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Jorg Verhoeven im „Cyclops Eye“ in der Route „El Niño“ am El Capitan.
25. Okt 2023 - 21 min Lesezeit

How to Bigwall (3/3): How to Aid climb!?

In den ersten beiden Teilen dieser Artikelserie zum Bigwall-Klettern haben wir uns mit Schwierigkeitsgraden, Logistik und Systemen zum Raufziehen des Haulbags befasst. Im letzten Teil wollen wir uns über die spezifische Bigwall-Ausrüstung sowie die Klettertechnik unterhalten, die es braucht, um sich an selbst platzierten Sicherungen mit Steigleitern hochzuarbeiten. Die Fertigkeiten im technischen Klettern sind entscheidend, um in großen Wänden Zeit zu sparen und Risiken zu minimieren.

Hier geht’s zum Teil 1 und Teil 2 der Bigwall-Serie.

Schon die Schwierigkeitsgrade, die beim technischen Klettern zum Einsatz kommen, geben einen Hinweis darauf, dass das technische Klettern eine weniger ‚feingliedrige‘ Angelegenheit ist als das Freiklettern. Wie bereits im ersten Teil (Ausgabe #119) genauer beschrieben, gibt es verschiedene Skalen, die verwendet werden, um eine Bigwall-Route zu beschreiben. Die wichtigste und gebräuchlichste ist die A-Skala, die von A0 bis A5 geht und auch über zahlreiche Abstufungen (+/-) verfügt.

Die Schwierigkeiten einer Seillänge werden typischerweise mit jeder Begehung geringer: die Placements werden größer und Gebrauchsspuren weisen den Weg. Die fragilsten Placements gehen kaputt und es kommen Bohrhaken und Bat Hooks (Bohrloch zum Hooken) hinzu. Ein weiterer wichtiger Hinweis findet sich im Jahr der Erstbegehung: Eine A4- oder A5-Länge aus den 1970er-Jahren entspricht oft einer A2 oder A3 Seillänge aus den 1990er-Jahren – man bezeichnet die neuen Bewertungen auch als „new wave“.

Die abgeschwächte Bewertung ist vor allem dem besseren Material geschuldet. Nicht immer ist klar, wie ‚new wave‘ eine Bewertung ist, aber ein Blick auf das empfohlene Rack (Ausrüstung) gibt meistens Aufschluss darüber, welche Schwierigkeiten zu erwarten sind. Wenn man mit 25 kleinen Haken und Copperheads anrücken muss, erwartet einen wohl etwas anderes, als wenn man hauptsächlich Camalots braucht. Im Endeffekt geben die Bewertungen sehr oft nur einen groben Anhaltspunkt.

„South Seas“ (A3+), El Capitan.
„South Seas“ (A3+), El Capitan. Foto: Christopher Edmands

Das richtige Setup zum technischen Klettern

Bevor wir uns dem technischen Klettern widmen, werfen wir einen Blick auf das klassische Bigwall-Setup. Dafür benötigen wir Folgendes:

  • 2 Steigleitern mit starrem Bügel(!) + Keylock Schnappkarabiner. Jede Steigleiter ist mit dem Anseilring am Gurt via Daisychain verbunden. Dabei sollte die Daisy NICHT über den Schnapper laufen, wenn man sich nach oben bewegt, sonst hängt sie sich aus (mit STRING-Gummi von Petzl bleibt die Daisy in der richtigen Position, siehe Abb. 1 und 2). Ein wichtiger Hinweis, der allgemein bekannt sein dürfte, ist, dass immer nur eine Öse der Daisychain in den Karabiner eingehängt werden darf. Werden zwei Daisy-Ösen eingehängt, so „schließt man die Daisy kurz“ und hängt lediglich an der Zwischennaht, die verhältnismäßig wenig aushält.
  • Halbwegs feste Schuhe (Zustiegsschuhe), Knieschoner (bevorzugt weiche, die nicht rutschen) und je nach Belieben ein Paar abgeschnittene Arbeitshandschuhe aus Leder oder Klettersteighandschuhe.
  • Fifi-Hook, der direkt in den Anseilring mittels Ankerstich geknüpft wird, um im steilen Gelände den Körper schnell zu entlasten.
  • Ausreichend Expressschlingen zum Bewältigen der Seillänge. Mit diesem Setup können technische A0-Längen (Fortbewegen an Bohrhaken) bereits gut gemeistert werden – ausreichend Übung vorausgesetzt! An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass dieses Setup individuell verfeinert werden kann. Sogenannte „adjustable Daisys“ werden häufig an Stelle der klassischen Daisychain verwendet. Sie ermöglichen ein schnelles Variieren der Länge und man braucht dann auch keinen Fifi-Hook.

