How to Spaltenrettung?!
Vor allem die Spaltenrettung ist ein seiltechnisch anspruchsvolles Manöver, das man nicht oft genug wiederholen kann. Kommt es auf Tour tatsächlich zu einem Spaltensturz, müssen die Handgriffe sitzen, da Wetter, mentaler Druck und oft auch Panik in der Gruppe hinzukommen und die Gesamtsituation keinesfalls einfacher machen.
Die Spaltenrettung zu üben, kann durchaus Spaß machen und ist für die Gruppe eine spannende und lehrreiche Erfahrung. Das gewissenhafte Vorbereiten des Übungsgeländes und ein geeigneter methodischer Zugang sind allerdings Voraussetzung. Andernfalls kann es bei der Übung schnell zu Unfällen mit schweren Verletzungen kommen.
Anforderungen an den Übungsplatz
Ideal sind flache, weitläufige Bereiche am Spaltenrand, die frei von weiteren Spalten sind, kein Absturzgelände in unmittelbarer Nähe oder keine Einzugsgebiete von Lawinen umfassen. Zudem muss der Platz mit Schnee bedeckt sein: Blankes Eis eignet sich nicht zum Üben. Dadurch, dass man sich relativ lange am selben Ort aufhält, sollte man den Tagesgang der Sonne und die sich ändernde Lawinensituation im Auge behalten. Nicht nur im unmittelbaren Übungsgelände, sondern auch auf dem Rückweg zur Hütte!
Tipp: Die Übungsspalte muss nicht immer eine Spalte sein. Ein schneebedecktes, im Idealfall leicht überhängendes Felsband, eine stabile Wechte oder ein gut ausgeprägter Windkolk bieten oft ähnlich gute Möglichkeiten zum Üben wie richtige Gletscherspalten. Zudem fällt es so leichter, auch in Hüttennähe einen geeigneten Übungsplatz zu finden.
Das Sturzgelände muss allerdings ausreichend hoch – mindestens fünf Meter – und frei von Hindernissen sein, da sonst beim Sturz Auf- bzw. Anprallgefahr besteht. Etwaiger überhängender Schnee am Spaltenrand muss vorab von einer gesicherten Person nach unten befördert werden.
Bewegen wir uns am Gletscher, so definieren wir zuerst das Übungsgelände und prüfen angeseilt, ob sich weitere Spalten im Übungsbereich befinden. Hierfür ist es günstig, wenn die Übungsleiterin eine Sonde dabeihat. Das Übungsfeld sollte zumindest 15 Meter lang und 10 Meter breit sein. Dieses Feld bietet Platz für vier Selbstrettungs-Übungsbahnen oder zwei Bahnen zum Üben der Kameradenrettung mittels Loser Rolle oder Flaschenzug. Zum Üben des Mannschaftszuges muss das Feld noch deutlich länger sein.
Die Begrenzung des Übungsfeldes wird mit Skistöcken oder anderen Gegenständen deutlich gekennzeichnet. Keiner darf sich unangeseilt außerhalb dieses Bereichs bewegen! Der unmittelbare Bereich vor der Spalte (2 m) ist ebenfalls tabu, da hier natürlich akute Absturzgefahr besteht. Ein Rucksack- und Material-Depot wird an einem sicheren Ort im hinteren Bereich des Übungsplatzes errichtet. Hier können sich auch jene Personen aufhalten, die gerade nicht an der Übung beteiligt sind. Besonders wenn es um das Halten des Sturzes geht, hat niemand – ausgenommen von der Übungsleiterin – etwas in unmittelbarer Umgebung der Übungsbahn verloren.
Backup-System
Besonderes Augenmerk legen wir bei unserem Übungsgelände auf das Backup-System. Für zwei Übungsbahnen hat sich eine Reihenverankerung mit drei T-Ankern etabliert. Dieses System muss sorgfältig vorbereitet sein und regelmäßig kontrolliert werden. Die Tiefe der vergrabenen Eispickel sowie die Schneequalität spielen hier eine ganz entscheidende Rolle: Feuchter Altschnee, der sehr gut komprimiert werden kann, ist dabei ideal. Ist der T-Anker gut gesetzt – bei dieser Schneeart reichen ca. 50 cm – und läuft das Seil in einem flachen Winkel nach vorne heraus, so sind diese Fixpunkte sehr verlässlich.
Anders sieht es bei lockerem Pulverschnee oder „rieselndem“ Altschnee aus. Hier kommen T-Anker (vor allem Pickel mit gebogenem Schaft) sehr schnell an die Belastungsgrenze. Diese müssen dann deutlich tiefer – mindestens 60 bis 80 cm – eingegraben und der Schnee so gut wie möglich komprimiert werden. Tourenskier oder Rucksäcke sind hier jedenfalls besser geeignet als Pickel, da sie deutlich mehr Auflagefläche bieten. Wichtig wiederum ist, dass das auslaufende Seil in einem flachen Winkel herausläuft.
Übungsablauf
- Geübt wird in der Regel in Zweierseilschaften. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Szenarien mit drei Personen zu üben.
- Ist das Backup-System (Reihe) aufgebaut, so wird das Gletscherseil mittels Achterknoten direkt (ohne Karabiner) mit dem Rücksicherungsseil verbunden. Dadurch wird zum einen sichergestellt, dass auf das Backup-System nicht vergessen wird, und zum anderen, dass die gestürzte Person auch nach Aushängen des Retters vom Gletscherseil über das Backup-System gesichert bleibt.
- Um die Verletzungsgefahr zu minimieren, verzichten wir in der Regel auf Steigeisen, entfernen Eisschrauben vom Gurt und stellen sicher, dass alle Teilnehmer*innen Helm und Handschuhe tragen. Erst nach Halten des Sturzes bekommt die Retterin den Pickel von der Übungsleiterin gereicht.
- Das Übungsszenario soll möglichst realistisch, aber auch sicher gestaltet werden. Deshalb muss die Person, die in die Spalte fällt, auch nicht hineinspringen. Es reicht, wenn sie hineinrutscht. Auch ein möglichst ausgeglichenes Gewichtsverhältnis zwischen verunfallter Person und Retter*in macht beim Üben Sinn.
- Die Sturzhöhe in die Spalte muss nicht zwingend gesteigert werden. Wesentlich sinnvoller ist es, die Teilnehmer*innen durch abwechslungsreiche Szenarien zu fordern und ihr Improvisationstalent zur fördern. Techniken mit und ohne Seilklemmen, das Einbauen von Bremsknoten, die es sowohl bei der Selbstrettung als auch bei Flaschenzugsystemen zu bewältigen gilt, und der Wechsel von Zweier- und Dreierseilschaft sind mögliche Beispiele.