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Babsi Zangerl schafft den Flash im Freerider am El Capitan
von Andi Dick
04. Dez. 2025 - 28 min Lesezeit

Sport und Leidenschaft: Alpinismus-Chronik 2024

Brot und Spiele gab es im alten Rom, um die Massen ruhig zu halten. Sport und Liebe leben die Gladiatoren des Bergsports von heute: Sport in den Arenen – der Medien oder der Einsamkeit – und eine brennende Leidenschaft, ja Liebe für dieses so wunderbar unnütze Tun.

Wieder durfte Klettern dabei sein beim größten Sportfest der Welt, Olympia in Paris – verwaltet und vermarktet von einer verrufenen Organisation, doch Bilder und Gefühle erzeugend, die zu Herzen gingen. Kommerzielle Strukturen prägen nicht nur Olympia, sondern zunehmend auch das Geschehen in den Bergen, von den Dolomiten bis zum Everest, und sie verändern den Bergsport: vom Profitum zum Overtourismus und zur Limitierung von Zugängen („Tourists go home“ stand an Wanderwegen in den Dolomiten und am Einstieg einer Kletterroute im Etschtal, deren Haken sabotiert worden waren).

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Doch selbst die wenigen Profis, die vom Bergsport leben können, werden weniger vom Geld angetrieben als von dieser inneren Leidenschaft, die ein Leben lang nach Erlebnis und Exzellenz streben lässt. Und sie finden immer wieder freie Ecken, wo sie sich testen und bewähren können. Und uns Zuschauende faszinieren. Je 20 Kletterinnen und Kletterer kämpften in Paris um die Medaillen im neuen Combined-Format aus Bouldern und Lead (plus je 14 im Speed-Bewerb).

Es gab bewegende Pechmomente, etwa für Alex Megos und Adam Ondra, einen wohlverdienten Triumph für Janja Garnbret (vor Brooke Raboutou und Jessica Pilz) und die Übernahme der jungen Generation bei den Männern, mit Toby Roberts vor Sorato Anraku und Jakob Schubert. Für die Auserwählten dominierte das Olympia-Training das Jahr, erst danach konnten sie richtig Vollgas geben. Wer nicht im Wettkampfzirkus involviert war oder sich für Paris nicht qualifiziert hatte, konnte sich dagegen das ganze Jahr über aufs „echte Leben“ konzentrieren.

1. Kleiner, feiner, Boulder

Zum Beispiel beim Bouldern, dieser Erforschung beinahe mikroskopischer Felsdetails, die über unoder möglich für zwei bis zehn Züge entscheiden. „Auf diesem Niveau, wo der Stil spezifisch und feine Details so wichtig werden, fühlt sich eine Bewertung bestenfalls geraten an und ich bin offen dafür, bescheidener zu werden, wenn ich bessere Methoden übersehen oder einfach meine Fähigkeiten überschätzt habe.“

Mit dieser Zurückhaltung schlägt Aidan Roberts den höchsten Boulder-Grad 9A für seine zwei Projekte vor, die er 2024 meistern konnte: Spots of Time im Lake District und Arrival of the Birds in Chironico. Will Bosi wiederholt Spots of Time in nur acht Sessions; es war sein vierter 9A-Boulder nach Alphane (2022), Burden of Dreams (2023) und Return of the Sleepwalker (2024) – wobei er einschränkt, dass alle vier „am unteren Ende des Schwierigkeitsgrades“ liegen könnten.

Dem legendären ersten 9A-Boulder Burden of Dreams ringt Elias Iagnemma die vierte Begehung ab, und auch Sean Bailey tritt dem 9A-Club bei: mit seiner Kreation Shaolin in den Red Rocks (die weltweit neunte 9A) und der fünften Wiederholung von Alphane in Chironico. Die Frauen sind den Männern knapp auf den Fersen, auch wenn ihre aktuelle Höchstschwierigkeit 8C nicht so oft zu melden ist wie 9A bei den Jungs. Michaela Kiersch gehört zu dieser Elite – mit der ersten Frauenbegehung des Klassikers Dreamtime in Cresciano. Katie Lamb hat mit Box Therapy (2023), Equanimity und Fallen Angel nun schon dreimal 8C im Tourenbuch stehen.

Michaela Kiersch  Dreamtime
Michaela Kiersch schafft Dreamtime (oben). Foto: M. Zanone, Hyperaitz/ Sputnik Climbing

Und die Olympiasiegerin Janja Garnbret erledigt als Vorab- Formtest im Mai Bügeleisen Sit (8C) im Maltatal in gerade mal 30 Minuten, nachdem sie zwei Jahre vorher den Stehstart geklettert hatte. Weil sie mit dem Video nicht zufrieden ist, klettert sie den Boulder dann gleich noch ein zweites Mal. Bei ihrem ersten Besuch im Bouldermekka Fontainebleau hakt sie an einem Tag die „Big Five“ des Sektors Cuvier Rempart ab: Big Boss (7C), Fournis Rouges (7C), Tristesse (7C), Big Golden (7C+) und Atrésie (8A).

Wie hoch das Niveau und wie breit die Spitze beim Bouldern ist, zeigt sich darin, dass Auflistungen von 8C+ bei den Männern und 8B+ bei den Frauen den Rahmen dieser Chronik sprengen würden. Erwähnt werden darf aber, dass die Weltcuplegende Shauna Coxsey für Fotofobia (8B+, La Pedriza) nur einen Tag brauchte. Und dass der Altstar Dai Koyamada mit 47 den härtesten Boulder seines Lebens eröffnete: Yugen (8C/8C+) in Hinohara.