Das kleine 1×1 des technischen Kletterns

Man kann das technische Klettern grob in drei Aspekte aufteilen, die relativ unabhängig voneinander sind und die auch nicht alle gleichzeitig beherrscht werden müssen:

  • Wie man sich an den Sicherungen emporbewegt. Der Umgang mit den Steigleitern, die Verwendung eines Fifi- Hooks und von Daisy Chains, die Fähigkeiten beim Hoch-in-der-Leiter-Stehen.
  • Wie viel Angst man hat, und infolge dessen, wie man angebrachte Sicherungen ‚testet‘, bevor man sich ihnen anvertraut.
  • Welche Fertigkeiten man beim Anbringen der Sicherungen mitbringt.

Bevor man sich an den Fels wagt, sollte man unbedingt erstmal in die nächste Kletterhalle gehen und im „A0-Gelände“ üben. In anderen Worten: die Grundtechnik perfektionieren. Wem das mit Knieschonern und Leitern in einer Halle (verständlicherweise) zu peinlich ist: Ein Klettergarten mit (sehr) engen Hakenabständen bei Schlechtwetter tut es auch. Die wenigsten Menschen, die man beim technischen Klettern sieht, haben die elementaren Abläufe gut drauf, weil sie sie nie isoliert geübt haben.

Aus diesem Grund haben sie sich das Zaudern und Zögern angewöhnt, das zwangsläufig passiert, wenn man Zweifel hegt, ob die Sicherung hält, oder nicht weiß, wo die nächste Sicherung untergebracht werden kann. Es ist extrem wichtig, die Abläufe des technischen Kletterns zu automatisieren, bevor man sich mit dem Legen mobiler Sicherungen auseinandersetzt, und am besten geht das an Bohrhaken!

Und so geht’s

  1. Expressschlinge in den ersten Bohrhaken hängen.
  2. Steigleiter in den oberen Karabiner der Exe hängen, die Exe mit der Hand ergreifen und …
  3. In die Steigleiter steigen und bis ganz nach oben „klettern“. Hier wird einem sofort auffallen, warum die Knieschoner nützlich sind!
  4. Seil in die Exe hängen.
  5. Expressschlinge in den zweiten Bohrhaken hängen.
  6. Andere Steigleiter in den oberen Karabiner der Exe hängen, die Exe mit der Hand ergreifen und …
  7. In die Steigleiter steigen. Sobald die andere Steigleiter entlastet ist, hängen wir sie aus und an den Gurt und klettern in der zweiten Steigleiter wieder bis ganz nach oben.
  8. Weiter wie 4.

Drei Dinge gilt es hierbei zu beachten.

Erstens und am wichtigsten: Das Seil wird zu keinem Zeitpunkt belastet!

Zweitens gibt es keinen Schritt, bei dem der Fifi-Hook zum Einsatz kommen muss. Man sollte ihn nur verwenden, wenn absolut notwendig. Wer sich daran gewöhnt, erstmal im Fifi zu sitzen, verliert immens viel Zeit. Im steilen Gelände hilft der Fifi hingegen, höher zu steigen. Eine gute Faustregel ist, immer erst den Fifi in den oberen Karabiner der Exe zu hängen, da man sonst den Karabiner der Exe nicht loslassen könnte.

