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Recycling & Nachhaltigkeit für Bergsportausrüstung. Foto: Brook Anderson/Unsplash
von Andi Dick
05. Okt 2023 - 18 min Lesezeit

Recycling und Nachhaltigkeit für Bergsportausrüstung (Teil I)

Schaffen wir den Turn-Around? Kreislaufwirtschaft ist eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit. Wenig Müll zu erzeugen und Stoffe durch Recycling wiederzunutzen, spart Ressourcen und Emissionen. Der erste Teil einer dreiteiligen Serie befasst sich damit, was wir selbst als Menschen und als Nutzende von Bergsportausrüstung dazu beitragen können.

Wie kann man Kletterausrüstung – insbesondere Hardware – richtig recyceln? Diese relevante Frage erreichte unsere Redaktion in Form eines Leserbriefes. Gemeinsam mit der Panorama-Redaktion des Deutschen Alpenvereins haben wir den Status Quo zu diesem Thema zusammengefasst: Dieser Beitrag von bergundsteigen-Autor Andi Dick ist damit der erste Teil unserer dreiteiligen Recycling-Serie.

Artikelserie: Recycling und Nachhaltigkeit für Bergsportausrüstung

Teil II: Wie gut sind die Systeme zum Recycling aufgestellt – und wie sieht das insbesondere für Bergsportprodukte aus?

Teil III: Die Hersteller von Bergsportausrüstung haben die Möglichkeit, den Materialkreislauf zu schließen. Allerdings sind sie für ihre Produktion auf (Recycling-)Rohstoffe angewiesen – und müssen letztlich ihre Kunden überzeugen.

Wer könnte das Thema philosophischer einführen als Wolf Haas?

„Wo die Menschen früher über den eigenen Kreislauf gejammert haben, sprich Kreislaufstörung, geht es heute nur mehr um den Müllkreislauf. Da wird ein Recycling und eine Wiederverwertung heruntergebetet, Müllbuddhismus nichts dagegen. Aber reden kann man leicht. Machen muss man es auch richtig! Wenn du schon am Anfang das Zeug in die falsche Wanne schmeißt, alles umsonst“, klärt er in seinem jüngsten Krimi „Müll“.

Kreislaufwirtschaft – vielleicht eine der wichtigsten Aufgaben für die Menschheit, wenn sie ihre Lebensgrundlagen erhalten möchte, neben Energietransformation, Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität (wobei sich alles teils gegenseitig bedingt). 62 Milliarden Tonnen betrugen die „Materialflüsse“ der Weltwirtschaft laut Wikipedia im Jahr 2005, nur 4 Milliarden davon stammten aus recycelten Gütern – es sieht heute auch noch nicht wesentlich besser aus. Übrigens wurden 28 Milliarden Tonnen (45 Prozent) zur Energiegewinnung eingesetzt: fossile Brennstoffe, keine Chance für Recycling – die Transformation muss also umfassend sein; ohne Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle bleibt selbst eine gelingende Recycling-Kreislaufwirtschaft nur eine halbe Sache.

Geradezu bescheiden wirkt im Vergleich die Leserfrage, die den Anstoß zu dieser Beitragsserie gab:

„Mangels besserer Idee, wer dazu Informationen hat, und da ich mir vorstellen kann, dass auch andere Kletter- und Bergsportbegeisterte sich für die Thematik interessieren und es damit ggf. ein Artikel wert wäre: Wie kann ich als Einzelperson, aber auch z. B. als Materialwart einer Sektionsklettergruppe ausgesondertes Material (von Seilen, über Reepschnurstücke bis zur Hardware, ob Karabiner oder Helme und Klettergurte) einem Recyclingprozess zuführen? Eine Entsorgung in der gelben Tonne in Deutschland dürfte ja mangels „Grünem Punkt“ kaum das Richtige sein. Im Bereich Bekleidung hat sich ja sehr viel in den letzten Jahrzehnten getan. Auch bei den Produk- tionsstandards. Bei der Ausrüstung vermisse ich dies aber sehr. Ich weiß, dass es früher in einer meiner Stammkletterhallen zumindest eine „Recycling-Tonne“ für Seile gab, aber auch das ist Geschichte. Das einzige, was ich derzeit finde, ist folgende Initiative: www.newseed.de. Was für die Nordlichter aber auch nur über Versand geht. Die Hardware bleibt da leider vollkommen außen vor. Übersehe ich da was? Gibt es da Entwicklungen? Oder Bestrebungen der Hersteller und/oder der Verbände, da was voranzubringen?“ Steffen Arns

Das Thema bewegt Bergsport-Menschen, die ihre Verantwortung für die gemeinsamen Lebensgrundlagen ernstnehmen und die sich für ihre ausrangierten Sachen eine sinnvollere Ablage als die Restmülltonne wünschen.