2. Sportklettern: Sind so kleine Griffe

Anak Verhoeven in Planta de Shiva.
Anak Verhoeven in Planta de Shiva. Foto: S. Bié, J. Oberle

Ein Doppelschlag im Garnbret-Stil gelingt Anak Verhoeven: Zuerst wiederholt sie als zweite Frau Planta de Shiva (9b) und reiht sich damit als vierte im exklusiven 9b-Frauen-Club ein; eine Woche später geht sie die Route noch einmal ohne Kneepads. 9a+ klettert Michaela Kiersch zum zweiten Mal, mit Victima Perfecta in Margalef, Crimptonite (8b+) geht sie onsight. Auch Ainhize Belar hält da mit: Iñi Ameriketan (9a+) und Celedon (9a) rotpunkt, Txirrin txirran (8b+) onsight.

Der Frauen-9a-Kreis erweitert sich um Delaney Miller (Fat Camp, Rifle) und Eva Hammelmüller (Hades, Nassereith), während Jessica Pilz nach Olympia gleich bei 9a+ weitermacht – mit Papichulo in Oliana. Im gleichen Gebiet gelingt Chaehyeon Seo mit Fisheye ihre zweite 8c onsight. Nach ihrem für sie enttäuschenden 18. Platz bei Olympia geht Laura Rogora ab wie eine Rakete: Im Verdon schafft sie Aggresif you want (8c) im Flash und Spanish Caravan (8c) onsight (als dritte 8c-os- Frau nach Seo und Garnbret).

Ainhize Belar in Iñi Ameriketan
Ainhize Belar krallt sich Iñi Ameriketan. Foto: M. Zanone, Hyperaitz/ Sputnik Climbing

Dazu drei 9a in Spanien und Italien und drei 9a+: Goldrake (Cornalba), Trofeo dell’Adriatico (Arco) und Bombardino (Arco, am selben Tag). Ähnlich läuft es bei Alex Megos: Pech bei Olympia (Platz 13), aber gut in Form für die norwegische Topdestination Flatanger: Am Tag der Ankunft klettert er nachmittags Hell (9a), übt die nächsten beiden Tage in Change (9b+), macht dann einen Bouldertag mit 8A flash und 8A+, übt noch mal zwei Tage in Change, macht einen Ruhetag und klettert die Route schließlich, seine dritte 9b+.

Zwei Wochen und neun Sessions später legt er Move (9b) nach und klettert am gleichen Tag Illusionist (9a). Jorge Diaz-Rullo klettert ebenfalls Change und Move und hat damit dreimal 9b+ auf dem Konto. Wie der Spanier macht auch der Franzose Seb Bouin keine Wettkämpfe, sondern sucht nur den Spaß am Fels: „Wenn du den Einsatz magst, wenn der Ritt am Fels dich inspiriert, dann weißt du, dass du das richtige Projekt hast.“

Seb Bouin in Wolf Kingdom.
Seb Bouin in Wolf Kingdom. Foto: S. Bié, J. Oberle

So etwas findet er in diesem Jahr am Pic St. Loup mit Les Rois du Lithium (9b) und später der Variante Wolf Kingdom (9b+) – seiner zweitschwersten Route und der höchstbewerteten Erstbegehung des Jahres. Die nächste Generation steht übrigens schon bereit: So klettert Veronica Chik (9) China Climb (8b+) in Yangshuo, und für den elfjährigen Leo Cea ist Era Vella schon die dritte 9a-Route. Dass mittlerweile der einst, das heißt um 1980, bahnbrechende neunte Grad gerade noch „gehobenes Amateurniveau“ ist, belegt Irmgard Braun (72) mit Le String à Fredo (7c, Tarn) – ein Jahr nach einer Knie-OP.

3. Trad: Nichts für schwache Nerven

Wenn man die Bohrhaken weglässt, die das Sportklettern zu einer hauptsächlich athletischen Aufgabe machen, landet man in der Disziplin „Trad“. Die „traditionelle“ Absicherung mit Klemmkeilen, Friends und Ähnlichem lässt sich nicht nach Wunsch platzieren, sodass Stürzen oft keine Option ist. Ein „R“ für „runout“ (kühn) ziert beispielsweise die drei Neurouten von William Moss in den USA, bei Schwierigkeiten von 8b+ und 8c.

Seb Berthe legt ganz traditionell einen Friend in Bon Voyage
Seb Berthe legt ganz traditionell einen Friend in Bon Voyage. Foto: S. Kentzel

Auch bei Rhapsody (8c+) in Dumbarton darf man nicht beliebig fallen; Mat Wright macht die sechste Begehung. Die 20. Begehung des Cobra Crack (8b+) in Swamish hat für Didier Berthod eine besondere Bedeutung: „Hört ein Kapitel auf oder beginnt ein Neues?“ 2006 stand er kurz vor dem Durchstieg – legendär die Szene im Film „First Ascent“ –, dann verließ er nach einem „mystischen Erlebnis“ das Klettern und seine schwangere Freundin und ging ins Franziskanerkloster.

Erst 13 Jahre später erkannte er: „Ich habe meine Bestimmung missverstanden“, und erarbeitete sich Sport und Familie zurück. Nach einem Handgelenkbruch wieder regeneriert, gelingt der Durchstieg des Cobra Crack an dem Tag, an dem er seine innere Ungeduld zügelt durch das Mantra: „Dieser Tag … wird einfach ein Tag des Lebens sein, der Brüderlichkeit, des Glücklichseins, des Nur-da-Seins.“

Iris Bielli zählt nun zu den Frauen, die Prinzip Hoffnung (8b/+) an der Bürser Platte geklettert haben, den legendären Riss Greenspit (8b/+) im Orcotal meistern Anak Verhoeven, Laura Pineau und Caroline Ciavaldini. Und Soline Kentzel ist die vierte Frau in Le Voyage (8b+, Annot): „Die Kletterin zu werden, die ihre Traumlinie verwirklicht, diesen einzigartigen Riss, der in den Himmel flieht: Das wird von nun an mein Grund zu klettern sein.“

Links von Le Voyage abzweigend, mit absurden Zügen und abenteuerlichem Sturzpotenzial über einer Felszacke, hatte 2023 James Pearson Bon Voyage eröffnet – aber einen Bewertungsvorschlag verweigert. Der kommt nun vom über alle Zweifel erhabenen Adam Ondra, Meister aller Klassen, und lautet 9a. Das ist die höchste Bewertung, die für eine Tradroute gegeben wurde, womit Ondra in allen Stil- und Spielarten des Kletterns Spitze ist: 9c rotpunkt, 9a+ flash, 9a onsight, 8B+ flash, 9a-Multipitch, 9a trad.