Drittens und letztens werden beim Üben der Abläufe nicht die Placements getestet (es sind im Übungsfall ja sowieso solide Bohrhaken) und es wird nicht lange geschaut, wie es weitergeht. Man steigt sofort in die Leiter so hoch, wie man kann, ohne zu zögern oder in der Gegend rumzuschauen. Es geht einfach nur darum, eine Seillänge so schnell es geht, ohne unnötiges Schaukeln und Ruckeln an den Bohrhaken hinter sich zu bringen.

Wenn man die ganze Seillänge über gut organisiert bleibt, also verhindert, dass sich am Gurt große Unordnung breitmacht oder sich die Daisys, Leitern und das Seil heillos verknoten und man alle drei Meter den Salat organisieren muss, geht das ruckzuck. Wer hier Routine hat und sich diesen sauberen „Schnelldurchlauf“ angewöhnt, der bringt das nötige Handwerkszeug mit, um anspruchsvollere Längen zu klettern.

Je anspruchsvoller eine technische Länge ist, desto länger dauert es auch, da mit dem Platzieren und Testen von Sicherungen einfach viel Zeit verloren geht. Eine technische Länge, die aus 50 Sicherungen besteht, kann in 20 Minuten erledigt sein oder einen ganzen Tag beanspruchen. Schritte 1–8 sind dabei immer zu erledigen. Wer bei jedem dieser Schritte zehn Sekunden verschenkt, packt schon eine Stunde auf die Begehungszeit. Es ist immer wieder zu beobachten, dass ein schneller Kletterer für eine Seillänge nur den Bruchteil der Zeit braucht, die ein langsamer benötigt (z. B. 30 min versus 2 h für eine A2-Länge in einer klassischen Tour).

„Native Son“ (A4), El Capitan, Yosemite.
„Native Son“ (A4), El Capitan. Foto: Tom Evans

Erste Gehversuche in richtigen Technorouten

Wer die grundlegende Technik beherrscht, also eine kurze Route im Klettergarten ohne größere Probleme schnell bewältigen kann, der sucht sich danach eine Seillänge, in der selbst Sicherungen angebracht werden können. Am besten, man sucht sich einen Riss, in dem man sich an Friends gut hocharbeiten kann. Die Fortbewegung sollte ausschließlich an den mobilen Sicherungen erfolgen. Die Bewegungsabfolge ist gleich wie in der Halle, also ohne Fifi-Hook und ohne die Sicherungen zu testen.

Das alles setzt natürlich voraus, dass man seinen Sicherungen vertraut. Wer mit mobilen Sicherungen wenig Erfahrung hat, wird also erstmal viel testen, Theorie und Zeitdruck hin oder her (siehe bergundsteigen #116, Klemmkeile, Camalots und Co.). Vor allem im Granit ist das Unterbringen der Sicherungen jedoch oft sehr einfach und die Lernkurve dementsprechend steil. Man beachte nur, sich das Testen und Rumsitzen in Sicherungen nicht anzugewöhnen!

Und man testet doch!

Das Testen von Sicherungen macht Sinn, wenn sich mit dem Versagen ernsthafte Folgen ergeben, wie eine Verletzung oder der Ausbruch einer notwendigen fixen Sicherung, die man nicht ersetzen kann. Zweifel, ob die nächste Sicherung hält, frisst nicht nur Zeit, sondern macht auch müde. Vor allem, wenn man danach lange in einer zweifelhaften Sicherung steht.

Irgendwann kommt der Moment, in dem man feststellt, dass manche Sicherungen mysteriöserweise erst nach einer Weile ausbrechen, ohne wahrnehmbare Änderung der Krafteinwirkung. Hier liest und hört man regelmäßig vom sogenannten ‚Bouncetesten‘. Das geht so, dass der Kletterer in der nächsten Sicherung mit einem Fuß rum-‚bounced‘ (= springt, eher drücken als springen), um Kräfte zu generieren, die höher sind als das eigene Körpergewicht, während man mit dem anderen Fuß in der anderen Steigleiter steht. In leichteren und sicheren Längen ist das vollkommen unnötig und kontraproduktiv.

