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Klettern auf dem Mond - die neuesten Technologien im Bergsport vor 30 Jahren
04. Sep 2023 - 5 min Lesezeit

Klettern: Technologien vor 30 Jahren

Vor 30 Jahren wurden großartige Leistungen im Bergsport vollbracht, nicht zuletzt wegen der Technologien, die in dieser Zeit die Outdoor-Industrie eroberten. Gleichzeitig lieferten Athlet*innen Ideen für neue Produkte. Die amtierende Kletter-Weltmeisterin – erste WM 1991 – hieß Susi Good aus der Schweiz, der Meister Francois Legrand aus Frankreich; Lynn Hill kletterte mit der Route „Simon“ im Frankenjura als erste Frau eine Route im Grad 8a onsight. Hans Kammerlander bezwang im August alle Matterhorn-Grate in 24 Stunden und legte dabei ca. 8500 Höhenmeter zurück. Wolfgang Güllich starb im August 1992, damals hatte er bereits mit „Action Directe“ 1991 den 11. Grad geklettert.

Deuter

Nachdem Andi Heckmair auf seinem Rad 1989 sieben Tage, 10 Pässe, 315 Kilometer und 11.000 Höhenmeter geradelt war (was wohl die Erfindung der Transalp sein dürfte), bringt der Augsburger Rucksackhersteller Deuter die ersten expliziten Bike-Rucksäcke auf den Markt: „Bike I“, mit den „Air Stripes“-Rückenpolstern wird eingeführt und später „Bike Air II“. Keiner der damaligen Rucksäcke taugte fürs Radfahren. Integriert waren ein extra Werkzeugfach und eine Kartenfachtasche. Das waren noch analoge Zeiten!

Deuter „Bike I“ (links)
gefolgt von „Bike Air II“.
Deuter „Bike I“ (links) gefolgt von „Bike Air II“.

Petzl

Beim französischen Produzenten Petzl häuften sich die Anfragen nach einem Sicherungsgerät mit zusätzlicher Bremswirkung: Kletterinstruktor*innen suchten nach einem Gerät, um das Unfallrisiko vor allem für Anfänger*innen zu minimieren. Nach einigen Prototypen entstand schließlich das „GriGri“ nach dem Prinzip eines Auto-Sicherheitsgurtes: bei zu schneller Beschleunigung blockiert das Gerät. Ende 1991 wurden die ersten „GriGris“ ausgeliefert.

Vom Prototyp zum fertigen Petzl „GriGri“.
Vom Prototyp zum fertigen Petzl „GriGri“.

Patagonia

1992/93 (je nach Quelle) begann Patagonia Recycling-Polyester aus Plastikflaschen herzustellen. Müll wurde zu Faserpelz – wie man damals zu Fleece sagte – verarbeitet. Den berühmten „Synchilla-Fleece“ aus 100 % Recycling- Polyester gibt es nach wie vor in der Retro-Optik der Patagonia-Kollektion.

Patagonia „Synchilla-Fleecejacke“.
Patagonia „Synchilla-Fleecejacke“.

Mammut

Der Schweizer Konstrukteur Gilbert Perrin investierte viel Zeit und Geld in die Entwicklung eines mechanischen Klemmkeils: 1992 kam der „Mammut-Perrin“ auf dem Markt. Sein Vorteil war die einfache Bedienbarkeit, der „Perrin“ konnte jedoch den Wild Country „Friend“ oder Black Diamond „Camalot“ nicht ersetzen.

Klemmgerät „Mammut-Perrin“.
Klemmgerät „Mammut-Perrin“.

Black Diamond

1989 gegründet, verkaufte Black Diamond seine „Camalots“ bis 1994 noch ohne eingenähte Schlinge und mit einem U-förmigen Stamm aus Stahlkabeln, der bei den großen Größen mit Plastik ummantelt war. SLCD steht für „spring loaded camming device“. Das patentierte Prinzip der doppelten Achse des original „Chouinard Camalots“ blieb ihnen bis 2005 erhalten.

Black Diamond „Camalots“ 0.5 (lila) und 2 (gelb).
Black Diamond „Camalots“ 0.5 (lila) und 2 (gelb).

Boreal

Boreal „Laser“ hieß die neue Waffe der Sportkletterbewegung 1991/1992, die von der spanischen Kletterschuhmarke Boreal hergestellt wurde. Der Schuh hatte eine asymmetrische Form, der Leisten war entlang der Längsachse gebogen. Diese Schuhtechnologie wird heute noch in vielen Kletterschuhen verbaut und ermöglicht präzises, kraftsparendes Stehen auf der Spitze des großen Zehs.

Boreal Kletterschuh „Laser“.
Boreal Kletterschuh „Laser“.

Ocún

Pavel Hendrych, Gründer von Ocún, entwickelte 1992 den ersten Kletterschuh und nannte ihn „Feather“. Er wurde zunächst unter der Marke „Rock Pillars“ verkauft. Ocún entwickelte eine Technik, bei der ein Gummiband unter Spannung um die Ferse gezogen wurde, damit der Schuh eine Vorspannung bekam, was vor allem beim Heelhook nicht den Schuh vom Fuß zog.

