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21. Mrz 2022 - 11 min Lesezeit

[No] Friends on Powderdays

Ski und Snowboards gemeinsam in einer Gruppe: Für machen ein Albtraum, für andere eine Selbstverständlichkeit. Was muss beachtet werden, damit eine Tour abseits der Piste auch für jene geeignet ist, die nur ein Brett an den Füßen haben? Teil eins der zweiteiligen Serie widmet sich Tourenplanung und Aufstieg.

Ein Teambuildingversuch für Tourengruppen mit Ski und Splitboard

Foto: Markus Frühmann

Snowboards und in den letzten Jahren besonders auch Splitboards sind aus dem alpinen Gelände nicht mehr wegzudenken. Nach dem Ende des Snowboardbooms zu Beginn der Nuller-Jahre und einem starken Rückgang in den Jahren danach, hat sich der Anteil der Snowboarder*innen stabilisiert. Heutzutage finden sich in vielen Gruppen, Freundeskreisen und Familien ebenso Snowboarder*innen wie Skifahrer*innen und viele Jugendliche beherrschen beide Sportgeräte.

Vielfach sind deshalb gemischte Ski-Snowboard-Gruppen auf und abseits der Piste anzutreffen. Das gilt sowohl für geführte als auch selbstorganisierte Gruppen und sowohl für den Touren- als auch den Variantenbereich. Es kann eine Herausforderung sein, gemischte Gruppen im privaten oder im beruflichen Kontext zu leiten, gilt es doch die Bedürfnisse beider Seiten unter einen Hut zu bringen. Dabei ergeben sich einige Fragen.

Steigeisen und Snowboardschuhe

  • Für reguläre Snowboardschuhe sind die meisten Steigeisen zu schmal. Besonders für größere Schuhgrößen sind deshalb extrabreite Steigeisen mit Körbchen vorne und hinten notwendig (z.B.: Grivel G10 wide).
  • Spezifische Splitboardschuhe sind schmäler geschnitten und haben an der Ferse eine Leiste, sodass sie als bedingt steigeisenfest gelten. Gängige halbautomatische Steigeisen mit einem Kipphebel an der Ferse können verwendet werden.
  • Im High-End-Segment gibt es inzwischen Hardboot-Splitboardschuhe mit Leisten vorne und hinten, diese sind genauso steigeisenkompatibel wie Skischuhe. Derzeit sind diese noch ein Nischenprodukt für Expert*innen. Ihr größter Vorteil liegt darin, dass sie mit ihren Pin-Inserts den Aufstieg mit einer handelsüblichen Pin-Tourenskibindung ermöglichen.

Snowboardboots benötigen extrabreite Steigeisen (Abb. 1). Auf spezifische Splitboardboots (Abb. 2) passen gängige halbautomatische Steigeisen. Hardboots mit Pin-Inserts (Abb. 3) sind derzeit noch ein Nischenprodukt.

Welche snowboardspezifischen Eigenheiten sind zu beachten? Wo liegen die Stärken und Schwächen von Splitboards auf Tour und Snowboards beim Variantenfahren? Wie können Tourenplanung, Geländewahl und Spuranlage angepasst werden? Mit welchen Tipps und Tricks kommen gemischte Gruppen schneller und sicherer an ihr Ziel? Die hier genannten Vorschläge basieren auf meiner Ausbildung als Snowboardlehrer und -führer sowie auf privater und beruflicher Erfahrung mit gemischten Gruppen. Sie haben weder Anspruch auf Vollständigkeit noch sind sie in jeder Situation anwendbar. Geeignete Maßnahmen können nicht allgemeingültig empfohlen werden, sondern müssen konkret angesichts der Faktoren Gelände, Verhältnisse und Mensch ausgewählt und angepasst werden. In diesem Sinne will ich hier die Debatte starten und Vorschläge erarbeiten, wie die Planung und der Aufstieg einer Tour gestaltet werden kann, so dass Skifahrer*innen und Snowboarder*innen gemeinsam unterwegs sein können, ohne dass die Fetzen fliegen.