In schwereren Längen ist es oft nicht möglich, weil diese gerade deshalb schwer sind, weil manche Sicherungen äußerst delikat sind. Es gibt Situationen, in denen Bouncetesten aber Sinn macht: nicht delikate Sicherungen in schweren Längen. Bei zweifelhaften Sicherungen in schweren Längen lohnt sich ein angesetzter Klimmzug an der schon eingehängten Steigleiter, während man sehr eng gesichert wird. Bevor man sich an schwere Längen wagt, sollte man sich beim Testen wohlfühlen!

Und die Methoden, die einem persönlich am besten passen, bereits gefunden haben. Ab A3 ist die eine oder andere Form des Testens also notwendig, darunter sollte man es nur sporadisch gebrauchen. Es kommt vor, dass man in eine Situation gerät, in der man ausgiebig testet und Zeit verliert, weil man schlechte fixe Sicherungen geklippt hat (z. B. Copperheads), die man selber nicht angebracht hat. Zum Beispiel hat man einen guten Camalot gelegt, dann kommen in gutem Sturzgelände fünf sehr miese Copperheads und dann wieder ein guter Riss.

Dann ist es am besten, man hängt die Copperheads gar nicht erst als Sicherung ein und testet sie auch nicht groß, sondern nützt sie nur rasch zur Fortbewegung. Damit minimiert man die Chance, einen Copperhead herauszureißen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit auch höher, dass – wenn einer ausbricht – nicht gleich alle im Reißverschlussprinzip versagen.

Tipp! Beim Testen nicht nach oben schauen, sonst haut es einem die ausbrechende Sicherung ins Gesicht. Im besten Fall bricht die Brille, im schlechtesten Fall die Zähne …

Weitere Technik-Tipps

Ein weiterer häufiger Fehler ist das zu frühe Abbrechen der Aufwärtsbewegung in der Steigleiter. Man sollte fast immer, ohne zu schauen, mindestens zur vorletzten Sprosse im steilen Gelände bzw. zur letzten Sprosse im plattigen Gelände steigen. Dann erst wird überlegt, wo das nächste Placement sein wird. Das klingt banal, ist aber letztendlich die entscheidende Fähigkeit beim technischen Klettern. In Klassikern ist das nächste Placement oft viel niedriger und man kann mit „gut höher steigen“ die Zahl der Placements stark reduzieren.

Nach dem Motto „mehr Placements = mehr Sicherheit“ neigt man oft schnell dazu, jedes auszunutzen, vor allem, wenn man das Bis-in-die-letzte-Sprosse-Steigen nicht automatisiert hat. Das hat zwei große Nachteile: Erstens ist vor allem in moderatem Gelände nicht die Anzahl der gelegten Sicherungen wichtig, sondern, dass alle paar Meter etwas gelegt ist, was wirklich passt und einen Sturz hält.

Wenn einem gegen Ende der Seillänge das Material fehlt, kann man leicht in eine vermeidbare gefährliche Situation kommen, weil man z. B. in einem sehr parallelen Riss plötzlich mit Klemmkeilen hantieren muss, weil einem die Friends ausgegangen sind. Zweitens frisst jedes Placement Zeit, leicht auch mehrere Minuten. Wer auf 50 Metern nicht 50, sondern 35 Sicherungen legt, ist vermutlich fast doppelt so schnell und oft genauso sicher oben.

Bei der Erstbegehung von „The Door“ am Belly Tower, Baffin Island.
Bei der Erstbegehung von „The Door“ am Belly Tower, Baffin Island. Foto: Hansjörg Auer

Man kann es damit natürlich auch übertreiben. Wer ganz oben in der Leiter steht und dann ganz ausgestreckt eine Sicherung legen muss, ist meist in einer recht anstrengenden Position und hat schlechte Sicht auf das Placement. Dadurch können Fehler passieren, die Zeit kosten. Man legt zum Beispiel die Sicherung, steigt rein – sie hält erstmal – und sieht dann erst, dass zwei Klemmbacken komplett offen sind und die anderen zwei im Moos stecken. Wenn man gut gesichert und frisch ist, ignoriert man das, steigt so weit es geht nach oben und hofft, die nächste Sicherung unterzubringen, bevor das Moos den Geist aufgibt.