Bei der redaktionsinternen Diskussion ergaben sich gleich weitere Fragen und Vermutungen:

Wer braucht die ganzen Fußabstreifer, Armbänder oder Chalkbags, die engagierte Kleinunternehmen aus alten Seilen herstellen?

Warum kann man ein altes Seil nicht einfach waschen, einschmelzen und ein neues draus spinnen? Oder den Klettergurt auseinanderbauen und Metall- und Textilteile getrennt recyceln? Könnten oder sollten Hersteller dafür ein Rücknahmesystem einrichten? Was ist mit Hardware wie Karabinern, Friends, Klettersteigsets? Erzeugt der Nischenmarkt Bergsport-Ausrüstung überhaupt eine relevante Menge Material für ein Rücknahme-Netzwerk?

Mit solchen Gedanken im Kopf machte ich mich an die Recherche, sprach mit etlichen Personen in bekannten Herstellerfirmen (ein kompletter Markt-Überblick war nicht das Ziel) und mit einem Wissenschaftler an der TU Dresden – hörte manches Bekannte und Erwartete, aber auch Überraschendes. Und zuletzt drehte sich die Kreislaufwirtschaft geradezu im Kopf; wo anfangen, wo aufhören?

Ein Zusammenspiel von Hersteller, Verbraucher und System: wie Kreislaufwirtschaft funktionieren kann. Grafik: Andi Dick
Ein Zusammenspiel von Hersteller, Verbraucher und System: wie Kreislaufwirtschaft funktionieren kann. Grafik: Andi Dick

Damit eine Kreislaufwirtschaft funktionieren kann, müssen drei verantwortliche Gruppen gut zusammenspielen: Die Hersteller (blau) können recycelte Rohstoffe nutzen und ihre Produkte nachhaltig, langlebig und recyclingfreundlich erzeugen. Wir Kunden und „Verbraucher“ (grün) können unseren Konsumzwang zügeln, Gegenstände sorgsam behandeln und „Abfälle“ korrekt recyceln – und gesellschaftlich versuchen, Einfluss auf das „System“ zu nehmen. Dieses „System“ (lila) soll den Kreis schließen von der Entsorgung und Rücknahme hin zum optimalen Recycling und Wiederverwendung für neue Produkte.

Der Versuch, die einzelnen Etappen des Produkt-Kreislaufs zu skizzieren, ergab eine Darstellung (Grafik oben), die wie ein Klettertopo zur Orientierung dienen könnte: um Schritt für Schritt zu durchleuchten, welche Optimierungspotenziale es an jedem Punkt des Kreislaufs gibt, wenn Gewohnheiten überarbeitet und Strukturen geschaffen würden. Die Grafik zeigt auch, dass sich drei Gruppen die Verantwortung teilen. Zum einen die Hersteller; dann die Kunden (gerne auch „Verbraucher“ genannt, dabei geht es eben gerade nicht um Verbrauch, sondern um Nutzung im Kreislauf…) – und schließlich das, was man das „System“ nennen könnte: gesetzliche Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Strukturen für Sammlung und Verarbeitung von „Abfall“, Forschung und Entwicklung zu Recycling-Technologien…

Diese drei Gruppen bieten eine natürliche Gliederung unserer Serie – und am Beginn soll stehen: Der Blick in den Spiegel.

Sind wir Teil des Problems oder der Lösung?

