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Ruth Oberrauch I bergundsteigen.blog
26. Mrz 2020 - 5 min Lesezeit

COVID-19 #5: Ruth Oberrauch

Ruth Oberrauch ist Brand Managerin & Group Sustainability Managerin der Oberalp-Gruppe mit Hauptsitz in Bozen, zu der die Marken Salewa, Dynafit, Wild Country, Evolv und Pomoca gehören.

Ruth Oberrauch ist Brand Managerin & Group Sustainability Managerin der Oberalp-Gruppe mit Hauptsitz in Bozen, zu der die Marken Salewa, Dynafit, Wild Country, Evolv und Pomoca gehören.

Ruth, wie ist deine aktuelle Situation?

Bei mir persönlich ist – anders als man meinen könnte – momentan jede Menge los, weil natürlich in der Geschäftsleitung alles Mögliche geplant und organisiert werden muss. Es sind täglich neue Entscheidungen zu treffen, Mitarbeiter zur sich ständig verändernden Situation zu informieren und Dinge wie Homeoffice usw. zu planen. Es geht natürlich auch darum, sich Gedanken dazu zu machen, wie wir in den Tag 1 nach der Krise starten.

Der Alltag hat sich für alle stark verändert. Wir arbeiten zum allergrößten Teil im Homeoffice und Meetings über die zur Verfügung stehenden digitalen Tools stehen an der Tagesordnung. Da ergeben sich manchmal auch lustige Situationen, wenn die Kinder, die natürlich auch zu Hause sind, plötzlich am Bildschirm zu sehen sind und Grimassen schneiden.

Wie geht es euch als Familienunternehmen …?

Wir wurden in Italien mit dieser schwierigen Situation ja als Erstes konfrontiert und haben, ebenso wie viele Händler in Italien, schon einige Tage bevor die Regierung das entsprechende Dekret erlassen hat, beschlossen, unsere Läden zu schließen. In ganz Italien sind die Geschäfte nun schon seit einigen Wochen zu und die meisten Länder haben in den letzten Wochen ja nachgezogen. Entsprechend fehlen uns natürlich Umsätze.

Als Unternehmen stehen wir aber zum Glück solide da und haben die nötige Finanzkraft, um uns den aktuellen Herausforderungen zu stellen. Wir haben heuer zudem extrem früh ausliefern können, das heißt, der Großteil der Ware ist schon bei unseren Händlern. Gerade in Momenten, wo auch die Logistik nicht oder nur mehr teilweise funktioniert, kann das entscheidend sein.

… und wie euren Mitarbeitern?

Zunächst muss ich sagen, dass ich einfach extrem stolz bin auf unsere Mitarbeiter. Auf das Management, das schwierige Entscheidungen mitträgt, aber vor allem auch auf die Teams: Jeder Einzelne versucht dieser Tage sein Bestes zu geben und seinen Beitrag zu leisten, um diese chaotische und manchmal auch schwierige Zeit zu überbrücken.

Natürlich ist es manchmal schwer, den Zusammenhalt und den Teamgeist aufrechtzuhalten, wenn alle allein zu Hause vor ihrem PC sitzen. Wir versuchen alle möglichen Tools zu nutzen, um in Kontakt zu bleiben – WhatsApp-Gruppen, Webex calls, Skype, FaceTime usw. –, wir organisieren regelmäßige Team-Calls und haben uns auch sonst einiges einfallen lassen: Wir organisieren digitalen Yoga-Unterricht, Online-Kaffeepausen, aber haben auch ein eigenes Portal mit dem Namen „Oberalp stays connected – Oberalp stays at home“ eingerichtet.

Diese Plattform soll dem außerberuflichen Austausch dienen und vor allen Dingen Freude machen und die Zeit in der Quarantäne erleichtern. Es werden sogenannte „Challenges“ unter Kollegen organisiert, aber auch die Familien miteinbezogen, z.B. mit einem eigenen Programm für Kinder; es gibt einen Kanal, wo Empfehlungen für Bücher, Filme, Podcasts usw. ausgetauscht werden, sowie ein Language-Café und einen eigenen Kanal mit Trainingstipps und Workout-Videos.

Was beschäftigt dich als Unternehmerin?

Natürlich vor allem, wie wir diese Krise in Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der Lieferkette und den Händlern bestmöglich meistern und uns auf die Zeit danach vorbereiten können.

Zudem beschäftigt uns das Thema Atemschutzmasken und Schutzausrüstung gerade sehr. Wir haben in den letzten Wochen aufgrund der Notlage bezüglich Schutzausrüstung in Norditalien – und nicht nur dort – unsere eigene kleine Produktion in Italien auf die Herstellung von solchen Masken und waschbaren, d.h. wiederverwendbaren Schutzanzügen aus Gore- und Powertex-Stoffen umgestellt. Die Südtiroler Landesregierung ist an uns herangetreten mit der Bitte, ob wir in dieser heiklen Lage helfen könnten.

Schnell war aber klar, dass unsere kleinen Mengen bei Weitem nicht ausreichen werden, und so hat unser CEO Christoph Engl unseren Lizenzpartner in China kontaktiert, der Zugang zu den benötigten Materialien hat. Dank der guten Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung war es uns möglich, für Südtirol, aber auch für den italienischen Zivilschutz und das Land Tirol 12.000.000 chirurgische Masken und 5.550.000 KN95-Maske sowie 460.000 klassische Schutzanzüge und 30.000 aseptische Schutzanzüge zu organisieren und mit Unterstützung der österreichischen Regierung sowie des Transportunternehmens Fercam die erste Ware in kürzester Zeit in unser Lager nach Bozen zu bringen. Von hier aus übernehmen wir nun die Verteilung an die einzelnen Sanitätsbetriebe.

Diese Aktivität gehört natürlich nicht zu unserem Kerngeschäft und wir verdienen bei dieser Abwicklung auch nichts, dennoch sind viele Funktionen im Unternehmen involviert, um Vorgänge in dieser Größenordnung in der erforderlichen Geschwindigkeit abzuwickeln.

Worum kreisen deine persönlichen Gedanken?

Zum einen um die drastische Situation in einigen norditalienischen Städten wie Bergamo und die Lombardei im Allgemeinen, wo auch viele unserer Mitarbeiter zu Hause sind. Zum anderen um die wirtschaftlichen Folgen für Italien und Europa. Der komplette Shutdown in Italien legt die Wirtschaft eines ganzen Staatsgebietes lahm – das wird uns wohl noch einige Zeit lang begleiten.

Sicher ist, dass es ebenso wie es eine Zeit vor Covid-19 gegeben hat, auch eine Zeit nach Covid-19 geben wird. Dieses „Nachher“ beschäftigt mich natürlich, viele Dinge handhaben wir dann vielleicht anders …  Weil wir aus dieser Zeit etwas gelernt haben, aber auch weil wir angesichts der veränderten (Markt-) Situation vielleicht etwas kreativer sein müssen und neue Wege einschlagen werden.

In jeder Krise steckt eine Chance. Es gilt zu verstehen, wie wir diese als Einzelne und vor allem auch als Gesellschaft am besten nutzen können.

Die Fragen stellten Julia Englhart und Peter Plattner. Foto: Oberalp