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28. Mrz 2020 - 3 min Lesezeit

COVID-19 #6: Christoph Mitterer

Christoph Mitterer arbeitet beim Tiroler Lawinenwarndienst als Prognostiker und fachlicher Koordinator für den lawinen.report in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino. Wir wollten von Christoph wissen, was sich in den letzten Tagen in diesen Warnteams getan hat.
Der Schnee- und Lawinenforscher Christoph Mitterer ist nach Stationen beim SLF in Davos und dem LWD-Bayern im Team des Lawinenwarndiensts Tirol gelandet. Foto: Peter Plattner

Wie schaut die Erstellung der Lawinenprognose derzeit aus?

Den Lawinen und der Schneedecke ist der Corona-Virus ziemlich egal, deshalb wird der Euregio-Lawinenreport wie gewohnt weiterhin regelmäßig veröffentlicht. Unsere Einschätzungen dienen nun v.a., um die Gefahren für Infrastruktur und Siedlungsraum zum Schutz der Bewohner besser bewerten zu können.

Seit den Ausgangsbeschränkungen in den jeweiligen Regionen – im Trentino und Südtirol war das ja schön früher als in Tirol – arbeiten die Lawinenwarnerinnen im Homeoffice. Deshalb erstellen wir seit ein paar Tagen die Prognose der Lawinengefahr in einem absoluten Notbetrieb von zu Hause aus.

Von Anfang an war übrigens unser redaktionelles Eingabesystem so gut und modern aufgestellt, dass alle drei Lawinenwarndienste gemeinsam von überall an der Erstellung des Reports arbeiten konnten. Es war egal, ob man im Gelände, auf einer Hütte oder im Büro war – einzige Voraussetzung war schon immer eine einigermaßen stabile Internetverbindung.

Christophs Homeoffice, von wo aus er vergangene Woche den lawinen.report für Tirol erstellt hat. Mit Blick auf Brandjoch (links) und die Nordkette (Karwendel). Foto: Christoph Mitterer

Warum dann „Notbetrieb“?

Notbetrieb deswegen, weil uns im Moment die so wichtigen, direkten Informationen aus dem Gelände fehlen – ohne Geländearbeit ist die Einschätzung der Lawinengefahr extrem schwierig. Keine Information ist so wichtig und aussagekräftig wie eine frisch beobachtete Lawine oder eine Schneedeckenuntersuchung.

Eben gerade diese Information, die uns sehr direkt etwas über den Schnee und seine Stabilität sagen, wie z.B. Profile und Stabilitätstests, sind seit dem Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen (in Tirol vom COVID-19-Maßnahmengesetzes; 20. März 2020 nach §2 Z2) nicht mehr vorhanden.

Und wie kommt ihr dann jetzt zu eurer Prognose?

Unsere Einschätzung der Situation stützt sich nun primär auf das Bild des Schneedeckenaufbaus vor den Ausgangsbeschränkungen, auf unsere Wetterstationsdaten, auf Webcam-Bilder, auf Rückmeldungen aus Tallagen, auf Modellanalysen sowie auf Prozessdenken, angelehnt an die aktuellen Wetterverhältnisse.

Hier spielen die Erfahrung und der ständige Austausch zwischen den drei Warndiensten eine extrem wichtige Rolle. Wir sprechen uns noch enger ab als schon bisher, diskutieren die Beurteilungen via Skype lange durch und versuchen dadurch mit den vorhandenen Mitteln weiterhin ein Höchstmaß an Güte und Zuverlässigkeit des Reports zu bieten.

Aus dem Online-Austausch der Lawinen-Prognostiker von Tirol, Südtirol und dem Trentino. Foto: lawinen.report

Möchtet ihr sonst noch was loswerden?

Bitte keine Ski- und Bergtouren unternehmen – jeder Unfall ist eine unnötige Belastung für das Rettungs- und Gesundheitssystem. Nützt die Zeit und schaut euch auf lawinen.report etwas um, wo wir haufenweise Informationen zu Schnee und Lawinen hineingestellt und aufbereitet haben.

Und für alle, die tiefer in diese Materie eintauchen möchten, noch zwei Tipps zum längeren Schmökern:

  • Die Ausgabe #105 von bergundsteigen hat sich fast nur mit Themen des International Snow Science Workshop 2018 (ISSW 2018 Innsbruck) beschäftigt.
  • Wer dann immer noch nicht genug hat, findet hier alle praktischen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen der ISSW von 1976–2018 zum Nachlesen.

Viel Spaß damit und komm gesund durch den Frühling, wünscht dir das Team des Euregio-Lawinenreports.

Titelbild: Ein historisches Bilddokument. Dr. Mitterer beim Verfassen seines ersten lawinen.reports für den Tiroler Lawinenwarndienst am 29. November 2019 im Stubaital. Foto: argonaut.pro