Sie ist bekannt und oft wiederholt, die Forderung nach der „Verantwortung der Kunden“, noch häufiger beschworen ist die „Macht der Verbraucher“ – doch wie groß ist sie wirklich? Es sind ja nur kleine Schräubchen, die wir drehen können. Aber wir sind viele…

Besser leben

Mag der Alpinismus noch so wichtig sein für uns; für unseren Lebens-Fußabdruck ist er weniger relevant (ausgenommen die Mobilität bei Viel-Aktiven). Um Produkt-Kreisläufe zu fördern und Abfall zu vermeiden, können wir im Alltag mehr ausrichten als „nur“ im Umgang mit unserer Bergsportausrüstung. Wer weiß, dass Kunststoffe trotz des Gelben Sacks oder ähnlicher Sammelsysteme fürs Recycling eine schwierige Stoffgruppe sind (dazu später mehr), könnte versuchen, sie weniger zu nutzen. Etwa die Möhren im Supermarkt einzeln kaufen (mit mitgebrachtem Gemüsenetz) statt in der folienumwickelten Kunststoffschale. Oder generell bei gleichwertigen Produkten das weniger aufwändig oder in Papier verpackte dem kunststoffverpackten vorziehen.

Mikroplastik entsteht in erster Linie durch den Abrieb von Autoreifen – also gleiten, nicht heftig beschleunigen und bremsen. Und die Wäsche in einem Sack waschen, der Mikroflusen zurückhält. Oder wenig verschwitzte und verschmutzte Klamotten einfach mal an die frische Luft hängen und dann zurück in den Schrank, statt sie in der Waschmaschine durchnudeln zu lassen. Weitere Möglichkeiten für „besseres“ Leben – zu dem vor allem die Reduktion von Emissionen gehört – finden sich mit etwas Fantasie genug.

Bewusst auswählen

Nicht nur die (kunststofffreie) Verpackung kann ein Kriterium sein, welches Produkt wir kaufen wollen – umso weniger, je höher die Ansprüche an die Funktion sind. Bergsportausrüstung ist ziemlich wichtig für Wohlbefinden und Sicherheit, deshalb werden Haltbarkeit, Funktionalität und Tauglichkeit als „Lieblingsteil“ zentral für die Entscheidung. Bei einem T-Shirt mag man noch Umwelt- und Recycling-Überlegungen zum Stoff anstellen (Baumwolle, Wolle, Hanf, Kunststoff oder Recyclat?), ein Bergschuh zum Eisklettern dagegen muss passen und seine Aufgabe zuverlässig erfüllen, egal ob er rein aus Leder gefertigt ist oder aus einem komplex verbundenen Materialmix.

Für Umwelt- und sonstige Nachhaltigkeitskriterien (wie etwa gute Arbeitsbedingungen) findet man allerlei Siegel und Zertifikate an Bergsportausrüstung. Sie sind unterschiedlich bedeutsam; zur Einschätzung hilft die Website siegelklarheit.de.

Kleiner Tipp: „100% recycelt“ ist wertvoller als „100% recycelbar“!

Das recycelte Material hat tatsächlich schon einen vollen Lebenszyklus hinter sich, das recycelbare braucht dazu unsere aktive Mitarbeit (korrekte Entsorgung) und funktionierende Verwertungsketten.

Nutzen statt kaufen

Das „beste“ Produkt auszuwählen heißt nicht unbedingt, dass man es gleich kaufen muss, und auch nicht zwingend neu. „Don’t buy this jacket“ schrieb einst Patagonia auf Werbeanzeigen, die natürlich eine Patagonia-Jacke zeigten; die Botschaft: Überleg Dir, ob Du wirklich eine neue Jacke brauchst – wenn schon, dann natürlich von uns…

Kaufen oder nicht kaufen? Die Werbeanzeige soll zum kritischen Konsum anregen.
„Kauf diese Jacke nicht“, schrieb Patagonia auf seine Werbeanzeigen – und zielte damit auf Kunden, die sich zwar im Konsum zurückhalten wollen, aber auf Nachhaltigkeit achten möchten, wenn sie denn etwas kaufen

„Don’t buy“ fördert freilich kein Wirtschaftswachstum; wer sich allerdings klarmacht, dass es genau dieser Wachstumszwang ist, der uns in die Konsumspirale treibt und den Weltüberlastungstag ständig weiter Richtung Frühjahr treibt, mag motiviert sein, den persönlichen Konsum zurückzufahren.