Kletterschuh von Rock Pillar.
Kletterschuh von Rock Pillar.

Gore-Tex

„Ach, sie haben keine Pläne, die Antarktis mit dem Hundeschlitten zu durchqueren?“ Diese Anzeige war Teil einer Kampagne aus dem Jahr 1992, die sich an urbane Verbraucher*innen richtete. In den frühen 1990er-Jahren bemühte sich GORE-TEX Fabrics, nicht nur als Hardcore- Ausrüster der Bergsteigerszene zu gelten, sondern auch die Bedürfnisse von Menschen in der Stadt und auf dem flachen Land zu erfüllen.

Werbung Gore-Tex 1992.
Werbung Gore-Tex 1992.

DMM

Der „Mamba“-Karabiner war eines der ersten Produkte, die DMM im Heißschmiedeverfahren herstellte. Beim Heißschmieden kann das Gewicht eines Karabiners reduziert werden, indem das Metall an die Belastungspunkte verlagert wird, wo es für die Aufrechterhaltung der Festigkeit benötigt wird.

Auch experimentierte man zum ersten Mal mit einer CNC-Fräse: die Aussparungen für die Schlinge wurden am Computer 3D modelliert und mit der Maschine ausgefräst. Die eingenähte Mammut- Schlinge der „Mamba“ war revolutionär: Sie verhinderte Querbelastungen der Karabiner, es war eine in sich geschlossene Expressschlinge.

Der Mamba-Karabiner von DMM
Der „Mamba“-Karabiner von DMM

Lowa

Highlights der frühen 90er-Jahre waren die Modelle „Trekker“ (Herren) und „Lady Light“ (Damen), die Begründer der Trekkingkategorie. Lowa verbreiterte damit seine Produktpalette: Von Hochalpinstiefeln bis hin zu weichen, leichten Wanderschuhen für sogenanntes „Strolling“ auf Wald-und Feldwegen war alles verfügbar. Die Sportart „Strolling“ hat sich nicht durchgesetzt, die Trekker waren jedoch Wegbereiter für die heutigen Trekkingmodelle am Markt.

Lowa Wanderschuhe: vom „Trekker“ bis zum „Stroller” war alles zu haben.
Lowa Wanderschuhe: vom „Trekker“ bis zum „Stroller” war alles zu haben.

La Sportiva

Vor 30 Jahren brachte der Sportklettertrend auch einen Effekt für den Alpinismus mit sich: Alpinisten hatten in ihrer Leistungsfähigkeit durch das Training beim Sportklettern einen Sprung nach vorne gemacht. Der Markt verlangte nach Modellen, die beweglicher waren als die Bergschuhe mit Kunststoffschale, vor allem um das Fußgelenk herum. So entstand der La Sportiva „Nepal Top“, mit dem man im hochalpinen Felsgelände klettern konnte, aber auch Steigeisen problemlos nutzen konnte. Und noch ein legendäres Produkt stammt aus dieser Zeit: 1991 wurde der „Mythos“- Kletterschuh mit seinem patentierten Unilace-Schnürsystem vorgestellt, bei dem die Schnürung um die Ferse geführt wird.

La Sportiva Kletterschuh „Mythos“.
La Sportiva Kletterschuh „Mythos“.

Edelrid

Pinker Trendsetter: Mit dem Helm „Durace Lady“ brachte der Allgäuer Bergsportausrüster die knallige Farbvariante des robusten Kletterhelms „Durace“ in Pink auf den Markt, Klettern sollte endlich trendiger werden! Dabei waren damals schon praktische Ausstattungen wie elastische Stirnlampenhalterung und gepolstertes Stirnband integriert

Edelrid „Durace Lady“ aus dem Verkaufsjahr 1992.
Edelrid „Durace Lady“ aus dem Verkaufsjahr 1992.

Hanwag

Der Fokus vor 30 Jahren lag bei Hanwag auf einer neuen Sohlentechnologie für Berg- und Trekkingschuhe, die sie „SuperGrip SAS 13“ tauften. Spezielle Druckelemente, sogenannte Weichtritt- Zonen im Ballen- und Fersenbereich sowie verstärkte Profil-Stollen – waren damals eine echte Neuheit.

Die neuartige Sohlenkonstruktion „SuperGrip“ SAS 13 von Hanwag aus dem Jahr 1992.
Die neuartige Sohlenkonstruktion „SuperGrip“ SAS 13 von Hanwag aus dem Jahr 1992.

Camp

Anfang der 1990er-Jahre hat Camp den legendären, leichten Helm „Rockstar“ vorgestellt, der tatsächlich bis heute in verbesserter Form im Programm ist und auf vielen Bergsteiger-Bildern weltweit in den 90er-Jahren zu sehen war und ist. Der italienische Ausrüster war eine der ersten Bergsportfirmen, die sich 1991 nach ISO 9001 zertifizieren ließ.

Camp „Rockstar“ aus dem Jahr 1994.
Camp „Rockstar“ aus dem Jahr 1994.

Erschienen in der
Ausgabe #121 (Winter 22-23)

bergundsteigen #121 cover