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Ohm, Zaed und Bauer: die aktuellen Seilbremsen auf dem Markt. Foto: climBe
29. Jan 2024 - 10 min Lesezeit

Hauptsache Widerstand? 3 Seilbremsen im Praxistest

Klettern zwei Personen mit großem Gewichtsunterschied miteinander, sind Seilbremsen mittlerweile Standard. Wie sie funktionieren und welches Modell für wen geeignet ist: Die Kletterschule climBe hat getestet.

Ab einem gewissen Gewichtsunterschied zwischen den kletternden Personen, wird das Sichern problematisch: Sichert beispielsweise eine 55 Kilogramm leichte Kletterin einen 85 Kilo-Mann, entsteht im Falle eines Sturzes ein Sicherheitsrisiko. Die sichernde Person wird an die Wand oder bis zur ersten Sicherung gezogen – im schlimmsten Fall kann die Sichernde den Partner bei sehr hohen Sturzkräften nicht mehr halten. 

Für diese Fälle haben verschiedene Hersteller Seilbremsen entwickelt, die als Vorschaltwiderstand in den ersten Bolt eingehängt werden, um die Sturzenergie zu reduzieren – und den Sichernden zu entlasten. Das Ohm (Edelrid) und Bauer Zorro waren dabei lange Zeit die Platzhirsche auf dem Markt. Das hat sich mit dem Zaed geändert. Im Herbst 2025 wird es sogar noch ein weiteres Gerät geben, dies hat Mammut bereits angekündigt.

Wir, die Leni und Máté der Kletterschule climBe, bewerten diese Neuigkeiten als sehr positiv. Denn ein stärkerer Wettbewerb veranlasst die Hersteller zu Optimierungen an den Geräten. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Komplexität für die Entscheidung steigt: Je nach Bedürfnissen und Kletter-Routine weisen die unterschiedlichen Seilbremsen Vor- und Nachteile auf. Wir haben die aktuell auf dem Markt erhältlichen Geräte getestet. Bei unseren Empfehlungen beziehen wir uns in erster Linie auf das Sportklettern in der Halle.

Máté und Leni der Kletterschule climBe haben alle Geräte mit etwa 20 Kilo Gewichtsunterschied getestet. Foto: climBe
Máté und Leni der Kletterschule climBe haben alle Geräte mit etwa 20 Kilo Gewichtsunterschied getestet. Foto: climBe

Übersicht über die Geräte

Mittlerweile gibt es drei Seilbremsen auf dem Markt, um das Sichern mit Gewichtsunterschied zu erleichtern. Alle drei wirken wie ein Reibungserhöher. Statt die erste Zwischensicherung regulär zu clippen, wird das Seil in die Seilbremse eingelegt und diese an der ersten Zwischensicherung platziert. Im Fall einer Seilbelastung schlagen alle drei Geräte nach oben. Dadurch wird die Seilreibung erhöht und das Gerät bremst. 

Übrigens: Der ideale Gewichtsunterschied in einer Seilschaft, die im Vorstieg klettert, liegt bei -5 bis +5 Kilo. Bei weniger als -5 Kilo (sprich: schwerere sichernde Person) sind Maßnahmen für sehr weiches Sichern erforderlich, bei ab mehr als +5 Kilo (sprich: leichtere sichernde Person) sind bremsverstärkende Maßnahmen empfehlenswert (siehe DAV Broschüre). 

Ohm, Zaed und Bauer: die aktuellen Seilbremsen auf dem Markt. Foto: climBe
Ohm, Zaed und Bauer: die aktuellen Seilbremsen auf dem Markt. Foto: climBe

1. Der große Unbekannte: Bauer Zorro

Der Bauer Zorro (damals noch BAUER) war im August 2016 die erste Seilbremse auf dem Markt. Dahinter steckt kein namhafter Hersteller, sondern ein leidenschaftlicher Tüftler, Bastler und Kletterer: Matthias Bauer. Vielleicht war das auch der Grund, warum das Gerät lange unbekannt war, denn große Marketingbudgets, wie sie ein Hersteller zahlen kann, waren nicht drin. 