Schließlich erzeugt der „Konsum“ laut Statistischem Bundesamt (BRD) rund 40 Prozent der durchschnittlichen Treibhausgas-Emissionen pro Person (Faustformel: 1 kg CO2e pro Euro Kaufpreis).

Für „don’t buy“ gibt es verschiedene Ansätze. Zuerst mal kann das Teil, das man durch ein neues ersetzen möchte, vielleicht noch länger genutzt werden (s.u.). Wobei man für PSA („Persönliche Schutzausrüstung“: Seil, Gurt, Karabiner, …) die empfohlenen Austauschzyklen einhalten sollte. Die Jacke dagegen lässt sich vielleicht durch Nachimprägnieren und Flicken noch gut verwenden, auch wenn sie nicht die Farben der Saison hat.

Schön wäre, wenn „lange getragen“ auf Social Media zum Stil-Leitbild würde.

Zweitens entwickelt sich allmählich ein Second-Hand-Markt auch für Bergsportartikel. Auch hier eher für Klamotten als für Hardware und andere PSA. Große Händler wie Bergzeit oder Globetrotter versuchen schon, gebrauchte aber noch taugliche Artikel zur Weiternutzung anzubieten (z.B. reuse.bergzeit.de oder secondhand.globetrotter.de). Noch direkter funktionieren Bergsport-Flohmärkte, wie zum Beispiel die der großen Münchner AV-Sektionen, wo hunderte Privatleute aufeinandertreffen.

Und zum dritten machen einige Sektionen wie auch Fachhändler oder gar Hersteller Verleih-Angebote: Klettersteigset und Gurt oder Tourenski, -schuh und Felle für den Kurs, wenn man nicht sicher ist, ob der Sport zu einem passt. Trekkingrucksäcke, Zelt, Expeditionsschlafsack und ähnliche Spezialartikel für die große Fahrt, die man vielleicht nur einmal in zehn Jahren oder im Leben unternimmt. Wer solchen Service nutzt, profitiert vielfach: Man spart Geld, bekommt trotzdem gute Qualität – und reduziert den Umwelt-Fußabdruck. Und nicht nur bei Autos ist der „Leihkauf“ (Leasing) ein funktionierendes Modell:

Wenn wir den Erdüberlastungstag auf Silvester schieben möchten, müssen wir umdenken. Geld sollte mit Produktservice verdient werden, nicht mit dem Produktverkauf.

Christina Dornack, Professorin für Abfall- und Kreislaufwirtschaft an der TU Dresden

Wie man das auf Seile und Schuhe übertragen könnte, wäre für kreative Köpfe eine spannende Aufgabe. Immerhin berichtet Christoph Driever von Petzl Deutschland, dass Petzl Klettersteigsets und Helme gezielt auf den Verleih designt – freilich für den Einsatz durch Veranstalter und Bergschulen bei Führungen und Events. Bei Second-Hand-Konzepten dagegen sei der Rücklauf enttäuschend. Vielleicht schießen uns hier die Emotionen quer: Woran das Leben hängt, das möchte man in bestmöglicher Qualität besitzen?

Lange und richtig nutzen

Nicht nur bei geliehenem Material ist korrekte und pflegliche Behandlung eine Selbstverständlichkeit: Auch wenn man sich letztlich doch zum Kauf entschlossen hat, schützt man durch sorgsamen Umgang die Investition. Denn statt alle paar Jahre ein neues Teil zahlen zu müssen und mit dem alten den Müllberg zu nähren, könnte man sich zum Ziel setzen, das bedacht ausgewählte Lieblingsteil auch als solches zu ehren durch ein möglichst langes gemeinsames Berg-Leben.

Dazu gehört zuerst die korrekte Verwendung. Also das Bergseil nicht zum Abschleppen verwenden oder neben einer säurehaltigen Batterie lagern – geschenkt. Im rauhen Stemmkamin die dünne Kunststoffjacke ausziehen und den Rucksack hinterherziehen – warum nicht. Den Daunenschlafsack nach Gebrauch lüften und offen im Schrank oder zumindest in geräumigem Seesack aufbewahren. Den geschäumten Helm so verpacken, dass er nicht durch Klemmkeile im Rucksack oder durch Felskontakt vorzeitig leidet. Ein bisschen Respekt und Hausverstand helfen, Schäden durch falschen Gebrauch zu verhindern.

