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07. Mrz 2022 - 8 min Lesezeit

Fastest Rescue System: Wie sondiert man mit elektronischer Sonde richtig?

Effizienz im Lawinennotfall ist fundamental. Wir zeigen euch eine schnelle Suchstrategie, die LVS-Gerät und die vollelektronische Lawinensonde (iProbe) kombiniert.

Die Suche mit dem Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) nach ganz verschütteten Personen ist im Ernstfall immer mit einem hohen Stressfaktor behaftet. Gefordert ist ein konsequentes und zügiges Arbeiten unter Zeitdruck – es geht bei der Kameradenrettung um jede Sekunde!

Die zentralen Fragen sind:

  • Wo kann bei der Verschütteten-Suche effektiv Zeit eingespart werden?
  • Wo können Anwender durch moderne Technik bestens unterstützt werden?

Heute zweifelt keiner mehr an der empfohlenen Standard-Notfallausrüstung bestehend aus LVS-Gerät, Lawinensonde und Lawinenschaufel, Erste-Hilfe-Paket und Biwaksack (ggf. aufteilbar in der Gruppe). Darüber hinaus kann ein zusätzlich verwendetes Airbag-System das Risiko einer Ganzverschüttung verringern. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die ideale Kombination von LVS-Gerät und der vollelektronischen Lawinensonde (iProbe).

Viele Winterbergsteiger machen sich am Beginn der Saison mit ihrem LVS-Gerät wieder vertraut. Neue Batterien werden eingelegt, ein Gerätecheck und gegebenenfalls ein Software-Update durchgeführt (bei älteren Modellen außerhalb der vom Hersteller angegebenen Garantie ist eine Überprüfung beim Hersteller im Sommer/Herbst zu empfehlen) und dann startet der gewissenhafte Anwender das erste Training, am besten direkt im Schnee. Oft ist in der Zeit die Schneehöhe noch gering und man begnügt sich mit geringer Verschüttungstiefe. Für das erste Training ist das zwar gut, für eine optimale Vorbereitung braucht es jedoch unterschiedlichste Schneetiefen, wir sprechen da von mindestens einem Meter! Erst ab dieser Tiefe wird klar, ob man die Suchtechnik wirklich beherrscht.

Aus unzähligen Übungen und Trainings (auch mit angehenden Übungsleitern und Bergführern) wissen wir, wie schwer es sein kann, bei einer Verschüttungstiefe von ein bis zwei Metern einen erfolgreichen „Sondentreffer“ zu verzeichnen. Schließlich muss der Anwender ja selbst erfühlen, ob er mit der Sondenspitze auf der verschütteten Person ist. Dabei vergehen oft Minuten! Ein weiterer Punkt in einer ganzheitlichen Ausbildung ist, dass die gesamte Notfallausrüstung bei jeder einzelnen Trainingseinheit immer wieder komplett im Rucksack verstaut wird. Nur so wird der schnelle Zugriff, die rasche Materialbereitstellung automatisiert. Seit dem Jahr 2003 sind leistungsfähige Dreiantennen-LVS im Einsatz. Mit diesen Geräten gelingt es nach kurzer Einführung i.d.R. allen Anwendern, sehr rasch in den Nahbereich der verschütteten Person zu kommen. Während die LVS-Geräte hier bei der Signal- und Grobsuche in den allermeisten Fällen bereits optimal unterstützen, braucht es bei der Fein- und Punktsuche am meisten Training und Hintergrundwissen. Hier passieren auch die meisten Fehler.

1. „Fastest Rescue System“ zur Optimierung der Fein- und Punktsuche

Bei dieser Suchtechnik werden alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft und damit enorm Suchzeit eingespart (bis zu 60 % in der Fein- und Punktsuche). Das System kann von Einzelpersonen sowie perfekt im Zweierteam angewendet werden. Im Jahr 2008 wurde erstmals eine elektronische Sonde (iProbe) vorgestellt und am Markt eingeführt, in den Folgejahren wurde diese laufend verbessert und erfüllt nun eine zentrale Rolle im „Fastest Rescue System“.

2. Hintergrundwissen zur Funktionsweise der elektronischen Sonde

Durch die Verwendung einer vollautomatischen elektronischen Lawinensonde ist es nicht mehr erforderlich, die verschüttete Person direkt mit der Sondenspitze zu treffen!