Wenn man nicht gut gesichert oder ängstlich und müde ist, steigt man eher erstmal nicht weiter, sondern probiert – vielleicht sogar unter dem schlechten Placement! – ein besseres zu finden. Unterm aktuellen Placement rumzuwursteln ist in etwa so, wie wenn man mit kurzen Hosen wandern geht und dann die Wollsocken doch bis über die Knie nach oben zu ziehen versucht.

Als finaler Techniktipp sei noch erwähnt, dass man auf das Freiklettern nicht ganz vergisst. Nicht im Sinne, dass man, sobald man einen Zug freiklettern kann, aus den Leitern steigt, sondern dass man sich mit Händen und Füßen auch am Fels halten darf, um leichter in der Steigleiter nach oben zu kommen oder stabiler drinzustehen.

Material World

Wie eingangs erwähnt, ist die Gear List ein guter Hinweis auf die Schwierigkeiten einer Tour. Anders als beim klassischen Alpinklettern in den Alpen sollte die Materialempfehlung bei einer technischen Bigwall-Tour sehr genau und gewissenhaft studiert werden. Schauen wir uns die einzelnen Material- gegenstände sowie deren Verwendung genau an:

Ein Standard-A4-Rack im Yosemite könnte in etwa so aussehen:

1) Expressschlingen: Möglichst leichte Ausführungen. Für jeden Copperhead, Stopper, Haken und Rivet braucht man eine Expressschlinge. 25–30 Stück sind durchaus nicht übertrieben. 2–3 Expressen sollten mit Bandfalldämpfer (Screamer) ausgestattet sein.

2) Rivet Hanger: Rivets sind Bohrhaken ohne Lasche, meist einfache Schrauben, die in ein Bohrloch von kleinerem Durchmesser (6–8 mm) geschlagen werden. Die Rivet Hanger werden über den Schraubenkopf gelegt, ziehen sich zu und dienen so als Laschenersatz.

3) Camelots und Friends: Camelots und Friends in allen notwendigen Größen: „Totem Cams“ sind in Pin Scars (Haken-Schlaglöcher) den anderen Modellen überlegen, weil sie bei asymmetrischen Placements besser halten. Wer genug Offset Cams hat, hat aber eh wenig Sorgen (siehe unten).

4) Offset Camelots: Offset Camelots kombinieren zwei Größen (z. B. ein Backenpaar 0.3, das andere 0.2 oder 0.4) und passen so viel besser in nicht parallele Risse. Je mehr man davon hat, desto besser. Nachteil der Offset Cams ist, dass sie sehr teuer sind.

5) Offset Stopper: Offset Stopper sind asymmetrische Klemmkeile und eine gute Ergänzung zu den Offset Cams, auch in monetärer Hinsicht.

6) Klassische Klemmkeile: Klassische Klemmkeile sind gegenüber der Offset-Variante bei technischen Granit-Touren meist im Nachteil, weshalb man auf sie gänzlich verzichtet oder nur einen kleinen Satz mitnimmt.

7) Cam Hooks: Spezialhaken, die man quer in dünne Risse legt und die auf Belastung nach unten verklemmen. Dienen nur zur Fortbewegung.

8) Hammer: Ein solider Holzhammer mit Karabinerloch in der Nase. Am Stielende sollte eine Reepschnur oder einfaches Schlingenmaterial befestigt werden, das man dann wiederum an eine 60er-Bandschlinge knotet, die man um die Schulter hängt. Am Gurt wird der Hammer mittels Holster vestaut.

9) Bird Peaks/Beaks (Pecker, Tomahawks): Sehr einfach anzubringende Haken, die manchmal sogar mit der Hand gelegt werden können und somit den Fels schonen. Gibt es in den USA von Moses auch in gebogenen Varianten für Verschneidungen (https://mosesclimbing.us/home/tomahawks/).