Tourenauswahl und -planung

Neben den üblichen Themen wie Exposition und Höhenlage, bester Schneequalität, Gefahrenstellen oder Wettervorhersage sollte in der Tourenplanung gefragt werden, welche snowboardspezifischen Problemstellen das Tourengelände bereithält:

  • Flache und ebene Passagen wie Talböden, weite Mulden, flache Ziehwege
  • Kurze Gegensteigungen in der Abfahrt, wo das Snowboard abgeschnallt werden muss
  • Lange Querungen steiler Hänge, vor allem mit wenig bis keinem Längsgefälle
  • Unwegsames Gelände, wie Latschenzonen oder Bachgräben
  • Steiles Spitzkehrengelände bei harter Schneeoberfläche

Aufkanten mit Splitboard

Die geringe seitliche Stabilität erschwert das Belasten des Talskis auf verharschten Hängen. Worst Case (Abb. 1): Innenschuh, Schuh und Bindung etwas locker. Best Case (Abb. 2): Innenschuh, Schuh und Bindung fest zugemacht, Schuh mit zusätzlichem Riemen mit der Bindung verbunden. 

Für sich genommen ist keine dieser „Problemzonen“ ein Grund, die Tour deswegen gleich auszuschließen. Sind mehrere solche Passagen aber wiederholt und über längere Strecken zu erwarten, braucht es entweder sehr ausdauernde und beharrliche Snowboarder*innen oder die Auswahl einer anderen, besser geeigneten Tour. Wer sich schon im Vorhinein die heiklen Stellen bewusst macht, kann sich rechtzeitig geeignete Maßnahmen überlegen, die das Vorankommen der ganzen Gruppe einfacher und auch kraft- und zeitsparender gestalten. Besonders Tourenführer*innen, die wenig Erfahrung mit gemischten Gruppen haben, sollten mehr Zeitreserven einplanen sowie Alternativen bereithalten, um gegebenenfalls Schwierigkeit, Dauer und Wegstrecke anzupassen.

Aufstieg mit dem Splitboard

Die Weiterentwicklung der spezifischen Splitboardbindungen und -schuhe in den letzten Jahren macht das Splitboard zur weitverbreitetsten Aufstiegshilfe für Snowboarder*innen. Mit einer modernen Ausrüstung werden inzwischen genauso wie mit Tourenski Ultra- und Extremtouren durchgeführt. Im Vergleich zu Tourenski haben sie aber systembedingte Nachteile. Der offensichtlichste Unterschied sind die breiteren Splitboardhälften (12 – 14 cm Mittelbreite). Beim Spuren durch Tiefschnee kann die große Auflagefläche Vorteile bieten, bestehende Spuren sind aber häufig zu schmal für das Splitboard. Wer sich als Guide ein gutes Trinkgeld verdienen will, tritt die Spur an neuralgischen Stellen breiter aus oder weist die Gruppe an, dies zu tun.

Snowboardbefestigung am Rucksack

  • Skitourenrucksäcke haben oft keine geeigneten Zurrgurte, um ein Snowboard vertikal am Rucksack zu tragen. Vor der Tour sollte also kontrolliert werden, ob und wie eine Snowboardbefestigung möglich ist.
  • Für kurze Strecken ist es gut möglich, das Snowboard in einer Hand zu tragen. Handlicher als geschulterte Ski kann es dabei auch als Stock oder Stütze verwendet werden.
  • Wird das Snowboard am Rucksack befestigt, sollte es hoch genug befestigt werden, damit das breite Tail nicht die Bewegungsfreiheit einschränkt. Insbesondere im Abstieg kann sonst das Tail am Schnee oder Fels hängen bleiben (Stolper- und Absturzgefahr).
  • Splitboards werden besser geteilt wie Ski befestigt, seitlich mit verbundenen Spitzen (A-Frame). Damit liegt der Schwerpunkt des Rucksacks näher am Körper und er trägt sich leichter. Nicht zuletzt wird dadurch auch die Windangriffsfläche verkleinert.

Grundsätzlich ist es zwar mühsamer, einer schmalen Spur mit dem Splitboard zu folgen, es entscheidet aber nicht über das Gelingen einer Tour. Folgenreicher sind Probleme beim Begehen von Steilhängen, speziell wenn diese verharscht sind. Snowboardschuhe sind weich, haben eine geringe seitliche Steifigkeit und werden durch zwei weiche Riemen (Straps) in der Bindung gehalten. Kein Vergleich also zur Steifigkeit eines Tourenskischuhs in einer Pin-Bindung. In Verbindung mit dem großen Hebel der breiten Splitboardhälften wird das Begehen von Steilhängen schwieriger und anstrengender. Das Sprunggelenk ist dabei stark belastet, sowohl wenn das Brett aufgekantet als auch wenn es plan geführt wird Das Risiko, seitlich abzurutschen ist größer, speziell in der Spitzkehre.