Näherungsanzeige (Abb. 1)

Abb. 1: Unter der Entfernung von 2 Metern reagiert die iProbe. (Illustration: Georg Sojer)

Sucht man mit der iProbe nach dem Sender einer verschütteten Person, wird die suchende Person optisch und akustisch maximal unterstützt. Befindet sich die Sondenspitze in einem Distanzbereich zwischen 2 und 0,5 Metern zur Sendeantenne, dann reagiert die iProbe

  • optisch durch die Anzeige von zwei blau blinkenden LEDs und
  • akustisch durch gleichmäßige „Piep“-Töne im Intervall des sendenden LVS-Geräts.

Trefferanzeige (Abb. 2)

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Abb. 2: Unter der Entfernung von 0,5 Meter erhält man einen Dauer-Piepton. (Illustration: Georg Sojer)


Befindet sich die Sondenspitze in einem Abstand zwischen ca. 0,5 und 0,3 Metern zur Sendeantenne, reagiert die iProbe

  • optisch durch ein Dauerleuchten der zwei blauen LEDs und
  • akustisch durch einen Dauer-Piepton.

Ab diesem Zeitpunkt herrscht die Gewissheit, dass man dem Verschütteten nahe genug ist, um sofort mit dem Ausgraben beginnen zu können. Das bedeutet eine enorme Zeitersparnis, da ein weiteres Sondieren wegfällt. Die Näherungs- und Trefferanzeige der elektronischen Lawinensonde iProbe ist mit jedem normkonformen LVS-Gerät (EN300718) kompatibel, unabhängig von der Herstellermarke.

3. Effiziente Fein- und Punktsuche

Beim „Fastest Rescue System“ wird nun das vorhandene Hintergrundwissen genützt, überflüssige Vorgänge werden eliminiert und mit der vorhandenen iProbe alle technischen Möglichkeiten zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt. Wir unterscheiden dabei zusätzlich, ob nur eine Person sucht oder ob Unterstützung durch eine zweite Person möglich ist (Suche im Zweierteam).

A) Suche mit einer Person

  1. Grobsuche (Abb. 3)

Ab einer Distanzanzeige von 10 Metern am Display wird die Suchgeschwindigkeit noch einmal deutlich reduziert. Zeigt das Display 4–5 Meter Entfernung an, erfolgt eine genaue Richtungsbestimmung. Der Pfeil zeigt geradeaus, das LVS-Gerät befindet sich noch circa auf Hüfthöhe, der Arm ist beinahe ausgestreckt.

2. Feinsuche (Abb. 4)

Die Feinsuche startet mit der Landung auf die Schneeoberfläche. Das Gerät wird hierbei Richtung Boden zur Schneeoberfläche geführt – wie ein Flugzeug, das bei der Landung mit den Rädern aufsetzt. Die Suchgeschwindigkeit wird immens reduziert. Nun bewegt man sich nicht mehr gehend, sondern auf den Knien vorwärts. Der angezeigte Distanzwert beträgt drei Meter oder weniger. Der Handrücken der Hand, die das LVS-Gerät hält, berührt den Schnee und fungiert sozusagen als Bremse. Die Bewegungsgeschwindigkeit reduziert sich jetzt von 30 Zentimetern pro Sekunde auf 10 Zentimeter pro Sekunde – das ist notwendig, weil nur circa jede Sekunde ein Signal empfangen werden kann.

Feinsuche mit LVS-Gerät
Abb. 4: Feinsuche mit LVS-Gerät(Illustration: Georg Sojer)

Das LVS-Gerät wird entlang der Schneeoberfläche geführt und die geringste Distanzanzeige gesucht. Sobald die Distanzwerte wieder zunehmen, wird die Position des niedrigsten Wertes mit einem nicht leitenden Gegenstand, zum Beispiel einer Mütze oder einem Handschuh, markiert. Zur Sicherheit führt man das LVS-Gerät circa eine Armlänge entlang der Landebahn weiter, um zu sehen, ob der Wert tatsächlich wieder steigt. Ist die Suchgeschwindigkeit in der Hektik zu hoch, kommt es zwangsläufig zu falschen Ergebnissen. Diese haben unmittelbare Auswirkung auf den Sucherfolg. Das ist einer der häufigsten Fehler bei der Suche mit Verschütteten. Beim „Fastest Rescue System“ wird nun jedoch nicht weiter mit dem LVS-Gerät ausgekreuzt wie bei der Verwendung einer klassischen Sonde, sondern das Auskreuzen erfolgt direkt mit der iProbe (Abb. 5).