10) Hakensortiment: Je härter der Fels, desto härter der Haken! Im harten Granit des Valleys verwenden wir nur Hartstahlhaken. Eine gute Auswahl folgender Varianten ist für technische Routen sinnvoll:

  • Knifeblades/Messerhaken: Heute werden meist Beaks anstelle von Messerhaken verwendet – für sehr dünne Risse.
  • Lost Arrows: Sie bieten in Rissen, die für Beaks zu breit sind, oft gute Placements.
  • Angles: Profilhaken/Spreizhaken, die vor allem bei nach außen größer werdenden Rissen sehr sinnvoll sind. Oft funktionieren auch Offset Cams oder Nuts.
  • Sawed Angles: Abgesägte Spreizhaken, gut für Löcher und Pin Scars. Sie sind ebenfalls häufig durch Offset Cams oder Nuts ersetzbar.
  • Z-tons: Z-förmige Angles, im Granit nicht so üblich, nur in sehr großen Pin Scars brauchbar. Rurps (Realized Ultimate Reality Piton): Werden nur noch selten verwendet. Kleine Beaks funktionieren fast immer besser.

11) Hooks: Zum Einhängen an horizontalen Leisten. Ideal sind zwei in jeder Größe und ein Dreizack für Bohrlöcher („bathooks“).

12) Copperheads: Aluminium in großen Größen und Kupfer in kleinen Größen. Das weiche Metall wird in seichte Risse und Strukturen geschlagen.

13) Meißel: Braucht man für die kleineren Copperheads, evtl. auch Bürste zum Reinigen von kleinen Rissen.

14) Funkness Device: Damit die Haken beim Herausschlagen nicht herunterfallen. Ein Ende hängt man in den Hammer, das andere in den Haken, den man aushämmern möchte.

15) Bolt Kit: Vor allem ein Handbohrer gehört bei wenig begangenen Routen ins Gepäck. Schuppen und Blöcke brechen immer wieder aus. Wenn dahinter kein Riss ist und man sich nicht mittels Zeltstange einen Rivet oder Head angeln kann, kann es sein, dass man ohne Bohrer nicht weiterkommt. Bohrhaken oder Rivets braucht man seltener, da man die geschlagenen Löcher hooken kann. 2–3 Stück Spreizanker (8 mm ohne Lasche) und einen Schraubenschlüssel mitzunehmen ist kein Fehler.

16) Gearsling: Das ganze Material muss natürlich auch verstaut werden. Eine große doppelte Gearsling für den Vorsteiger und eine einfache für eine schnellere Übergabe am Stand für den Nachsteiger.

Materialkunde Bigwall Klettern.
Technisches Klettern braucht enorm viel Material.

Auswahl der Ausrüstung

Technisches Klettern ist eine Materialschlacht, weshalb man sich bei der Auswahl der Ausrüstung Zeit lassen und die zahlreichen Online-Reviews ausführlich studieren sollte.

Marken, von denen man gehört haben sollte und die erstklassiges Material herstellen:

Andere renommierte Kletterfirmen wie Metolius, Petzl, Edelrid oder Cassin haben ebenfalls eine gut sortierte Auswahl an Bigwall Gear. Petzl und Edelrid können vor allem mit ihrem Know-how aus der Arbeitssicherheit punkten und bieten erstklassige Jumars, Seilrollen und Klemmen an.

Gurt-Management

Ernsthafte Bigwall-Aspiranten merken schnell, dass man um einen bequemen Bigwall-Gurt und eine doppelte Gearsling nicht herumkommt. Bei der Organisation des Materials am Gurt ist es empfehlenswert, größere Gegenstände hinten und kleinere, leichtere Dinge vorne an der Gearsling zu befestigen. Kleine, eher schwere Dinge werden am besten am Hüftgurt fixiert.

Weiters ist es sehr praktikabel und schlau, nicht alle Haken eines Typs in den gleichen Karabiner zu hängen. Es empfiehlt sich, mehrere Schnappkarabiner mit vier bis fünf verschiedenen Haken zu bestücken. Sollte mal einer runterfallen, ist man dann nicht alle Haken eines Typs auf einmal los.