How To: Steilhang

Es gibt aber Methoden, Steilhänge mit dem Splitboard besser zu bewältigen:

  • Steifere Verbindung von Fuß und Board. Schuhe und Innenschuhe fester schnüren, ebenso die Bindung fester zumachen (bewirkt oft Wunder!). Den Schuh unterhalb des Schuhrands mit der Bindung verbinden; einige Bindungshersteller bieten dafür eigene Riemen an, ein Paar Ski-Fix je Schuh hilft aber auch. Auch das Weglassen der Steighilfen verbessert das Gefühl und erleichtert das Aufkanten.
  • Spur verbessern. Die Spur fest austreten und flach anlegen, insbesondere in Spitzkehren. Die Reihenfolge innerhalb der Gruppe so festlegen, dass Splitboarder*innen die beste Spur vorfinden, etwa als Schlusslicht oder Gruppenzweite.
  • Spuranlage. Die Spur so anlegen, dass lange Querungen möglichst vermieden werden. Z.B.: Trotz Höhenverlust zuerst in den Boden einer Mulde anstatt einer langen Traverse entlang ihrer Flanke.
  • Harscheisen. Sie gehören zur Standardausrüstung beim Splitboarden und werden häufiger und früher benötigt. Vorausschauendes Denken ist entscheidend, um Harscheisen rechtzeitig anzulegen. Harscheisen für Splitboards sind breiter und massiver und durch ihre spezielle Bauweise nicht mit anderen Bindungen kompatibel.
  • Zu Fuß mit Steigeisen. Insbesondere bei langen Steilhängen mit ungleichmäßiger und harter Schneeoberfläche (große Gangeln, harte Knollen, alte Lawinenkegel) ist es oft schon weit unter vierzig Grad Neigung zeit- und kraftsparender, anstatt der Harscheisen gleich Steigeisen anzulegen.
  • Ausrüstung. Spezielle Splitboardschuhe – eine Mischung aus Snowboard- und Bergschuh – sind deutlich steifer. Gemeinsam mit speziellen Splitboardbindungen vereinfachen sie den Aufstieg enorm.
Manchmal ist es auch unter vierzig Grad Hangneigung besser zu Fuß. Hochkönig, Birgkar. (Foto: Martin Maurer)

Besondere Schwierigkeiten können in unwegsamem Gelände wie Latschenzonen und schneearmen Steilwäldern warten. Die dabei oft notwendigen Seitschritte sind mit dem Splitboard schwierig umzusetzen. Hilfreich ist, das Versetzen der Ski mit dem Stockteller unterhalb des Tails zu unterstützen. Schwieriger sind auch die manchmal für ausgefeilte Spitzkehrenartistik im Steilwald notwendigen Ausfallschritte und hohes Ansteigen. Hier braucht es präzise Anweisungen (Tritte anzeigen!) und Hilfestellungen.

Auf- und Abstieg zu Fuß

In einfachem oder schneefreiem Gelände sowie auf weicher Schneeoberfläche ist das Gehen mit Snowboardschuhen ähnlich dem natürlichen Gehen und deutlich einfacher als mit ungelenken Alpin-Skischuhen. Durch die Gummisohle sind auch leichte Kletterstellen mit Snowboardschuhen gut bewältigbar, sofern diese aper sind. Noch leichter machen es Splitboardschuhe mit ihrer steifen Profilsohle und definierten (nicht abgerundeten) Kanten.

Das komfortable Gehen führt dazu, dass Splitboarder*innen im Aufstieg manchmal eine andere Spur zu Fuß wählen, während Skitourengeher*innen noch mit Ski und Fellen unterwegs sind. Sinnvoll kann das sein, wenn ein verharschter Steilhang, der mit Harscheisen gemeistert werden muss, über einen nahegelegenen abgeblasenen Rücken zu Fuß umgangen werden kann. Oder im Aufstieg durch eine Rinne, die sich bis über vierzig Grad Neigung aufsteilt, wo Splitboarder*innen früher stapfen werden, anstatt sich mit Spitzkehren bergauf zu quälen.