Der erste Sondenstich erfolgt direkt am markierten Punkt und idealerweise in einem Winkel von 90° zur Schneeoberfläche. Ertönt sofort ein Dauerton und leuchten auch die beiden blauen LEDs am Sondenkopf ohne Unterbrechung, signalisiert dies einen erfolgreichen Fund (Abb. 6). Ergibt der erste Sondenstich am markierten geringsten Distanzwert noch keinen erfolgreichen Treffer, wird die Suche mit der iProbe im rechten Winkel zur Landebahn fortgesetzt.

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Abb. 6: Anstatt mit dem LVS-Gerät weiter auszukreuzen, erfolgt dies direkt mit der iProbe. (Illustrationen: Georg Sojer)

Ausgehend vom ersten Einstichpunkt wird in Abständen von circa 30 und 60 Zentimetern zur Mitte zweimal links eingestochen/sondiert. Ertönt hier noch kein Dauerton, der einen Treffer anzeigt, wird auf derselben Achse und mit denselben Abständen (30 und 60 Zentimeter zur Mitte) zweimal rechts sondiert. Wurde genau gearbeitet, gibt es durch dieses System in 99 Prozent der Fälle einen erfolgreichen Fund. Sollte das nicht der Fall sein, wird ausgehend vom markierten Punkt im Abstand von circa 30 Zentimetern systematisch im Schnecken- oder Koordinatensystem der Sondierbereich mit der iProbe erweitert.

B) Suche im Zweierteam

  1. Grobsuche

Bei einer Distanzanzeige von 10 Metern am Display wird dies lautstark an die zweite suchende Person kommuniziert: „Zehn!“ Diese nimmt nun die iProbe zügig aus dem Rucksack, wirft sie aus, spannt sie und absolviert den Funktionscheck, bei dem die LEDs grün leuchten müssen (Abb. 7). In der Zwischenzeit wurde bei der ersten mit LVS-Gerät suchenden Person die Suchgeschwindigkeit noch einmal deutlich reduziert, das Display zeigt 4–5 Meter Entfernung an. Nun erfolgt eine genaue Richtungsbestimmung („Ausrichtung der Landebahn“). Der Pfeil zeigt geradeaus, ab jetzt werden die Distanzwerte laufend lautstark kommuniziert: 5 … 4 … 3 … Das LVS befindet sich am Beginn noch circa auf Hüfthöhe und wird zur Schneeoberfläche gebracht.

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Abb. 7: Der Zweite holt die Sonde raus und macht den Funktionscheck. (Illustrationen: Georg Sojer)

2. Feinsuche

Die weitere Feinsuche mit dem LVS-Gerät erfolgt wie bereits oben beschrieben. Im Unterschied zur Suche mit einer klassischen Sonde beginnt nun die zweite suchende Person bereits jetzt, also noch während der Feinsuche, entlang der Landebahn mit der iProbe vor der LVS-suchenden Person aktiv zu sondieren. Die eingeschlagene gerade Landebahn ist dabei die Bezugslinie. In einem ca. 80 Zentimeter breiten Korridor wird auf der linken Seite, in der Mitte, auf der rechten Seite, in der Mitte und so weiter sondiert, bis ein dauerhafter Piepton der iProbe den erfolgreichen Fund anzeigt (Abb. 8).

Wurde die korrekte Vorwärtsgeschwindigkeit am LVS-Gerät eingehalten, hat die iProbe in der Regel bereits eine Trefferanzeige, noch bevor der geringste Anzeigewert entlang der Landebahn gefunden wurde. Die Suche im Zweierteam bringt nochmals einen Zeitgewinn und ist für alle, die ihr System in der Lawinenverschüttetensuche optimieren möchten, eine perfekte Methode.

Viel Spaß beim Erproben.

Alle Grafiken aus: Fleischmann, Mersch und Mittermayr: Lawinen – Erkennen, Beurteilen, Vermeiden. 1. Auflage 2021. Bergwelten. Illustrationen: Georg Sojer. Hier findet ihr auch Weiterführende aktuelle Infos zum gesamten Themenkomplex der Lawinenrettung.

Erschienen in der
Ausgabe #117 (Winter 21-22)

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