Seilaufstiegstechnik: Seilgeräte, Schlingen und Klemmknoten, Rücklaufsperren
Bei so verschiedenen Anforderungen und so viel verfügbarem Material ist es nur logisch, dass die Seilaufstiegstechniken zu einem immer größer werdenden Dschungel ausgewachsen sind. Versuchen wir, das Dickicht zu lichten. Im ersten Teil der Serie wollen wir uns zunächst anschauen, welches Material es überhaupt gibt, das uns beim Seilaufstieg begegnet und helfen kann. Im zweiten Teil beleuchten wir die unterschiedlichen Techniken.

1. Seilgeräte
Uns steht eine Vielzahl mechanischer Seilgeräte zur Verfügung. Manche davon sind hochspezialisiert, andere sollten wir immer dabeihaben. Mechanische Geräte können Zähne, Rippen oder glatte Klemmbacken haben. Zähne und Rippen haben die Angewohnheit, bei teilweise schon geringen Kräften (4–12 kN) zum Seilmantelriss zu führen.
Daher darf diese Art Klemme niemals dynamisch belastet werden. Außerdem leitet sich daraus die Faustregel ab, dass gezahnte Klemmen – in der Regel – nicht als alleiniger Sicherungspunkt zu verwenden sind, sondern zwei davon benötigt werden.
Handsteigklemmen (Bsp. Petzl Basic)
Das Seil läuft in eine Richtung durch das Gerät, ein gezahnter Klemmbacken fungiert als Rücklaufsperre. Das Seil läuft gerade durch die Klemme. Aufgrund des gezahnten Klemmbackens und weil sich einige Bauformen relativ leicht aus dem Seil aushängen können, sollten sie nicht als alleiniger Sicherungspunkt verwendet werden. Handsteigklemmen ohne integrierten Griff sind kompakt und vielseitig.

Besondere Bauformen sind die CT Quick Roll und Cric (Seilklemmen mit integrierter Rolle für ein besonders kompaktes Z-Rig) sowie der Wild Country Ropeman, Kong Duck und Petzl Tibloc (kleine Behelfsklemmen). Der Tibloc ist zwar weit verbreitet, lässt sich aber sehr leicht falsch bedienen und führt dann zu Mantelschäden.
Das verbreitetste Muster ist ein Greifen um den Tibloc oder oberhalb. Etliche Vorfälle zeigen, dass auch erfahrene Alpinist*innen in Stresssituationen zu dieser ergonomiebedingten Fehlbedienung neigen, und bestätigen unsere Einschätzung. Wir raten daher explizit vom Tibloc als Aufstiegsklemme ab – das Gerät hat seine Daseinsberechtigung eher bei Rigginganwendungen.

Rollen mit Rücklaufsperre (Bsp. Petzl Micro Traxion, Edelrid Spoc)
Der alpine Tausendsassa, der immer dabei sein sollte. Diese Geräte funktionieren nach demselben Prinzip wie Handsteigklemmen, aber das Seil kann in ihnen zusätzlich effizient umgelenkt werden. Je nach Rolle, Seildurchmesser und -steifigkeit werden Wirkungsgrade um 90 % erreicht. Aufgrund des gezahnten Klemmbackens gelten die gleichen Einschränkungen wie bei Handsteigklemmen.


Klassische Abseil- und Sicherungsgeräte (Bsp. Petzl Grigri & Rig, Edelrid Pinch)
Diese Geräte funktionieren in eine Richtung als zahnlose, seilschonende Rücklaufsperre, in der das Seil zwangsläufig umgelenkt wird. In die andere Richtung kann das Seil mit einem Hebel kontrolliert gelöst werden. Der Wirkungsgrad ist mit ca. 30 bis 40 % spürbar schlecht. Sie werden im Bergsportbereich üblicherweise als alleiniger Sicherungspunkt akzeptiert.