Am Gipfel

Früher war der Zusammenbau der zwei Splitboardhälften ein mühsames Gefummel mit Splinten und Haken. Moderne Splitboardbindungen haben den Umbau vom Aufstieg zur Abfahrt einfacher und effizienter gemacht. Mit geübten Handgriffen ist der Zeitaufwand nur unwesentlich größer als der Umbau von Tourenski. Trotzdem gibt es am Gipfel einiges zu beachten:

  • Der größte Feind des effizienten Umbaus ist die Vereisung. Hersteller legen ihren Splitboardbindungen deshalb einen Eiskratzer bei, mit dem das Splitboard vom Eis befreit werden kann. Meist ist das ohnehin nicht notwendig, wenn aber nasser Schnee auf dem Splitboard gefriert, kann das sehr zeitraubend sein. Vor dem Umbau sollten Splitboards deshalb am Gipfel nicht im Schatten abgelegt werden!
  • Das Anschnallen des Snowboards kann im exponierten Gelände schwierig und zeitaufwändig sein. Hilfreich ist, eine breite Stufe auszutreten. Noch schneller geht es meist, wenn eine andere Person das Snowboard während des Anschnallens festhält.

So gut man mit Snowboardschuhen in weichem Schnee oder im schneefreien Gelände gehen kann, so schlecht klappt das auf hartem Schnee. Mit Skischuhen können Stufen in den harten Schnee geschlagen werden, mit Snowboardschuhen ist das durch die abgerundeten Zehen- und Fersenkappen häufig unmöglich. Die optimale Lösung sind Steigeisen, sind sie keine Möglichkeit, müssen die Tritte mit Skischuhen oder Pickel so weit verbreitert und vertieft werden, dass sie auch mit Snowboardschuhen nutzbar sind. Es kann dabei hilfreich sein, das Snowboard mit beiden Händen quer in den Schnee zu stecken und es als Stütze zu benutzen.

Getrennt oder gemeinsam?

Für gemischte Gruppen ergibt sich das Problem, dass die optimale Spur- und Hilfsmittelwahl auf Tourenski nicht immer deckungsgleich mit jener auf Splitboards ist. Klare Entscheidungen sind hier notwendig. Soll die Gruppe zusammenbleiben, kann das bedeuten, dass Skitourengeher*innen Harsch- oder Steigeisen anlegen müssen, lange bevor es für sie notwendig wäre. Gruppendynamisch kann das zu Konflikten führen („Weil die Snowboarder so unfähig sind, muss ich jetzt zu Fuß weiter?“).

Alternativ ist es oft besser, die Gruppe zu teilen und für Splitboard und Tourenski zwei unterschiedliche Vorgehensweisen zu be- sprechen, z.B.: Splitboarder*innen gehen zu Fuß am schneefreien Rücken, Skitouren- geher*innen gehen weiter mit Harscheisen über den steilen verharschten Hang, der direkt zum Gipfel führt. Die Gruppe zu trennen, birgt selbstverständlich Risiken. Solange sich die Gruppe aber nur kleinräumig in Sicht- und Rufweite trennt und keine größeren Schwierigkeiten und Gefahren warten, spricht von Vornherein nichts dagegen. Wenn es die Situation erlaubt, kann die gesamte Gruppe so schneller an ihr Ziel gelangen.

Anspruchsvolle Splitboardtour im Canalone Marinelli, Monte-Rosa-Ostflanke. (Foto: Marting Maurer)

Fazit

In einer gemischten Ski-Snowboard-Gruppe unterwegs zu sein, ist nichts, wovor man Sorge haben muss. Wer Tourenplanung, Spuranlage und Führungsmethoden anpasst, kann mit Snowboarder*innen in der Gruppe genauso genussvoll und sicher am Berg unterwegs sein. Die passenden Maßnahmen im Aufstieg zu wählen, braucht Verständnis für die und Erfahrung mit den Eigenheiten von Snow- und Splitboards. Es hilft, dabei nicht nur die Schwächen des Snowboards zu sehen, sondern auch seine Stärken, etwa das komfortable Gehen mit Snowboard- schuhen. Gelingt das, fallen die systembedingten Nachteile im Aufstieg kaum ins Gewicht.

Und grundsätzlich gilt: Wer über Übung und Erfahrung am Splitboard verfügt, wird schneller und sicherer aufsteigen als jemand mit wenig Erfahrung auf Tourenski. Kurz gesagt: Können und Erfahrung sind wichtiger als das Sportgerät an den Füßen.

Ausblick: Teil 2

In Teil zwei der Artikelserie wird gefragt, was bei der Abfahrt zu beachten ist und wie sich die Gruppe dabei gegenseitig unterstützen kann.

Erschienen in der
Ausgabe #117 (Winter 21-22)

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