Damit sich die kleinen Hooks und Beaks nicht dauernd verhaken, kann man sie angehängt in einem Sack (z. B. Chalkbag) transportieren. Weil am Gurt nicht unendlich Platz ist, klippt man eine Exe in die Materialschlaufe und dann vier Exen an den oberen Karabiner dieser Exe. Das Gleiche kann man mit Cams machen. Das spart Platz am Gurt und es geht schneller, das Zeug an den Partner weiterzureichen.

Anbringen von Sicherungen

Bezüglich der Frage, wie man die Sicherungen legt, kann kein Text Übung und gesunden Menschenverstand ersetzen. Trotzdem ein paar Tipps, die beim ersten Mal hilfreich sind:

Copperheads. Bevor man einen Head ins Placement schlägt, muss er aufgewärmt werden. Sonst ist das Metall zu hart, und bevor der Head passt, ist das Placement kaputt. Dazu legt man den Head an den Fels, und dreht ihn langsam um die eigene Achse während man mit dem Hammer mit Gefühl draufschlägt. Nach kurzer Zeit ist er spürbar warm. Gute Placements sind solche, in die mit viel Fantasie auch ein Klemmkeil passen könnte (es aber eben nicht tut). Dann Head reinlegen (im Zweifel eher die kleinere Größe) und mit Hammer und Meißel einschlagen. Ziel ist es, nicht zum Draht durchzuschlagen und dabei das Metall des Heads auf möglichst viel Felsfläche zu verteilen.

Fixe Copperheads sind mal mehr, mal weniger solide und oft schwer zu beurteilen. Wenn man gut gesichert ist und die nächste gute Sicherung in Reichweite ist, empfiehlt es sich, sie weder zu testen noch als Sicherung einzuhängen, weil ein Wiederanbringen oft schwierig oder gar unmöglich ist. Wenn nur das Kabel ausreißt, so ist das noch ungünstiger, weil man den Kopf unter Umständen gar nicht rausbekommt. Die beste Variante ist in diesem Fall, einen kleinen Beak hinter den Copperhead zu schlagen.

Haken. Die Hartstahlhaken sollten von Hand relativ weit in den Riss passen, bevor man mit dem Hammer rangeht (ca. zu ⅔). Dann die Ohren aufsperren, wenn es dumpf klingt oder sehr hoch: nicht gut. Wenn es „singt“: passt! Hier macht Übung den Meister. Vor allem in Routen, die auch frei geklettert werden, sollte man auf Haken jedenfalls verzichten und sie auch sonst sparsam einsetzen, da sie den Fels kaputt machen.

Expanding Flakes. Das sind vermeintlich „feste“ Schuppen, die leicht auseinandergehen, wenn man einen Haken schlägt. Eine bewährte Taktik ist, gleich unten die Angles durchzudeklinieren. Das bedeutet, erst einen kleineren, dann den nächst- größeren. Während der reingeht, fällt normalerweise der andere raus. Dann weiter, bis die Schuppe „aus-expanded“ ist. Aufpassen muss man, wenn man vor dem Ende der Schuppe wieder zum Hammer greift.

Dann besteht eine gewisse Chance, dass die Sicherung, in der man gerade steht, nach unten rutscht oder rausfliegt, während man den Haken schlägt. Expanding Flakes sind mit das Interessanteste, was es im Granit an technischen Herausforderungen gibt. Wenn man in einer „Expanding Flake“ einen fixen Copperhead oder anderes fixes Material antrifft, sollte man achtgeben. Es kommt vor, dass dieses völlig lose oder kaputt ist, da die Schuppe mit schwankenden Temperaturen auf- und zugeht. Das betrifft auch das eigene Material, wenn man z. B. in der Mitte einer Seillänge abbricht, um am nächsten Tag weiterzuklettern.

Hooks. Diese hinterlassen unter dem Placement Kratzer, die dann einen Hinweis geben, welche Größe die Vorgänger wo verwendet haben. Generell gilt, dass ein zu großer Hook besser ist als ein etwas zu kleiner. Deshalb ist es gut, mit dem größten Hook im Sortiment zu probieren, wenn man das Placement nicht sieht.