Babsi Zangerl schafft den Flash im Freerider am El Capitan
Wer sonst? Babsi Zangerl schafft den Flash im Freerider am El Capitan mit Glück und Jacopo Larchers Informationen. Foto: M. Tsudome/Highpoint Productions

Nur beim Bouldern wird ein 9A-Erfolg (Soudain Seul) erst in der Chronik für 2025 gemeldet werden … Die zweite Wiederholung von Bon Voyage, unterstützt vom Erstbegeher Pearson wie Ondra, holt sich Seb Berthe, auch er ein Tausendsassa der (eher ausdauerlastigen) Kletterdisziplinen und ein regelmäßiger Gast in dieser Chronik.

Was auch für das Dreamteam Babsi Zangerl und Jacopo Larcher gilt. Nach Connor Herson (vierte Begehung) steigen zuerst Babsi, dann Jacopo das Yosemite-Testpiece Magic Line (8c+). „Die Kletterei fühlt sich an, als ob du jeden Moment rausfallen kannst“, sagen beide, und Babsi: „Du weißt nie, was möglich ist, bevor du es richtig hart versucht hast.“

Dass Tradklettern auch ganz untraditionell auf Fels verzichten kann, beweist der einfallsreiche „wide boy“ Tom Randall: Seine Route Autobahn (8c/+) nutzt eine Betonfuge der Unterseite einer Autobahnbrücke bei Berlin. Da Cams für die 60 Klettermeter zu schwer gewesen wären, stieg er nach monatelangem Training free solo durch und hoffte im Fall eines Falles auf eine gnädige Landung im Fluss.

Klettern an einer Autobahnbrücke
Toi, toi, toi, diese deutsche Brücke hält! Tom Randall verzichtet in „Autobahn“ aber lieber darauf, sie mit Sicherungsgeräten zusätzlich zu belasten. Foto: @tompaulrandall

4. Multipitch: Wann sind wir endlich oben?

Zurück zu Babsi Zangerl und Jacopo Larcher. Die beiden klettern auf Augenhöhe mit der Weltspitze, vor allem in Mehrseillängenrouten (Multipitch). So gelingt ihnen mit sechs Tagen Vorarbeit die erste Wiederholung von The Gift (350 m, 8c) im Rätikon, erstbegangen von Babsis Schwager Alex Luger. Seine ebenso schwere Route Seventh Direction (220 m, 8c), die kurz zuvor ihre erste Wiederholung durch Nemuel „Nemo“ Feurle erlebt hat, schaffen sie nach drei Tagen Üben.

Im Herbst starten sie einen Flash-Versuch am Freerider (900 m, 7c+) des El Capitan. Sie wechseln sich mit den ersten Vorstiegen ab, und Jacopo scheitert knappstmöglich an der Boulder-Problem-Crux. Dank seiner Infos gelingt Babsi der Flash – und sie urteilt bescheiden, sie habe „richtig, richtig viel Glück“ gehabt und ihren Erfolg Jacopos Unterstützung zu verdanken. Ist das „typisch weibliches“ Understatement?

Jedenfalls ist Barbara Zangerl der erste Mensch, dem am El Cap ein Flash einer High-End-Route gelungen ist, und sie zeigt damit, dass sie ein eventuelles Gender Gap in Mehrseillängenrouten locker überspreizen kann. Doch es gibt noch mehr starke Frauen in diesem Geschäft: Lara Neumeier klettert Headless Children (250 m, 8b) an der Schijenfluh im Rätikon und wiederholt erstmals Nimm dir Zeit (140 m, 8a+) am Roten Stein; im Herbst macht sie mit Nemuel Feurle in vier Tagen ground up den El Niño/Pineapple Express (800 m, 8a+) am El Capitan.

Katherine Choong klettert als erste Frau Zahir (300 m, 8b+) an den Wendenstöcken „ecopoint“, also mit Anfahrt per Rad, begleitet von Eline Le Menestrel, und La Fiesta de los Metallos (200 m, 8b) im Verdon. Und Tuva Stavø macht nach nur einem Trainingstag die erste Frauenbegehung von Arctandria (400 m, 8a+) am Store Blåmann, einem der großen Trad-Klassiker Norwegens.

Die wohl schwerste Route am Eiger ist Odyssee (1400 m, 8a+); Eintagesbegehungen gab es bisher von Nico Favresse und Seb Berthe sowie von Babsi Zangerl und Jacopo Larcher (in 16 Stunden). Siebe Vanhee brauchte, unterstützt von Tommy Caldwell, 21:30 Stunden für die teils nasse und nicht mit Magnesiaspuren markierte Route.