Dennoch hat sich Bauer in den letzten Jahren mehr und mehr durchgesetzt, nicht zuletzt, weil dadurch überzeugte, dass sich mit dem Gerät das weiche Sichern gut erlernen lässt. Der Grund dafür: Für das Bremsen ist eine Bremsscheibe im Gerät zuständig. Die besondere und patentierte Geometrie der Bremsscheibe sorgt dafür, dass der Bauer Zorro anfangs nur wenig anspricht. Das führt zum einen zu einem ruckelfreien Seilzug für den Kletterer bzw. die Kletterin, zum anderen aber auch zu einem weicheren Sturz. Wird die Belastung beispielsweise durch einen größeren Gewichtsunterschied oder einen höheren Fangstoß bei einem weiten Sturz in das Seil größer, steigt die Bremskraft mit dem Drehwinkel progressiv stetig an. 

Seit 2016 hat der BAUER viele Weiterentwicklungen und Optimierungen erlebt, sowohl was das Handling angeht (z.B. Bauer Espressi), als auch was die Bremswirkung angeht (Weiterentwicklung der Bremsscheiben).

2. Der alte Bekannte: das Edelrid Ohm

Edelrid hat sich als erster großer Hersteller auf dem Markt der Seilbremsen positioniert und noch im gleichen Jahr wie Matthias Bauer das Ohm in die Läden gebracht. Da Bauer zu diesem Zeitpunkt noch sehr unbekannt war, gilt das Ohm in den meisten Köpfen als die erste Zusatzbremse auf dem Markt. 

Das Ohm ist auch ein Vorschaltwiderstand, der die Seilreibung erhöht und damit eine Bremswirkung erzielt. Kommt es beim Seilverlauf zu einer Belastung, schlägt das Gerät nach oben und erhöht die Seilreibung, indem das Seil durch spezielle Rillen verläuft. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass es im Falle einer Belastung sehr abrupt bremst. 

Weiches Sichern ist mit Sensorhand möglich, das richtige Timing ist jedoch eher schwer zu erlernen. 

Das Ohm kompensiert bis zu 20 Kilo Gewichtsunterschied. Bald kommt eine neue Version auf den Markt, die sogar einen Gewichtsunterschied von 25 Kilo kompensiert. Sprich: Ein Gewichtsunterschied, der über 20 bzw. 25 Kilo hinaus geht, wird trotz Bremse wahrgenommen. Die Empfehlung von Edelrid, dass das Ohm bis zu einem Gewichtsunterschied von 40 kg einsetzbar ist, basiert auf der alten Empfehlung des DAV zum Sichern mit Gewichtsunterschied. Damals war die Lehrmeinung +30 Prozent. So kommt es zur Zahl 40 kg. Mit dem neuen Ohm wird auch die Kommunikation angepasst und eher neutral und ohne Empfehlung davon gesprochen, wie viel Kilo das Gerät tatsächlich kompensiert.

3. Weich und dynamisch: das neue Zaed

Größte Neuerung zu den bisherigen Geräten: verschiedene Stufen für unterschiedlich großen Gewichtsunterschied. Foto: climBe
Größte Neuerung zu den bisherigen Geräten: verschiedene Stufen für unterschiedlich großen Gewichtsunterschied. Foto: climBe

Genau das, was beim Ohm schwierig ist, stand bei der Entwicklung des Zaed im Mittelpunkt: weiches und dynamisches Sichern. Seit Dezember 2023 ist es online erhältlich. Der Hersteller, raed-slacklines, kommt eigentlich aus der Slackline-Szene. Eigene harte Sturzerfahrungen mit Gewichtsunterschied mit den bisherigen Geräten haben das Team dazu gebracht, ein neues Gerät auf den Markt zu bringen. 

Die große Neuerung zu den bisherigen Geräten: Das Zaed lässt sich mittels eines verstellbaren Bolzens in verschiedenen Stufen verwenden. Je nach Stufe entsteht mehr oder weniger Seilreibung – man kann die gewünschte Bremswirkung also an den Gewichtsunterschied anpassen. Das Gerät bremst sehr dynamisch. Während die Bremskraft beim BAUER Zorro anfangs weniger anspricht, im Verlauf der auftretenden Kräfte dann aber ansteigt, ist der Bremsverlauf beim Zaed durchgehend dynamisch. Das macht weiches Sichern für erfahrene Seilschaften intuitiv möglich. 

Laut Herstellerangaben ist das Gerät je nach Ausgangsgewicht der sichernden Person bei Stufe II bis zu einem Gewichtsunterschied von 35 Kilo möglich. Unsere ersten Erfahrungen mit dem Gerät haben jedoch gezeigt, dass die Bremswirkung bei einem so großen Gewichtsunterschied vor allem in Bodennähe grenzwertig gering sein kann. Da das Gerät noch sehr neu ist, basieren unsere Empfehlungen bei diesem Gerät auf deutlich weniger Erfahrungen. Ein großer Nachteil: Beim Sturz ins Gerät, also in die erste Zwischensicherung, ist keine Bremswirkung vorhanden.

