigung ein. Dazu gehört ein Pfandsystem für Expeditionsteilnehmer. Um die 4000 Dollar Pfand zurückzuerhalten, müssen alle Bergsteiger mit der durchschnittlichen Menge an Abfall, die eine einzelne Person während des Aufstiegs produziert – etwa acht Kilogramm – ins Basislager zurückkehren. Zudem gibt es verschiedene Clean-up-Projekte u. a. von der nepalesischen Armee, der Nimsdai-Stiftung, der Eco Everest Expedition und der Yves Rocher Stiftung.

2014: Lawine im Khumbu-Eisfall.

Am 18. April 2014 kollabierten die Seracs am westlichen Ausläufer des Mount Everest, was zu einer Eislawine führte, die sechzehn Sherpas im Khumbu-Eisfall in den Tod riss. Viele Sherpas waren verärgert über das ihrer Meinung nach zu geringe Entschädigungsangebot der nepalesischen Regierung an die Familien der Opfer. Am 22. April kündigten die Sherpas an, als Zeichen des Respekts für die Opfer für den Rest des Jahres nicht mehr am Everest zu arbeiten.

2015: Erdbeben Nepal.

Am 28. April 2015 ereignete sich ein folgenschweres Erdbeben mit einer Magnitude von 7,8 auf der Richterskala in Nepal, das sich auch auf Nachbarländer auswirkte. Am Mount Everest kamen 18 Bergsteiger ums Leben, als eine durch das Erdbeben ausgelöste Lawine auf das Basislager niederging. Lokale Medien berichteten später nach mehreren Nachbeben von mindestens 22 toten Bergsteigern und 62 Verletzten.

2018: Versicherungsbetrug am Mount Everest.

Behörden ermitteln gegen Veranstalter, Krankenhäuser und Fluganbieter wegen Versicherungsbetrugs. Die Reiseveranstalter sollen Backpulver als Abführmittel in das Essen von Touristen gemischt haben, damit diese per Hubschrauber ausgeflogen werden mussten. Das große Geschäft sollen die Agenturen gemacht haben, die die dreifache Summe des Üblichen an die Versicherungen in Rechnung stellten.

2019: Project Possible Nims.

Portrait Nirmal Purja (Nimsdai).
Portrait Nirmal Purja (Nimsdai).

Zwischen April und Oktober 2019 gelang Nirmal Purja, der sich selbst Nimsdai (Bruder Nims) nennt, die Besteigung aller 14 Achttausender in einem Zeitfenster von sieben Monaten mit Hinzunahme von Flaschensauerstoff und Helikopter-Unterstützung. Nachforschungen ergaben allerdings, dass er nicht auf allen Gipfeln ganz oben stand. 2021 bestieg er zwei der Berge, Makalu und Dhaulagiri, ein weiteres Mal, um auf die richtigen Gipfel zu gelangen. Bei seiner Everest- Besteigung entstand auch das legendäre Stau-Foto beim Aufstieg. Everest-Kenner Alan Arnette geht davon aus, dass mindestens fünf der elf Todesfälle der Saison auf diesen Stau zurückgingen.

2020/2021: Corona-Pandemie in Nepal.

Die Corona-Pandemie machte auch vor Nepal und seinen Achttausendern keinen Halt. Die Saison 2020 fiel komplett aus. 2021 fanden Expeditionen wie geplant statt, obwohl Coronainfektionen im Basislager zu verzeichnen waren. Einige Anbieter, darunter Lukas Furtenbach, brachen die Besteigungsversuche ab. Die Trekkingsaison kam komplett zum Erliegen, weil das Khumbutal unter Quarantäne stand. Die Virusvariante aus Indien führte zu einer extremen Verbreitung des Virus, was zu hohen Todeszahlen führte.

2021: Erste Winterbesteigung des K2 von rein nepalesischem Team.

Der K2 blieb bis zuletzt der einzige Achttausender, der im Winter keine Besteigung gesehen hatte. Einige Expeditionen versuchten sich Winter um Winter am zweithöchsten Berg der Welt, bis die Besteigung einem zehnköpfigen Team aus Nepal gelang – ein großer Boost für das Selbstverständnis der Nepalesen, die stärksten Höhenbergsteiger der Welt hervorgebracht zu haben.

2022: Alle 8.000er?

Die Norwegerin Kristin Harila macht sich auf, alle 14 Achttausender in sechs Monaten zu besteigen und damit den Rekord von Nirmal Purja zu brechen. Mehr dazu: Kristin Harila im Interview

Erschienen in der
Ausgabe #121 (Winter 22-23)

bergundsteigen #121 cover