Tommy Caldwell auf seiner Odyssee durch das Kalkmeer der Eiger-Nordwand
Tommy Caldwell auf seiner Odyssee durch das Kalkmeer der Eiger-Nordwand. Foto: Archiv S. Vanhee

Simon Gietl konnte, an mehreren Tagen und mit unterschiedlichen Partnern, alle Seillängen seiner mit Vittorio Messini und Matthias Wurzer eröffneten Route Blutsbrüder (650 m, 8b oder 7a, A3) am Torre Trieste frei klettern; eine durchgehende freie Begehung steht noch aus. Ordentlich schwer ist auch Ego Land (410 m, 8c/+, obl. 7c+) von Bernardo Rivadossi, Massimo Faletti und Luca Bana am „Elefantenrücken“ der Marmolada-Südwand, „team free“ geklettert durch Rivadossi und Bana.

Iker Pou ist bekannt als einer der ersten Wiederholer von Action Directe (9a) und mittlerweile auch alpinistisch engagiert. Mit seinem Bruder Eneko erschließt er an der Peña Santa in den Picos de Europa eine der vielleicht schwersten Multipitchrouten. Truenu (600 m) bietet in der überhängenden Headwall eine 8A+ Bouldercrux, die Iker noch nicht frei klettern konnte. Die anderen Längen sind durchstiegen, ein kompletter Go steht noch aus und wird von den Brüdern auf 9a/+ geschätzt. Besonders viele Seillängen kommen zusammen, wenn man mehrere Touren aneinanderhängt.

Das „vielleicht größte im Verdon je versuchte Ausdauerprojekt, auf jeden Fall eines unserer größten überhaupt“, starteten Seb Berthe und Hugo Parmentier unter dem Namen „Verdon-Abrasive-Ultimate- Tour“ – abgekürzt Vautour (französisch für Geier). In 19 Stunden kletterten sie El Topo (300 m, 8a), Le Pornographe (350 m, 8a), Jolie Fleur (250 m, 8b) und Dame Cookie (200 m, 8a+); die geplante letzte Route, Mingus (350 m, 8a), mussten sie wegen Erschöpfung streichen.

Im Yosemite verbesserten Tanner Wanish und Mike Vaill die Rekordzeit für die Yosemite-Triple-Crown – die Bigwalls an Half Dome, Mount Watkins und El Capitan (Nose) – um 35 Minuten auf 17:55 Stunden. Nach einer Woche Erholung erweiterten sie die Aktion um einen vierten Bigwall, die Südwand des Washington Column – 21:50 Stunden für 77 Seillängen, 2450 Klettermeter und 30 Kilometer Laufdistanz.

Bemerkenswert sind auch die 15 Klassiker an 15 Türmen im tchechischen Sandsteingebiet Adrspach, die Michał Czech und Paweł Zieliński in 17 Stunden aneinanderreihten. Von den vermeintlich moderaten Schwierigkeiten zwischen VIIa und VIIc (700 Klettermeter) darf man sich nicht irreführen lassen: Adrspach ist für harte Bewertungen und gruslige Absicherung berüchtigt.

5. Alpinismus: Der einzig wahre Jakob?

Lange Zustiege, hohe Schwierigkeiten in komplexem Fels- und Eisgelände, weite Abstiege: Das ist der Stoff, auf den Alpinisten abfahren. Kreative Geister:innen finden ihn auch noch in den Alpen mit ihren vergleichsweise überschaubaren Dimensionen. Wem sie zu klein sind, für die oder den gibt es auch in Zeiten von Flugscham kaum Alternativen zu den großen Gebirgen der Welt.

Kletterer in der Matterhorn-Südwand
Una Follia per Adriana – Il Grande Diedro della Parete Sud: Ein langer Name für eine lange Route durch die nicht immer sonnige Matterhorn-Südwand. Foto: D. Levati/Storyteller Labs

Alpen/Europa

Das Aostataler Allstar-Team François Cazzanelli, Jerome Perruquet, Marco Farina und Stefano Stradelli fand an seinem Hausberg Matterhorn eine neue Route in der Südwand: Una Follia per Adriana – Il Grande Diedro della Parete Sud (800 m, M7, 6b, R4) gelang in zwölf Stunden Kletterzeit. Sensationell ist Cazzanellis Sommer-Highlight: Für den Ultraklassiker Divine Providence (18 SL, 7c) brauchten er und Giuseppe Vidoni vom Tal zum Gipfel des Montblanc und zurück (3900 Hm, 28 km) genau 23:45 Stunden.

Leo Billon und Enzo Oddo entdeckten bei der ersten Wiederholung der Directissime Jean-Claude Bertrand in der Dru-Nordwand eine neue Linienoption: Drei Tage brauchten sie dann für Les Batards (ED+, 800 m, 8a). Und mit den genau richtigen Verhältnissen gelang Victor Garcin, Nicolas Jean und Baptiste Obina La Barretasse (900 m, ED, 6b+, WI5, M5, A1) in der Südwand der Barre des Ecrins in zwei Tagen.

Göttlicher Fels in Divine Providence am Mont Blanc
Göttlicher Fels in Divine Providence am Mont Blanc. Foto: Archiv F. Cazzanelli, J. Cassou

Einen Monat warten auf gutes Wetter, dann einen Tag klettern: Das ist die Bilanz für Dave Mac- Leod und Calum Muskett und ihre Neutour Line Dancing (800 m, E5 6b) in der Südwestwand des vielbewunderten Stetind in Norwegen.

Grönland

Die größte Insel der Erde, die für den Chronisten immer noch eher zu Europa zu rechnen ist als zu Amerika, lässt sich mit Goodwill ohne Flug erreichen. Matteo Della Bordella, Alex Gammeter, Silvan Schüpbach und Symon Welfringer paddelten 300 stürmische und eisige Kilometer per Kajak von Tasiilaq zum Drøneren und eröffneten in dessen Nordwestwand Odissea Borealis (1200 m, 35 SL, 7b) ohne Bohrhaken; die Crux-Länge (7b) ist mit Peckern „psychologisch“ gesichert.