Risiko abhängig von Erfahrung und Routine

Je nach Erfahrung und Kletterroutine halten wir bestimmte Geräte für geeignet. Wir definieren die Gruppen wie folgt:

  • Kletteranfänger:innen: Seilschaften, die gerade erst mit dem Klettern beginnen. Sowohl Sicherungs- als auch Kletterroutinen müssen sich erst einspielen. Stürze gehören für sie in der Regel nicht zum Kletteralltag – auch wenn das Bewusstsein vorhanden sein muss, dass es immer zu unbeabsichtigten Stürzen kommen kann. 
  • Sturzanfänger:innen: Seilschaften, die bereits routinierte Kletter- und Sicherungserfahrung haben und sich beim Klettern sicher fühlen. Beim Stürzen und Halten sind sie jedoch Anfänger:innen.
  • Erfahrene Seilschaften: Sie klettern und sichern souverän und sind es gewohnt, regelmäßig Stürze dynamisch und weich zu halten. Sie können die Situation in Bodennähe sehr gut einschätzen und wählen im Zweifelsfall zur Sicherheitsvarianten wie dem Vorclippen. 

Bei Anfänger:innen geht es vor allem darum, die Risiken im Sicherungsprozess von Anfang bis Ende zu minimieren, um Unfälle zu vermeiden. Dazu gehören die Sicherheit in Bodennähe, Unterstützung zur Vermeidung von Kollisionen oder auch das sichere Ablassen. Im Vordergrund steht eine einfache und sichere Handhabung, die mit wenig Erfahrung ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet.

Bei erfahrenen Seilschaften hingegen, die bereits viel Sicherungsroutine haben und regelmäßig stürzen (und wir setzen jetzt einfach mal voraus, dass sie tatsächlich auch vorbildlich sichern), verschieben sich die Risiken teilweise. Hier geht es vor allem darum, Stürze möglichst weich zu halten, um die Verletzungsgefahr beim Anprall zu reduzieren. Mit anderen Worten: Bei erfahrenen Seilschaften mit Sturzroutine geht es darum, die Risiken, die sich nicht vermeiden lassen, zu optimieren. 

Vor- und Nachteile der einzelnen Geräte

Wir beziehen uns bei den Vor- und Nachteilen vor allem auf das Sportklettern in Hallen. Am Fels sind viele Gegebenheiten anders, hier können die Empfehlungen abweichen.

Sicherheit am ersten Haken/Sturz ins Gerät

  • (+) Der Bauer ZORRO bremst bereits ab der ersten Zwischensicherung
  • (+) Das OHM bremst bereits ab der ersten Zwischensicherung
  • (-) Das ZAED bremst erst wenn die Zwischensicherung nach dem Gerät geclippt wird. Empfehlung: Wenn ein sicheres Anklettern in schweren Routen nicht gewährleistet werden kann, empfehlen wir, vorzuclippen. Am Fels mit Clipstick.

Bremswirkung

  • (+) Der Bauer ZORRO hat eine progressiv ansteigende Bremswirkung je nach auftretenden Kräften. Weiches Sichern ist mit Anleitung gut erlernbar
  • (-) Das OHM hat eine eher abrupte Bremswirkung. Weiches Sichern ist mit Sensorhand möglich und gutem Timing, aber das richtige Timing ist schwer zu erlernen.
  • (+) Das ZAED hat eine sehr dynamische und eher gering Bremswirkung. Weiches Sichern intuitiv erlernbar. Vorsicht: Bei großem Gewichtsunterschied reicht Bremswirkung nicht immer aus.

Weiches Sichern

  • (+) Bauer ZORRO: Sensorhand- kompetenz für weiches Sichern empfehlenswert; gut erlernbar
  • (-) OHM: Sensorhand-kompetenz und sehr gutes Timing notwendi; schwer erlernbar bei weniger als 20 kg Gewichtsunterschied
  • (+) ZAED: kaum Sensorhandkompetenz notwendig; weiches sichern intuitiv erlernbar

Seilzug beim Klettern und Clippen

  • (+) Bauer ZORRO: wenig Seilzug
  • (-) OHM: Seilzug spürbar
  • (+) ZAED: so gut wie kein Seilzug

Flexibilität

  • (+) Bauer ZORRO: Dank progressiver Bremswirkung ab einem Gewichtsunterschied von 1:1 bis 1:2 handelbar
  • (-) OHM: Bremswirkung wenig progressiv und damit grundsätzlich hohe Bremswirkung
  • (+) ZAED: verschiedene Stufen ermöglichen unterschiedliche Bremswirkungen je nach Gewichtsunterschied.

