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01. Mrz 2023 - 4 min Lesezeit

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Wer das hier liest, ist wohl online. Und trotzdem empfehlen wir von der bergundsteigen Redaktion hier gute Bücher. Eine Inspirationsversuch in das Reich des Analogen.

Skitourenatlas Südtirol Band 3

Vinschgau, Ortler, Cevedale, Sarntaler Alpen

Eine Mammutaufgabe: Die ausführliche Beschreibung der Skitourenmöglichkeiten in den Ortleralpen und des Vinschgaus. Seit Rudolf Weiss kultigem Ortler-Skiführer beschreibungstechnisch fast ein Niemandsland. Und das, obwohl zwischen dem Reschenpass und Bozen unzählige Schmankerln auf den Hochtourist mit Skiern warten. Cevedale, Königsspitze, Weißkugel – bei diesen Namen beginnen die Augen von Schneeafficionados zu leuchten. Und die beiden Autoren beweisen mit ihrem Skitourenatlas auf eindrucksvolle Art: es gibt noch unzählige weitere Skitourenberge, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.

Skitourenführer – Skitourenatlas Südtirol Band 3, Panico Alpinverlag, 40 €

Après-Lift

49 Skitouren auf Ex-Bahn-Berge der Schweiz

Plötzliche Stille am Berg: Wenn der (Kunst-) Schnee wegen des Klimawandels ausbleibt oder das Geld für die Renovierung fehlt, dann stehen Liftanlagen still. Und so werden Hügel und Berge in der Schweiz wieder Ziele für Skifahrer und Snowboarderinnen, die aus eigener Kraft in die Höhe kommen.

Auf 55 Gipfel in den Schweizer Bergen führten einst Ski- und Sessellifte, aber auch Gondel- und Seilbahnen – manchmal bis ganz zuoberst. Die Vergangenheitsform ist richtig: Die Anlagen waren mehrheitlich nur in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in Betrieb. Mangels Nachfrage und Schneefall sowie aus anderen Gründen wurden sie stillgelegt. Nun haben die Tourengänger*innen diese weißen Hänge wieder für sich allein.

Natürlich mit Öffis

Die besten Skitouren, Reibn & Skisafaris ab München

Mehr Erlebnis und Abenteuerlust im Gebirge! Der Skitourenführer »Natürlich mit Öffis« präsentiert 35 interessante Skitouren, Rundtouren und Durchquerungen ab München – und liefert ein neues Freiheitsgefühl inklusive: Denn angereist wird mit Bus und Bahn, so dass man nicht zwingend zum Ausgangspunkt zurückmuss, es gibt weder Parkplatzsuche noch Stau. Die Skitouren beginnen an Bus- oder Bahnhaltestellen und führen von dort direkt in den Schnee.

»Natürlich mit Öffis!« ist der alpenweit erste Skitourenführer, der alle Touren ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln beschreibt. Mit Leidenschaft zeigen die Autor:innen, dass klimafreundlicher Wintersport möglich ist und sehr viel Spaß macht.

1. Auflage 2023, Rother Bergverlag, € 24,90

Reinhard Karl

Die Kunst, einen Berg zu besteigen

Der Schriftsteller und Fotograf Reinhard Karl (1946–1982) verlieh dem Lebensgefühl einer ganzen Generation von Bergsteigern und Kletterern auf unvergleichliche Art und Weise Ausdruck. 2002 brachte bergundsteigen-Autor Tom Dauer das Buch „Reinhard Karl – Ein Leben ohne Wenn und Aber“ heraus, das inzwischen längst vergriffen und nur mehr antiquarisch ab 200 Euro aufwärts erhältlich ist.

„Erst nach dem Gipfel bist du wieder frei.“

Ebenso längst vergriffen sind Reinhard Karls Originalwerke, wie „Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen“ – DAS Buch der deutschsprachigen Alpingeschichte, wie ein Rezensent befand, – und „Yosemite: Klettern im senkrechten Paradies“, welches so mitreißend geschrieben ist, dass man sofort selbst am El Capitan einsteigen möchte. Grund genug also für Tom Dauer, das Andenken an Reinhard Karl wiederzubeleben und eine Auswahl seiner besten Texte neu aufzulegen. Wer nicht so gern liest:

Tom hat zum 40. Todestag von Reinhard Karl auch einen Film über ihn gemacht. Dieser zwanzigminütige Film ist Teil des Alpen-Film-Festivals und läuft noch bis Anfang 2023 im Programm.

Reinhard Karl: Die Kunst, einen Berg zu besteigen, 2022, 30 €

Gletscher und Glaube

Katastrophenbewältigung in den Ötztaler Alpen einst und heute

Mehr und mehr nistet sich das Schreckgespenst des Klimawandels in unserer Gedankenwelt ein und so hören wir das unheimliche Rasseln seiner Ketten an allen Ecken und Enden des Alltags. Wie aber hat man in früheren Zeiten auf Naturkatastrophen und die Gewalten des Himmels reagiert? Wie begegneten die Menschen des Alpenraums dort Lawinen, Hochwasser und Vermurungen? Franz Jäger ist diesen Dingen in seinem Buch nachgegangen und zeigt hochinteressante, aber auch unglaubliche Aspekte auf.

Er schildert den Wandel, den die Berge im Laufe der Geschichte gemacht haben – vom ursprünglichen Ort irdischer und überirdischer Gefahren, dem darauffolgenden wissenschaftlichen Zugang und der damit verbundenen Erforschung sowie den Wurzeln des Alpinismus. Er zeigt religiöse Riten und Zeremonien auf, in denen die einheimische Bevölkerung in Form von Wallfahrten, Heiligenverehrung und Gelöbnissen schlicht und ergreifend Schutz und Halt suchte. Jäger widmet sich auch den Gletschervorstößen in den Ötztaler Alpen und dem Schweizer Wallis, zieht den Faden weiter zur Klimaerwärmung, die uns nun schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu schaffen macht, und thematisiert auch die Rolle der Berichterstattung in den Medien, wenn es wieder zu dramatischen Unglücken am Berg und dem damit verbundenen, schier unumgänglichen Lawinen- und Katastrophentourismus kommt.

Gegen Ende des Buches stößt man auf den faszinierenden Erfahrungsschatz und den Instinkt, welchen die Bewohnerinnen und Bewohner der Bergregionen schon immer verinnerlicht haben – das ganz spezielle Gespür für Gefahren und Bedrohungen, die Deutung von eigenen Wetterphänomenen und Beobachtungen durch Mensch und Tier, wie es ein Zeitzeuge im Vorfeld eines Lawinenabganges beschreibt:

„Da war vorher das Vieh im Stall ganz unruhig, dann wusste man, jetzt wird es gefährlich.“

Franz Jäger gelingt es in seinem Werk ausgezeichnet, Historie, Wissenschaft und Volksglaube zu verknüpfen und das Buch für eine vielseitige Leserschaft interessant zu machen.

Gletscher und Glaube, StudienVerlag, Veröffentlicht 2019, 35 €