Ähnlich schwer ist Mussles for tea, packrafts in the sea (1350 m, 7b) am Thumbnail (Maujit Qoqarssasia) – eröffnet von Miška Izakovičová, Tim Miller, Callum Johnson und Simon Smith nach Packraft-Anfahrt in Wechselführung, onsight und ohne Bohrhaken. Danach erkundete das Team einen Monat lang die Insel Pamiagdluk und das Valle Baroness und sammelte in zwei Seilschaften weitere zehn Neutouren zwischen 6b und 7b ein.

Ryu-shin an der Mirror Wall in Grönland
Göttlicher Fels in Ryu-shin an der Mirror Wall in Grönland. Foto: Archiv F. Cazzanelli, J. Cassou

An der Mirror Wall machte Sean Villanueva eine offene Rechnung klar. 2023 hatte er mit Franco Cookson, Ben Ditto und Nicolas Favresse unter einer kompakten Passage aufgeben müssen. Nun kam er zusammen mit Julia Cassou, Sean Warren und Pete Whittaker per Segelboot und löste die Passage (7c+R). Nach elf Tagen standen sie am Gipfel, dann konnten sie in einer Woche alle Seillängen bis auf drei frei klettern.

Die Route Ryu-shin („Drachenherz“, 1000 m, 8b R, A2) benannten sie nach dem Flötenspielernamen von Keita Kurakami, der mitkommen wollte, aber im Juni mit 38 Jahren einer Herzschwäche erlegen war; er hatte das Klettern nicht um der Gesundheit willen aufgeben wollen: „Selbst wenn ich 70 oder 80 würde: Wäre es ein glückliches Leben ohne Klettern?“ Am Berg Fuji hörte sein Herz auf zu schlagen.

Nebenbei, an Japans heiligem Berg soll der Andrang durch eine Permitpflicht (umgerechnet 12,50 Euro) auf 4000 Personen pro Tag begrenzt werden.

Alaska

Der Winter-Bigwall-Hero Marcin Tomaszewski eröffnet mit Paweł Hałdaś in zehn Tagen die Route Zimne wojny (Kalte Kriege, 980 m, A3, M5+, 70°) im Moose’s-Tooth-Massiv – „härter und kälter als in Grönland“. Tom Livingstone und Gašper Pintar legen trotz ungünstiger Verhältnisse in vier Tagen die Neutour The Great Wall (1600 m, M7, A1, 6a) durch die Südwand des Mount Dickey.

Die notorischen Alaska-Locals Mike Gardner, Sam Hennessey und Rob Smith finden in der Ostwand des Mount Hunter eine neue Linie namens One Way Out (2000 m, AI 6, M6+ R). „Ich glaube fest, dass es einen guten Kletterer braucht, um einen Berg zu besteigen, aber einen großen Alpinisten, um wieder runterzukommen”, schrieb Gardner; später im Jahr starb er am Jannu.

Patagonien

Sicher eine der bemerkenswertesten Leistungen des Jahres ist die erste freie Begehung von Riders on the Storm (1300 m, 7c+) am Zentralen Paineturm. Die fantastische Linie wurde 1991 mit technischen Stellen (IX, A3) von Kurt Albert, Bernd Arnold, Norbert Bätz, Peter Dittrich und Wolfgang Güllich eröffnet. Danach versuchten sich viele Teams am vollständig freien Durchstieg.

Den besten Versuch hatten 2016 Ines Papert und Mayan Smith-Gobat, die auch eine frei mögliche Variante mit fünf neuen Seillängen entdeckten, aber wegen Schlechtwetter nicht mehr klettern konnten. Jetzt kamen die üblichen Verdächtigen aus Belgien: Nico Favresse, Siebe Vanhee und Sean Villanueva O’Driscoll, zusammen mit dem Amerikaner Drew Smith. 18 Tage im Kapselstil (mit Portaledge-Wandbiwaks) – inklusive eine Woche Pause bei Sturm bis 140 km/h – brauchten sie für die Team-free-Begehung: Das heißt, jede Seillänge wurde von zumindest einer Person vorgestiegen.

Nur wenige Tage später setzte Villanueva noch eins drauf und nutzte ein Wetterfenster für seine Travesia Doble M über alle vier Painetürme: Südturm Il Lungo Sogno (900 m, 60˚, 5.10, A2), Zentralturm Kearney-Knight (850 m, 5.10, A2), Nordturm Monzino Route (200 m, 5.10b) und La Peineta Puro Filete (300 m, 5.11, A1) – in 70 Stunden im teils gesicherten Solo. Patagonien-Hausmeister Rolo Garibotti: „Jeder Traum beginnt mit dem gleichen Funken: dem Willen, Zweifel beiseitezuschieben, dem Sprung ins Reich poetischen Glaubens; und Sean weiß ein oder zwei Dinge darüber.“

Sean Villanueva sammelte in 70 Stunden alle vier Painetürme ein
Er kann einfach nicht aufhören: Ausdauerungeheuer Sean Villanueva sammelte in 70 Stunden alle vier Painetürme ein. Foto: Patagoniavertical

Zu Recht viele Schlagzeilen bekamen auch die Bergführerinnen Lise Billon, Fanny Schmutz und Maud Vanpoulle für ihre Begehung des Cerro-Torre- Südostgrats (freie Variante der historischen Kompressorroute, 800 m, 7a/+, WI 5, C2) als erstes Frauenteam. Die Piolet-d’Or-Preisträgerin Billon postete begeistert von unterwegs auf Social Media über die Schönheit der Route und ihre Zweifel am Anfang der Tour, als noch „keine von uns ahnte, dass wir nicht zu bremsen sein würden“.