TAZ LOV
Die eierlegende Wollmilchsau. Als Abseilgerät und mitlaufendes Auffanggerät vereint es zahnlose Rücklaufsperre und kontrolliertes Abseilen mit dem Alleinstellungsmerkmal eines geraden Seildurchlaufs. Das LOV ist der Schlüssel zum Treppenaufstieg.

Außerdem meistert es eine ganze Reihe anderer Aufgaben: Es kann zum Abseilen an gespannten oder diagonalen Seilen verwendet werden, als Rücklaufsperre beim Rigging und sogar als Sicherungsgerät beim Klettern! Es ist aktuell das einzige Gerät seiner Art, das neu erschienene Sulu Go der italienischen Firma Alternative Current hat das Potential, sich als Konkurrenz zu etablieren.
Bruststeigklemme (Bsp. Petzl Croll S)

Sieht fast aus wie eine Handsteigklemme ohne Griff, ist aber nicht auf gute Greifbarkeit ausgelegt, sondern darauf, mit einem Gurtband am Seil nach oben gezogen zu werden. Sie kann namensgebend als PSA an der Anseilschlaufe vor der Brust geführt werden oder mit einem Gummiband und Trittschlinge als Kniesteigklemme – dann keine PSA! Aufgrund des meist gezahnten Klemmbackens gelten die bereits bekannten Einschränkungen.

Fußsteigklemme (Bsp. Petzl Pantin)
Eine i. d. R. gezahnte Seilklemme, die am Fuß befestigt wird. Sie ermöglicht den Einsatz der Beinmuskulatur ohne Trittschlinge. Sie wird idealerweise mit hohen Schuhen verwendet, mit ein bisschen Einstellarbeit passt sie aber auch auf Halbschuhe. Keine PSA!

Weitere Hilfsmittel

Statt normaler Bandschlingen können spezielle Trittschlingen verwendet werden, die in der Länge einstellbar sind und nicht vom Fuß rutschen (Bsp. Edelrid Pro Step). Rollenkarabiner ermöglichen ein effizientes Umlenken des Seils (Bsp. Petzl Rollclip, Edelrid Axiom).

Weitere Seilgeräte
Mitlaufende Auffanggeräte (Bsp. Beal Monitor) und zahnlose Rettungsklemmen (Bsp. Petzl Rescuecender, Rock Exotica Rockgrab) könnten theoretisch wie Hand- und Bruststeigklemmen verwendet werden und bieten dabei mehr Sicherheit. Das umständliche Handling und die schlechtere Ergonomie sprechen aber dagegen.

2. Schlingen und Klemmknoten
Trotz aller Seilgeräte sind Klemmknoten nach wie vor ein wichtiges Werkzeug zum Aufstieg am Seil. Sie wiegen nicht nur weniger und sind in Notsituationen eher verfügbar, sondern bieten in einigen Situationen sogar Vorteile – vor allem die gute Lösbarkeit unter Last, wenn man den richtigen Knoten mit dem richtigen Material verwendet.
Rundschlingen
Wir betrachten hier nur vernähtes Material, selbstgeknotete Klemmknotenschlingen sollten der Vergangenheit angehören. Material mit Polyamidmantel ist vermutlich der Hauptgrund, warum viele Leute den Klemmknotenaufstieg mit Anstrengung verknüpfen. Das raue Material und der dünne Durchmesser sorgen dafür, dass sich der Knoten fest zuzieht und jedes Lösen oder Weiterschieben mühsam wird.
Auch als Hintersicherung beim Abseilen sorgt der Polyamidmantel für viele unfreiwillig festgefressene Knoten. Dyneema ist entgegen manchen Gerüchten gerade wegen der glatten Oberfläche sehr gut für Klemmknoten geeignet. So zieht sich der Knoten gut zu und lässt sich verhältnismäßig leicht öffnen. Durch die geringere Reibung wird der niedrigere Schmelzpunkt bei allen normalen Anwendungen nicht zum Problem. Es bieten sich folgende Knoten an:
- Mehrfacher Ankerstich auf die Naht. Die Naht wirkt als Feder und ermöglicht ein leichtes Lösen. Nachteilig ist, dass für jede Wicklung die gesamte Schlinge durchgezogen werden muss.