Etwas mehr Engagement braucht die Materialpflege. Doch sie lohnt sich: Ein Lederschuh, der regelmäßig geputzt und mit Lederpflegemittel verwöhnt wird, bleibt weicher und hält länger. Die Funktionsjacke funktioniert länger zuverlässig, wenn sie regelmäßig gewaschen und nachimprägniert wird. Ein Tropfen Öl am Karabiner oder in der Cam-Achse erhöhen die Freude beim Gebrauch. Im Internet verstecken sich jede Menge Pflegeanleitungen, oft von Herstellern oder Händlern bereitgestellt – obwohl sie sich damit ein Ei ins Nest zu legen scheinen. Nun: Es ist eine zeitgemäße Art, Verantwortung zu zeigen. Und es bleiben genug Fälle, in denen das „don’t buy“ nicht beachtet wird.

Reparieren

Auf der Website ifixit.de findet man jede Menge Anleitungen, um Reparaturen selbst auszuführen – wie etwa das Aufbügeln eines Flickens über einen Riss. Foto: ifixit.de
Auf der Website ifixit.de findet man jede Menge Anleitungen, um Reparaturen selbst auszuführen – wie etwa das Aufbügeln eines Flickens über einen Riss. Foto: ifixit.de

Bei regelmäßiger Pflege fallen vielleicht auch kleine Schäden schon frühzeitig auf; ein Riss in der Jacke oder im Rucksack kann leichter repariert werden, solange er noch klein ist. Auch zu typischen Reparaturen von Outdoormaterial gibt es im Netz umfangreiche Anleitungen, teils mit professionellen Videos (z.B. auf ifixit.de). Einen kaputten Reißverschluss auszutauschen, erfordert allerdings schon einiges an Geschick und Handwerkszeug. In örtlichen Repair Cafés findet man Hilfe dazu. Und Firmen, die auf sich halten, bieten Reparatur- und Austauschservices an. Wer also seine Friends mit eingenähter Schlinge nicht nach zehn Jahren wegwerfen oder selbst eine Schlinge einknoten will, könnte beim Kauf darauf achten, welcher Hersteller alte Schlingen ersetzt.

Das ist leider nicht immer sinnvoll: So ist laut Christoph Driever von Petzl Deutschland der Austausch des Bandfalldämpfers bei einem Klettersteigset teurer als ein rabattiertes Neuteil. Aber zumindest bei Textilien lässt sich mit Kleber und Flicken oft die Tauglichkeit erhalten, ohne dass die Funktion in die Knie geht. Flicken sehen blöd aus? Dann lasst uns ein neues Schönheitsideal etablieren und stolz auf allen Kanälen posten, wenn wir die Jacke eben nicht in den Müll gegeben haben, sondern mit buntem Flicken weiterverwenden!

In Frankreich gibt es übrigens mittlerweile Zuschüsse, wenn man Kleidung oder Schuhe reparieren lässt: direkt vom Preis abgezogen, staatlich organisiert, finanziert aus Ökobeiträgen von Textilherstellern, Importeuren und Händlern, die nach dem Verursacherprinzip zahlen müssen.

Doch auch wenn dieses Beispiel nicht Schule macht, könnten wir uns vom philosophischen Ansatz des Psychologen Wolfgang Schmidbauer motivieren lassen, aus dem „right to repair“ eine persönliche Verpflichtung zu machen:

Nur wer seinen Besitz auch selbständig reparieren kann, besitzt ihn wirklich.

Psychologe Wolfgang Schmidbauer

Schließlich spart Reparieren nicht nur Ressourcen, sondern auch Geld – und kann befriedigen. Der Wisch-und-Weg-Automatismus dagegen traumatisiert schon bei der Tinder-Nutzung und ist nicht der respektvollste Umgang mit Menschen oder Material.