Ohne Bohr- oder Schlaghaken legten Ignacio Mulero, Leon Teizan Riveros Molina und Nico Lewin Arigato Chalten (450 m, 7c) durch die Nordwand des El Mocho. Und der Bergführerin Alma Roblin gelang zusammen mit der Gleitschirmpilotin Solène Rombourg eine sehr elegante Besteigung des Cerro San Lorenzo (3706 m): Ein Wetterfenster in Aussicht, stiegen sie in drei Tagen über die Direttissima (70/80°) auf den Nordgipfel (am Hauptgipfel hing eine Föhnwolke) und flogen mit dem Tandem- Gleitschirm in 15 Minuten direkt zurück zum Auto.

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Chile und Zentralanden

Das Valle Cochamó gilt als Yosemite Chiles. Angelo Contessi, Diego Diaz und Leo Gheza eröffneten Nunca say Nunca („Sag niemals nie“, 1000 m, 5.12+, A1) am Cerro Trinidad Central. Und Jacob Cook, Hayden Jamieson und Will Sharp schafften die erste freie Begehung der 1000-Meter-Route Picaflor (8a+) am Cerro Capicua im chilenischen Cochamó Tal; jeder stieg jede Seillänge vor.

Faszinierende Eisformationen fanden die Chilenen Alexis Rojas, Nico Gutiérrez und Cristóbal Cament am Cerro Tronco (5576 m) in den Zentralanden in ihrer Linie Odissea (1500 m, WI 6, M6, A3+, 65°). Vier Tage waren sie in teils miserablem, dazu schlecht absicherbarem Fels und überhängendem Eis unterwegs.

Odissea am Cerro Tronco in den Zentralanden
Ist das Kunst oder darf man da klettern? Die Odissea am Cerro Tronco in den Zentralanden gibt die Antwort: zweimal ja. Foto: G. Robert

Peru

Iker und Eneko Pou und Micher Quito erlebten mit Pisco Sour (640 m, 85°, M6, 20 Std.) in der Südwestwand des Nevado Pisco (5780 m) mehr als eine Eingehtour für ihre „härteste alpinistische Erstbegehung“: Puro Floro (1000 m, M7, 95°, A2) in der Südostwand des Copa (6190 m) in vier Tagen. Jeder nahm dabei vier Kilo ab. Am vermutlich gleichen Berg eröffneten Manu Bréchignac, Martin de Truchis, Stéphane Benoist und Victor Garcin aus der französischen Alpinismus-Equipe GEAN A la sombra de la duda (ED, 800 m, WI5+, M6, 85º, zwei Tage) durch die Südwand.

Orgasmo Multiplo (600 m, M7, WI 5, 90°) in der Südwand des Ocshapalca (5888 m) war das 16-Stunden-Roundtrip-Highlight des ergiebigen Urlaubs von Marek Radovsky und Juraj Svingál. „Ich werde wohl nie mehr zu einer so schwierigen und gefährlichen Route imstande sein“, urteilt Yudai Suzuki nach dem Dream House (1240 m, M6, AI 5+, A2, R/X, VI) an der Südseite des Quitaraju (6036 m), das er in fünf Tagen mit Keisuke Ohkura und Kazumasa Ostubo eröffnete.

Zeltübernachtung am Quitaraju in Peru
Immer wieder schön: Zelturlaub in den Bergen im Dream House am Quitaraju in Peru. Foto: Archiv Y. Suzuki, A. Franzen

Pakistan

Drei Monate später zieht Suzuki mit Kei Narita und Yuu Nishida in vier Alpinstil-Tagen einen Spider’s Thread (ED+, M7, A2, 1450 m) durch die Westwand des Thui II (6523 m). Die Erstbesteigung der spitzen Felsnadel des Mun Brakk II (5430 m) im Sosbun- Tal gelingt Ekaitz Maiz, Josu Linaza, Markel und Oier de la Fuente in sieben Tagen über die Route Izar gorri, mamuon betiko argi (1140 m, M4, 7b); der baskische Name bedeutet „Der Rote Stern, der über dem Weg der Revolution leuchtet“.

Zwei Anläufe brauchen Chiara Gusmeroli und Matteo De Zaiacomo, der Präsident der Alpin-Elitegruppe „Ragni di Lecco“, für ihre Neutour Azzardo Estremo (900 m, 7a, A3) am Sckem Braq (ca. 5300 m). Der Muchu Chhish (7453 m) war bis dahin der höchste noch unbestiegene und für Bergsteiger erlaubte Gipfel. Die Erstbesteigung holen sich die wohlbekannten Zdenek Hak, Radoslav Groh und Jaroslav Bansky über einen 20 Kilometer langen Grat mit knapp 3700 Höhenmetern in fünf Tagen.

Wildes Gelände meistern Dane Steadman, Cody Winckler und August Franzen bei der Erstbesteigung des Yashkuk Sar (6667 m) über die Route Tiger Lily Buttress (2000 m, AI 5+, M6, A0) am Nordpfeiler. „Eine der schwereren Routen, die ich je geklettert habe, die Kulmination einer Dekade“, nennt Tom Livingstone den Westgrat des Gasherbrum III (7952 m), der ihm mit Ales Cesen in sieben Tagen und mit einem Sitzbiwak auf 7800 Metern gelingt. „Wir ließen Erwartungen, Sorgen und Ideen zurück und bewegten uns einfach aufwärts, der Geist neugierig, der Körper leise zerfallend.“

Körperlicher Verfall ist auch Mick Fowler (68) vertraut, der allerdings mit künstlichem Darmausgang noch gut unterwegs ist. Die Erstbesteigung des Yawash Sar (6258 m), genannt „Matterhorn des Khunjerab“, in sieben Tagen gemeinsam mit Victor Saunders (74) ist für ihn „eine unserer besten gemeinsamen Touren“ – 37 Jahre nach ihrem legendären Golden Pillar am Spantik.