Position der sichernden Person beim Sturz

  • (+) Bauer ZORRO: Bremswirkung mäßig von der Position der sichernden Person (Abstand zum Wandfuß)  abhängig, sowohl wenn der Bauer in die erste, als auch wenn er in die zweite Zwischensicherung geclippt wird.
  • (+) OHM: Bremswirkung mäßig von der Position der sichernden Person (Abstand zum Wandfuß) abhängig, sowohl wenn das OHM in die erste, als auch wenn er in die zweite Zwischensicherung geclippt wird.
  • (+) ZAED: Bremswirkung mäßig von der Position der sichernden Person (Abstand zum Wandfuß) abhängig, wenn das ZAED in die erste Zwischensicherung geclippt wird. 
    (-) Bremswirkung stark abhängig von Position der sichernden Person (Abstand zum Wandfuß), wenn das ZAED erst in die zweite Zwischensicherung geclippt wird. Kann Sicherheitsrisiko für die Seilschaft bedeuten.
    (+) Sehr erfahrene Seilschaften können das als Vorteil nutzen, da die Bremskraft bewusst außer Kraft gesetzt werden kann: Beispielsweise wenn im Verlauf der Route viel Reibung entsteht und dadurch ohnehin mehr Bremskraft entsteht.

Handling

  • (+) Bauer ZORRO: Vor allem die Weiterentwicklung zum Espressi hat das Handling deutlich erleichtert. Jetzt lässt sich das Seil auch aus der Seilbremse nehmen, ohne das Gerät aus dem Karabiner entfernen zu müssen.
  • (+) OHM: Sehr unkompliziertes Handling
  • (+) ZAED: Handling unkompliziert.

Partnercheck

  • (+) Bauer ZORRO: Partnercheck ist gut möglich, da richtiger Seilverlauf schnell zu erfassen ist.
  • (+) OHM: Partnercheck ist gut möglich. Seilverlauf wegen Symmetrie nicht ganz so eindeutig; Piktogramm muss beachtet werden.
  • (-) ZAED: Erweiterter Partnercheck notwendig: Neben Seilverlauf muss auch die eingestellte Stufe des Bolzens beachtet werden.

Empfehlung: Für welche Seilschaft eignet sich welches Gerät?

Kletteranfänger:innen

  • Bauer ZORRO: Ja, ab einem Gewichtsunterschied von 7 Kilo
  • OHM: Ja, sofern der Fokus auf einem unkomplizierten Handling liegt und das Stürzen kaum zum Kletteralltag gehört. Idealerweise mehr als 25 Kilo Gewichtsunterschied. 
  • ZAED: nein

Sturzanfänger:innen

  • Bauer ZORRO: Ja, ab einem Gewichtsunterschied von 7 Kilo; Weiches Sichern ist gut erlernbar
  • OHM: Bedingt. Nur bei einem sehr großen Gewichtsunterschied von mehr als 25 Kilo. Da das Ohm bis zu 20 Kilo kompensiert, bleibt hier ein Gewichtsunterschied von 5 Kilo und weiches Sichern ist erlernbar. Wir empfehlen das Ohm bis zu einem Gewichtsunterschied von 30 Kilo.
  • ZAED: Ja, bis zu einem Gewichtsunterschied von 20 Kilo; Voraussetzung: Es muss so viel Kletterroutine vorhanden sein, dass ein sicheres Anklettern des zweiten bzw. dritten Haken bzw. Vorclippen möglich ist (Fels: Clipstick).

Erfahrene Seilschaften

  • Bauer ZORRO: Ja 
  • OHM: Ab einem Gewichtsunterschied von 15 Kilo empfehlen wir Bauer, darunter für erfahrene Seilschaften eher das ZAED.
  • Bedingt. Erst ab größeren Gewichtsunterschieden ab 20 Kilo und wenn viel weiche Sicherungskompetenz vorhanden ist. Da das Ohm 20 Kilo kompensiert, empfehlen wir es bis zu einem Gewichtsunterschied von 30 Kilo.
  • ZAED: Ja, bis zu einem Gewichtsunterschied von ca. 20 Kilo. Vor allem in Bodennähe ist viel Erfahrung nötig, da Bremswirkung dynamisch und eher gering.