Nicht nur in selten begangenen Routen sollte man sich bewusst sein, welch fatale Folgen es haben kann, wenn eine Schuppe oder ein Block, hinter die oder den man gerade etwas gelegt oder geschlagen hat, ausbricht. Viele sehr schwierige Längen sind vor allem sehr brüchig. Beim technisch Klettern ist „weich greifen“ oft nicht so leicht möglich wie beim Freiklettern.

Jorg Verhoeven im „Cyclops Eye“ in der Route „El Niño“ am El Capitan.
Jorg Verhoeven im „Cyclops Eye“ in der Route „El Niño“ am El Capitan. Foto: Ben Lepesant

Schlussbemerkung

Am Ende lohnt ein weiterer Blick auf die zwei Schwierigkeitsskalen. A1–A5 klingt objektiv, F1–F4 tut gar nicht erst so, als wäre die Schwierigkeit unabhängig vom Kletterer. Jemand meinte mal, dass er seine Längen nach der Zeit bewertet, die er benötigt hat: 1 h = A1, 2 h = A2 etc. Von einem anderen, wohl eher furchtlosen Kletterer, stammt das Bonmot „It’s all A1 until you fall“.

Das alles sagt viel darüber aus, worum es beim technischen Klettern letztendlich geht: sich nicht unnötig in die Hose zu machen. Vor allem in mittelschweren, steilen Längen hilft der Zugang eines Sportkletterers, der drei Meter über dem Haken nicht nervös wird, weil er weiß, dass ein Sturz kein Problem ist. Und wo soll man jetzt so richtig anfangen, wenn man die Hallensessions und einen ersten cleanen Riss hinter sich hat?

Erfahrungsgemäß ist es eher frustrierend, in Routen rumzubasteln, die man selbst auch freiklettern könnte. In kurzen Routen zu üben hat den großen Nachteil, dass man sich ständig in Bodennähe befindet. Wer die Abläufe hinter sich hat, sollte sich deshalb eine „echte“ technische Route suchen und sich an dieser versuchen. Ein paar Vorschläge haben wir am Ende des Artikels zusammengetragen. Wer sich vorher noch mehr detailliertes Wissen zum Bigwallklettern aneignen möchte, sollte unbedingt auf die verlinkte Website reinschauen. Dort finden sich zu allen angesprochenen Themen weitere Tipps und Beispiele aus der Praxis.

Routenempfehlungen

Die großen leichten Klassiker befinden sich fast alle in den USA, besonders im Zion National Park und im Yosemite Valley. Etwas näher an den Alpen bieten sich ein paar Routen in Arco, im Tessin, im Val di Mello oder im Valle dell’Orco an, wobei man sich dort eher an die häufig begangenen Routen halten sollte, um böse Überraschungen zu vermeiden. Auch im Verdon finden sich einige technische Leckerbissen. Als gute Einsteigertour im Yosemite gilt die „West Face“ am Leaning Tower.

In den ersten Längen wiederholt man die Lektionen aus der Kletterhalle, danach folgt steiles, leichtes Gelände in toller Position: eine perfekte Einsteigerroute durch eine tolle Wand. Besonders empfehlenswert im unteren Schwierigkeitssegment am El Capitan ist die „Zodiac“, eine der wenigen durchwegs gut absicherbaren Techno-Routen, die von oben bis unten sehr interessant ist (im Gegensatz dazu bietet der Nachbar „Tangerine Trip“ viele Meter der Sorte leicht und fad). Hat man erstmal Blut geleckt, ergeben sich die nächsten Ziele von selbst.

Literatur Empfehlungen

Andy Kirkpatrick (2018): Higher Education. A Big Wall Manual.

Fabio Elli & Peter Zabrok (2019): Hooking Up. The ultimate Bigwall and Aid Climbing Manual.

Chris McNamara (2012): How to Big Wall Climb.

Erschienen in der
Ausgabe #122 (Frühling 23)

bergundsteigen #122 cover