Viel Betrieb gab es in Eternal Flame (1000 m, 7b+, A2 oder 8a): Jasiek Gurba, Maciek Ksiazczyk und Patryk Kunc machten die vierte komplett freie Begehung, Lucía Guichot und Nieves Gil waren das zweite reine Frauenteam, Stefano Ragazzo gelang das erste gesicherte Solo.

Zeltübernachtung auf der Tiger Lily Buttress am Yashkuk Sar in Pakistan
Zelturlaub in den Bergen auch in Pakistan auf der Tiger Lily Buttress am Yashkuk Sar. Foto: Archiv Y. Suzuki, A. Franzen

Sonstiges Asien

Anja Petek und Patricija Verdev machten im Alpinstil die Erstbesteigung des Lalung I (6243 m) im indischen Himalaya über den Ostgrat in fünf Tagen; ihre Route nannten sie Here comes the Sun (2000 m, ED, M6+, AI5+). Der Karjiang (7221 m) an der tibetisch- butanischen Grenze war einer der höchsten untretenen Gipfel der Erde – bis die Chinesen Liu Yang und Song Yuancheng ihn in drei Tagen bestiegen; ihre Linie heißt Buzzer Beater (1300 m, AI 3, M4+, 70°).

Erstbegehungen als Frauenteam sind immer noch relativ selten. Alessandra Prato und Camilla Reggio machten eine: Messy Dreamers (500 m, 7b) im Ak-Su-Tal in Kirgisistan. Die Schlüsselseillänge konnten sie aus Zeit- und Wettergründen nicht frei klettern, das holten später zwei Freunde nach.

Nepal

Eine große Neutour in der Ostwand (2500 m) des Langtang Lirung (7227 m) ist das Vermächtnis von Ondrej Húserka. Marek Holecek und er sind in sechs Tagen im Alpinstil aufgestiegen. Beim Abseilen brach eine Eissanduhr aus und Ondrej stürzte in eine Gletscherspalte, wobei er sich beim Aufprall tödlich verletzte. Michał Król, Maciej Kimel und Mariusz Madej widmen Huserka ihre Neutour Butterfly Effect (1300 m, M6, 6b) am Kyajo Ri (6187 m) im Khumbutal.

An einen im Krieg gefallenen ukrainischen Freund erinnert Chegi (1600 m, ED, M5, AI 4, 80°) von Mykyta Balabanov und Mykhailo Fomin in der Westwand der Ama Dablam (6812 m, vier Tage). Die Erstbesteigung des Pholesobi Peak (6652 m) in Nepal gelang den Japanern Hidesuke Taneishi und Hiroki Yamamoto in sechs Alpinstil-Tagen über die Nordwand (1500 m, ED+); der obere Wandteil ist so steil, dass sie nur in Portaledges übernachten konnten. Le Cavalier sans tête („Der kopflose Reiter“) heißt die 1700-Meter-Neutour von Charles Dubouloz und Symon Welfringer durch die Westwand des Hungchi (7029 m).

Zwölf Stunden dauerte der Rundtrip von David Göttler und Nicolas Hojac in der Nordwand des Ganchenpo (6378 m), die sie weitgehend seilfrei durchstiegen. Und Nathan White und Jack Morris fanden die Linie Dreaming of Rotisserie Chicken (2500 m, ED2, M6, WI3) am Linkhu Chuli II (6659 m) im Rolwaling Himal.

6. Achttausender: Der ganz normale Wahnsinn

Echten Alpinismus (selbständig, exponiert, kompetent) findet man an den höchsten Bergen selten; ist auch schwierig, wenn China in Tibet Hilfssauerstoff ab 7000 Metern und Fixseile vorschreibt und Solo- und Alpinstilbegehungen verbietet.

Darum war eine Neutour über den Südsüdwestgrat am Cho Oyu (8188 m) von sechs Sherpas mit einem Kunden und mit Sauerstoffhilfe auch nicht sonderlich inspirierend – und diente vor allem der Suche nach einer kommerziell nutzbaren Aufstiegslinie außerhalb Tibets.

Im Folgenden etwas Statistik: 16 Menschen konnten sich 2024 in die Liste der „14×8000“-Besteiger eintragen; unter den sieben Frauen sollen Adriana Brownlee (23) und He Jing ohne Hilfssauerstoff ausgekommen sein – so wie auch Mario Vielmo und Marco Camandona. Die erfolgreichste Deutsche ist mittlerweile Anja Blacha mit zehn Gipfeln, vier davon 2024 gesammelt.

Schlangestehen auf dem Gipfelgrat des Mount Everest
Schlangestehen auf dem Gipfelgrat des Mount Everest, wo der Bergführer Vinayak Malla im Mai
beobachtete, wie mehrere Menschen mit einer abbrechenden Wechte in die Tiefe stürzten. Zwei kamen ums Leben. Foto: V. Malla

Bartek Ziemski fuhr mit Ski vom Kantsch (8586 m) ab, musste aber einige Male unterwegs die Bretter gegen Steigeisen tauschen. Unter den rund 600 Everest- Besteigungen (davon vier ohne Flaschensauerstoff) fällt nur Piotr Krzyzowski auf, der innerhalb von 48 Stunden ohne Flasche Lhotse (8516 m) und Everest (8848 m) bestieg.

Der nepalische Bergführer Kami Rita hat den höchsten Berg der Erde in der Saison 2024 zum 29. und 30. Mal bestiegen, 30 Jahre nach seinem ersten Mal. Sein Fazit: „Wenn es um Berge geht, ist Demut alles.“ Das Kleingeld nicht vergessen: Ab 2025 verlangt Nepal 15.000 Dollar Gipfelgebühr für die Chomolungma, knapp zwei Dollar pro Meter. Dafür muss man am Berg Kotbeutel benutzen, um die geschätzten drei Tonnen Exkremente an der „Mutter des Universums“ nicht zu vermehren.

