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08. Okt 2018 - 4 min Lesezeit

Eindrücke von Montag, 8. Oktober, ISSW 2018

Hauptthema des ersten Programm-Tages der ISSW 2018 waren: Schnee- und Lawinendynamik / Risikomanagement und ingenieurtechnische Maßnahmen / Fernerkundung / Lawinensimulation / Gefahrenzonierung. bergundsteigen hat vor Ort zwei Experten um ihre Eindrücke gebeten.

Interviewpartner 1: J.T. Fischer

Chair bei der ersten Session, BFW, Programmkomitee und Lawinendynamiker am Bundesforschungszentrum für Wald, Institut für Naturgefahren

Was kann sich ein Laie unter dem Thema Schnee- und Lawinendynamik vorstellen und was bringt die Lawinendynamik dem Praktiker?

Lawinendynamik fängt da an, wo die Warnung aufhört, also da, wo es anfängt sich zu bewegen. Hat man alle Aspekte der Warnung berücksichtigt, bekommt man mit Lawinendynamik in der Regel nichts zu tun. Bei der Lawinendynamik selbst geht es, wie der Name schon sagt, in erster Linie um Bewegung von Schneemassen. Uns geht es v.a. darum, die Bewegung zu verstehen: wie schnell, wie zerstörerisch, auf welchem Weg und wie weit können sich Lawinen bewegen.

Dem Praktiker hilft die Schnee- und Lawinendynamik, um eine Hilfestellung zu haben bzw. abschätzen zu können, wie weit und wo Lawinen fließen und welches Zerstörungspotenzial sie haben. Ein Ergebnis aus diesen Computersimulationen ist schließlich auch die Gefahrenzonierung, also die Festlegung der gelben und roten Zonen.

Du hast alle Vorträge der ersten Session gehört, was ist dein erstes Resümee?

Ein erstes Resümee ist, dass die Methoden, die vor zehn Jahren sehr neu waren, nun mitten in der Praxis angekommen sind. Am Beispiel der Rigopiano-Lawine, die am 19.01.2017 passierte, konnte mit diesen Methoden sehr anschaulich gezeigt werden, wie gut diese lawinendynamischen Prozesse abgebildet werden können.

Darüber hinaus ist man in der Modellierung mittlerweile so weit, dass man den Anbruch mit der Bewegung verknüpfen kann, was zuvor als zwei unterschiedliche Prozesse angesehen wurde. Schon im ersten Vortrag wurde das gleich sehr anschaulich gezeigt. Animiert wie im Disney-Zeichentrickfilm „Frozen“ kann man Lawinen mit wissenschaftlichem Know-how sehr anschaulich visualisieren.

Was hat dich besonders überrascht oder begeistert?

Mich hat besonders die Verbindung von verschiedenen Messmethoden zur Lawinenerfassung begeistert. Die unterschiedlichen Methoden der Fernerkundung (Radar, Drohnen, Infrasound …) lassen sich perfekt kombinieren und in der Praxis anwenden, z.B. um Straßen bei einem Lawinenabgang zu schließen oder Sprengerfolge anzuzeigen. Gleichzeitig helfen sie uns, mehr über Lawinen zu verstehen, wobei man hier immer auch anmerken muss, dass man gleichzeitig sieht, wie wenig man bislang weiß und begreift.

Wo geht die Reise hin und was sind in diesem Bereich die Zukunftsthemen?

Die Zukunft ist, immer mehr Naturphänomene und die Physik dahinter in die Modelle reinzubringen. Beispielsweise die Erkenntnis, wie sehr die Schneetemperatur die Reichweite einer Lawine beeinflusst.

Ein anderes Zukunftsthema betrifft die Tatsache, dass immer höhere Computerleistung in Verbindung mit probabilistischen Methoden (Wahrscheinlichkeitsrechnung) es erlaubt, die Unsicherheiten in der Lawinendynamik darzustellen und zu kommunizieren.

Interviewpartner 2: Ferdinand Alber

Pistenchefstellvertreter und Einsatzleiter der Lawinenkommission Galzig-Valluga-Schindler, Bergrettung St. Anton am Arlberg

Der erste Tag ist vorüber, wie ist dein erster Eindruck als ausgewiesener Edel-Praktiker?

Eigentlich bin ich überrascht, wie viele Theoretiker sich mit dem Thema Schnee- und Lawinen auseinandersetzen, am „werkeln“ und studieren sind. Ich denke, für Planer sind diese theoretischen Überlegungen sicher interessant und notwendig, aber für mich als Praktiker sehe ich eher wenig Auswirkungen.

Als Einsatzleiter der Lawinenkommission in einem der anspruchsvollsten Gebiete in Österreich musst du täglich Entscheidungen treffen. Was ist dein Zugang zum Thema?

Grundsätzlich habe ich im Skigebiet den Vorteil, dass wir mit temporären Maßnahmen arbeiten können. Ich arbeite viel mit künstlicher Lawinenauslösung, wo wir sehr gute Schlüsse über den Sprengerfolg ziehen können und sehen, was Sache ist. Auch bei den Maßnahmen sind wir hier flexibel und können uns gut helfen.

Im Gegensatz dazu bin ich in der Gemeinde bei den Entscheidungen auf die Beobachtungen und Messstationen angewiesen, was deutlich anspruchsvoller ist. Hier zählen für mich auch die Erfahrungen und Überlieferungen vergangener Jahre, wobei ich mir auch oft ältere Kollegen hole und sie nach ihrer Meinung frage.

Was hat dich heute besonders überrascht?

… eigentlich nicht viel. Ich muss sagen, dass eigentlich jeder nur mit Wasser kocht. Am interessantesten aus meiner Sicht sind die ingenieurtechnischen Maßnahmen wie neue Schneenetze, die in Ergänzung zu Schneebrücken installiert werden können. Gerade wir am Arlberg haben hier einen hohen Bedarf an Sicherungsmaßnahmen und da sind heute Konzepte sehr wichtig.

Wir stehen vor einer neuen Wintersaison, gibt es bei dir am Arlberg etwas Besonderes?

Wir haben im Skigebiet ein interessantes Projekt zur Prävention von Gleitschneelawinen. Gemeinsam mit der Firma HTB haben wir einen sogenannten „Snowglidestopper“ installiert, von dem wir uns einiges erwarten, da die Gleitschneeproblematik besonders schwierig zu handhaben ist.

Was ist dein persönliches Rezept im Umgang mit der Lawinengefahr?

Ich mache den Job seit 20 Jahren und ich muss sagen, dass es immer anders ist. Es gibt keine Standardrezepte und somit hat es auch keinen Sinn sich zu sehr zu „verkopfen“. Für mich gilt es immer, flexibel auf die unterschiedlichen Situationen zu reagieren, was bislang recht gut gelungen ist.