Ein zweites Leben spenden

Im Zweifelsfall müssen wir das reparierte oder angejahrte Teil nicht einmal selber benutzen, sondern finden jemanden, der sich darüber freut. Ob auf dem Sektions-Flohmarkt, über Ebay (Vaude hat dort eine eigene Abteilung) oder bei Händler-Secondhand-Plattformen. Als direktes Geschenk an Freunde oder Sektionsgruppen für Menschen mit weniger Geld (Jugendliche, Migranten…). Über die Weiterverwertungs-Garage im Wertstoffhof. Im Container von Fairwertung oder per Paket (fairwertung.de). Oder durch die Kleiderkammer des Roten Kreuzes (direkt abgeben, nicht in die Sammelcontainer – daraus werden meist nur Lumpen). Auch hier ist die mögliche Nutzungsdauer bei Kleidung länger als bei PSA – „einem geschenkten Seil traut man nicht, wenn’s steil“ – und die Stirnlampe hat vielleicht keine zeitgemäße Lichtleistung mehr. Aber Karabiner und Sicherungsgerät können auch nach zwanzig Nutzungsjahren noch brauchbar sein, wenn man sie zusammen mit dem Klettersport an den Nagel hängen möchte.

Korrekt entsorgen – gar nicht so einfach?

Nun wird’s endlich recycling-relevant und wir nähern uns der Leserfrage von Steffen Arns. Wobei wir uns bewusst sein sollten: Eine gute, möglichst sortenrein recycelnde Entsorgung all unserer „Abfälle“ ist der allerletzte Schritt, bei dem wir persönlich Verantwortung zeigen können. Zugespitzt: Abfall ist ein Fehler – über 630 kg pro Person und Jahr waren es 2021 in Deutschland. Sehr viel Entscheidendes können wir vorher tun, siehe oben.

Denn gute Entsorgung und Recycling sind gar nicht so einfach – wie’s scheint. Man könnte schließlich den Glauben an die Selbstrettungsfähigkeit der Menschheit verlieren beim Blick in Recyclingcontainer (ähnlich wie in eine Autobahntoilette): Da liegen braune Flaschen im Weißglascontainer, mit allerlei Zeug gefüllte Plastiktüten im Papiercontainer, Restmülltüten stehen nebendran: Mangelt es am Willen oder am Wissen um richtige Trennung?

Recycling in Italien. Foto: Andi Dick
Vorurteile unberechtigt: Auch in Italien sollte man keine recyclierbaren „Abfälle“ in die Restmüll-Tonne werfen, sondern in den Recycling-Container – es sind „Wertstoffe“! Foto: Andi Dick

Haushaltsabfälle korrekt zu trennen, ist ja eigentlich nicht so schwer: Papier/Pappe und Metalle sind leicht zu erkennen, Glasfarben halbwegs (im Zweifeln: bei „grün“ einwerfen), bleiben Kunststoffe… – die kommen in Deutschland in den Gelben Sack (wenn es Verpackungen sind) oder werden bei bestimmten Produkten (z.B. Elektrogeräte) separat erfasst; die übrigen wandern in den Restabfall.

Die Systeme für die separate Erfassung funktionieren „eigentlich“ ziemlich gut, sagt Dr. Roman Maletz vom Institut für Abfallmanagement und Kreislaufwirtschaft an der TU Dresden. Für getrennt erfasstes Glas und Papier rollen die Kreisläufe, die Gelbe-Sack-Verarbeiter können auch die Metalle gut separieren und weiternutzen, auch hier bleiben die Kunststoffe als Problem: Hunderte verschiedene Sorten werden verwendet, selbst für Experten nicht immer leicht zu unterscheiden und trotz teilweiser Kennzeichnungspflicht maschinell schwierig zu separieren. Und oft sind sie untrennbar verbunden, etwa die mehrlagige Käseverpackung oder die Buttermilchflasche aus Polystyrol mit einer PET-Umhüllung, auf der die Produktangaben gedruckt sind – hier versagt die automatische Erkennung, die Flasche kommt in die Müllverbrennung statt in den Kreislauf. Sortenreine Kunststoff-Erfassung funktioniert praktisch nur über das Pfandsystem für PET-Flaschen – ein Erfolgsmodell, das weitere Ideen triggern sollte.

Das Problem beginnt aber früher: wieder bei uns.

30-40 Prozent des Materials im Gelben Sack sind „Fehlwürfe“, die nicht recycelt werden können.