Einige schnelle Zeiten sind zu vermelden: Phunjo Lama ist mit 14:31 Stunden die schnellste Frau am Everest, leider mit Hilfssauerstoff. Vadim Druelle steigt in Rekordzeit von 15:18 Stunden auf den Nanga Parbat (8125 m), in respektablen 17:17 Stunden auf den Gasherbrum II (8035 m) und in 11:55 Stunden auf den G I (8080 m). Tyler Andrews benötigt auf gebahnter Trasse 9:52 Stunden auf den Manaslu (8163 m).

An der Ama Dablam ist er nach 6:20 Std. zurück im Basislager, die Ex-Biathletin Laura Dahlmeier schafft das in 12:01 Stunden. Doch das Highlight markiert wieder einmal Benjamin Védrines: Elf Stunden minus eine Sekunde braucht er vom vorgeschobenen Basislager (5350 m) auf den K2 (8611 m). Bei einem Versuch zwei Jahre vorher starb er auf 8400 Metern fast an der Höhenkrankheit; andere Teams halfen ihm mit Sauerstoff, lebend runterzukommen.

7. Speed & Co.: Nur die Zeit läuft schneller

Zur Vorbereitung hatte Védrines im Winter in zwei Tagen mit Ski das Serre-Chevalier-Tal umrundet: Mit Start und Ziel Briançon lief er 110 Kilometer und 11.850 Höhenmeter über 16 Gipfel. Dafür verlor er seine Bestzeit (9:18 Std.) für die „Spaghettitour“ von der Monte-Rosa-Hütte über 18 Viertausender zum Klein Matterhorn (30 km, 4400 Hm) an Andy Steindl, der dafür mit 7:45:44 Std. auskam.

Noch länger ist der Kamm von Grindelwald Grund über Eiger und Jungfrau bis Mittaghorn und Fafleralp: 37:05 Stunden brauchten Nicolas Hojac und Adrian Zurbrügg für die 65 Kilo- und 7000 Höhenmeter. Die „Seven Summits“ der sieben Alpenländer verband Michael Strasser in sieben Tagen und 10:56 Stunden: 155 Kilometer und 20.500 Höhenmeter zu Fuß, 1400 Verbindungskilometer per Fahrrad.

Nicolas Hojac und Adrian Zurbrügg auf ihrer großen Berner Traverse zwischen Eiger und Grosshorn
Immer noch kein Feierabend für Nicolas Hojac und Adrian Zurbrügg auf ihrer großen Berner Traverse zwischen Eiger und Grosshorn. Foto: Zurbrügg/Hojac

Etwas anspruchsvoller sind die vier Matterhorngrate; Filip Babic verbindet sie in 7:43:45 Stunden: Furggengrat rauf (1:38 Std.) und Hörnligrat runter (40 Min.), Zmuttgrat rauf (2:18 Std.) und Liongrat runter (37 Min.) – seine Bilanz: „Ich habe sogar meine eigene Vorstellungskraft übertroffen.“ Für den berühmten Salbit-Westgrat (36 SL, VI A0) braucht Yannick Glatthard 1:26:47 Stunden.

Simon Gietl und Dani Arnold tun sich zusammen für drei Dolomitenklassiker in 17:34 Stunden: Einserkofel Weg der Jugend (800 m, 3:38 Std.), Zwölferkofel Via Schranzhofer (700 m, 2:58 Std.) und Große Zinne Comici/Dimai (550 m, 2:54 Std.): 75 Seillängen bis VII, 28 Kilometer und 4700 Höhenmeter. Und Leo Gheza radelt in 5:28 Stunden die 150 Kilometer von Esine nach Arco, wo er am Colodri Opera Buffa (300 m, 7c+) im Rope Solo klettert.

Die 82 Viertausender der Alpen sind ein beliebtes Sammelprojekt. Chrigel Maurer und Peter von Känel vollenden es innerhalb von 51 Tagen, nur zu Fuß, auf Ski oder per Gleitschirm. Und Kilian Jornet macht einen Witz daraus: 19 Tage zu Fuß und per Rad für die 1207 Kilo- und 75.344 Höhenmeter zwischen Piz Bernina und Barre des Écrins, mit durchschnittlich 5:17 Stunden Schlaf am Tag.

„Das härteste Projekt meines Lebens, mental, körperlich und technisch, aber wohl auch das schönste. Jetzt ist es Zeit, ein bisschen auszuruhen.“ Vielleicht auf den schottischen Munros? Anna Wells hat alle 282 Gipfel, die mit mehr als 3000 Fuß (914,4 m) Höhe vergleichsweise überschaubar sind, als vierter Mensch und als erste Frau im Winter bestiegen – in 83 Tagen. Da sollte doch noch was gehen …

Die 150. Ausgabe des Alpenvereinsjahrbuchs im Zeichen des Wandels

Alpenvereinsjahrbuch BERG 2026
Alpenvereinsjahrbuch BERG 2026 (Credit: Alpenverein)

Alpenvereinsjahrbuch BERG 2026

BergWelten: Großvenediger
BergFokus: Wandel
Herausgeber: Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein und Alpenverein Südtirol
Redaktion: Axel Klemmer, Tyrolia-Verlag
256 Seiten, ca. 280 farb. Abb. und ca. 50 sw Abb., 21 x 26 cm, gebunden
Tyrolia-Verlag, Innsbruck – Wien 2025
ISBN 978-3-7022-4320-3
€ 25,–
Erscheinungstermin: 13. September 2025

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