Dr. Roman Maletz

Und weitere 30 Prozent Verpackungsabfälle, die recyclingfähig wären, landen im Restmüll statt im Sammelsystem. Was also können wir tun, wenn wir nicht zu denen gehören wollen, die die Kunststoffschale vom Asia-Imbiss samt Papiertüte, Essensresten und Plastikbesteck in den Müll werfen?

Restmüll reduzieren

Abfallvermeidung braucht ein gewisses Engagement – und Platz. Denn idealerweise trennt man schon im Haushalt, je nach den Möglichkeiten, die in der Gemeinde bestehen: Papier und Glas für die Container, organisches Material für die Biotonne, verwertbare Reststoffe in den Gelben Sack – und nur das in den Restmüll, was nirgends anders passt. Die Wertstoffe sollte man zumindest so grob spülen, dass keine Reste mehr anhaften. Und: Verrottbare Biomülltüten verrotten zwar, aber langsamer als Bioabfall, so dass die Kompostieranlagen Probleme bekommen. Also lieber ausleeren und in den Restmüll, wo sie wenigstens als Brennstoff taugen.

Dass man die Müllmenge generell gering halten kann, indem man unverpackt einkauft und nur soviel, wie man wirklich braucht, ist ja eh klar – oder?

Stoffe trennen

Wer bedenkt, dass Verbundstoffe den Recyclingmaschinen Probleme bereiten, kann ihnen helfen. Manchmal ist es leicht, Verbundenes zu trennen: Die Pappumhüllung des Joghurtbechers hat einen Aufreißer, die dünne Kunststoffauflage der Wurst- oder Fischverpackung lässt sich relativ einfach vom Trägerpapier abziehen. Die Alureste vom abgerissenen Joghurtdeckel vom Kunststoffbecher abzupulen braucht schon ein bisschen mehr Engagement.

Tipp: Schau nicht darauf, wie andere ihr Zeug wegschmeißen, sondern mach dein Ding so, wie es gut ist und dir gut tut – auch wenn du nicht die Welt retten wirst.

Produkte auftrennen?

Kommen wir wieder zur Anfangsfrage zurück und zu dem kleinen Teil unseres Abfalls, den ausgemusterte Bergsportausrüstung ausmacht. Da haben wir es leider sehr selten mit sortenreinen Stoffen zu tun. Ausnahme sind Seile – doch das Polyamid-Recycling ist nicht so einfach, wie man es wünschen würde; dazu mehr im zweiten Teil der Serie.

Nicht einmal Bekleidung ist banal: Selbst wenn man Knöpfe und Reißverschlüsse raustrennt, bestehen die Stoffe oft aus unterschiedlichen Materialien, etwa mit Elasthan-Anteil für mehr Stretch. Auch wenn man beim Klettergurt die Schnallen raustrennt und als „intelligenten Fehlwurf“ (Maletz) dem Gelben Sack anvertraut (Metall kann ja recycelt werden), ist nicht unbedingt klar, wie Träger- und Polsterstoff recycelt werden können.

Es kommt allmählich Bewegung in die Ausrüsterszene. So wird eine gute, stoffgetrennte Recyclierbarkeit zunehmend ein Kriterium im Produktdesign – allerdings muss ein Rucksack zuerst einmal robust und haltbar sein und nicht leicht in Einzelteile zerlegbar. Manche Firmen versuchen, Produkt-Rücknahmesysteme einzurichten und beispielsweise die Schalen von Skischuhen aufzuarbeiten – man wünscht ihnen mehr Rücklauf-Erfolg als bisherigen Projekten.

Wir als Nutzer von Bergsportausrüstung (und generell als „Verbraucher“ und Abfallerzeuger) brauchen dreierlei: Den Willen, unsere Abfallmenge gering zu halten und sie möglichst vollständig in Kreisläufe einzuspeisen. Das Wissen, wie wir das sinnvoll tun können. Und die Möglichkeit dazu, also die richtigen Eimer, in die wir das Zeug tun können. Diesen letzten Punkt können wir leider nur indirekt beeinflussen, als Wähler und vielleicht mit der „Macht der Verbraucher“ – gefordert sind hier die Akteure im „System“ und auch die Hersteller. Mit diesen befassen sich die nächsten Beiträge.