- Kreuzklemmknoten auf die Naht. Wie oben, die Schlinge muss hier allerdings nur einmal am Ende durchgezogen werden. Für eine gute Funktion ist es sehr wichtig, dass die Schlinge durch die gebogene Naht gezogen wird, die ein Festfressen verhindert und das Weiterschieben erleichtert. Diese Variante ist in Bayern auch als Bergwacht-Kreuzklemmknoten bekannt.

Trotz des asymmetrischen Knotenbildes hält der Kreuzklemmknoten in beide (!) Richtungen und ist damit kein gerichteter Knoten. Die leicht veränderten Charakteristiken je Wickelrichtung laden aber zum Experimentieren ein.
Hitchcord mit vernähten Augen
Hitchcords sind spezielle Klemmknotenseile mit vernähten Endaugen. Sie bestehen aus abriebfesten und hitzebeständigen Materialien. Hitchcords sind Rundschlingen in der Handhabung überlegen. Im Bergsportbereich empfiehlt sich eine Länge von 80 cm bei 8 mm Durchmesser. Das höhere Gewicht im Vergleich zu Dyneemaschlingen wird durch die breit gefächerten Anwendungsmöglichkeiten mehr als gerechtfertigt.
Mit einem Hitchcord können gerichtete Knoten gebunden werden, die nur einseitig klemmen und in die andere Richtung sehr leicht verschiebbar sind. Ein gut eingestellter gerichteter Klemmknoten funktioniert zum Aufsteigen ähnlich gut wie eine Handsteigklemme, kann aber mit nur zwei Fingern kontrolliert (!) gelöst werden. Sogar ein langsames Abseilen nur am Klemmknoten ist über kurze Strecken möglich.
- Marchard. Nicht gerichtet, aber am schnellsten gebunden. Besser zur Hintersicherung als zum Aufsteigen geeignet.



- Michoacan. Sehr gute Lösbarkeit und Biss über ein weites Spektrum von Seildurchmessern. Seine Ursprungsform ist der Blake, der als Aufstiegsknoten nur etwas für Puristen ist, aber in anderen Situationen sehr nützlich sein kann – Googleempfehlung!

- Schnappi. Leicht zu bindender Klemmknoten mit guter Federwirkung, sodass er sehr leicht zu verschieben ist.

Dutzende weitere gerichtete Klemmknoten eröffnen Knotenliebhaber*innen eine ganz neue Welt. Ein Blick in Dirk Lingens Knotenbuch ist empfehlenswert.

3. Rücklaufsperren mit Umlenkung
Wenn keine Umlenkrolle mit integrierter Klemme wie eine Micro Traxion zur Verfügung steht, kann diese auf zwei verschiedene Arten improvisiert werden.
Seilkringel


Die zwei typischen Seilkringelklemmen sind die Gardaklemme, wenn D-förmige Karabiner zur Verfügung stehen, und die Luttenseeklemme mit HMS-Karabinern. Andere Varianten wie die Kara-Acht haben heutzutage kaum noch Relevanz. Beide haben einen ähnlich schlechten Wirkungsgrad von ca. 25 bis 30 % und sind daher nur für den Notfall oder geringe Lasten geeignet.
Klemmknotenrollen
Seilumlenkungen können mithilfe eines Klemmknotens zu einer Rücklaufsperre erweitert werden. Bei behelfsmäßigen Rettungsszenarien mit passiven Lasten ist es üblich, hierfür einfach einen Karabiner zu verwenden. Da bei geringen Lasten aber der Klemmknoten durch den Karabiner rutschen kann, muss man für Aufstiegssituationen eine Rolle verwenden.

Den Klemmknoten knüpft man am besten mit einem Hitchcord, dessen Augen links und rechts der Rolle in denselben Karabiner gehängt werden. Nun kann das Hitchcord unmöglich durch die Rolle rutschen und der Tothub wird auf ein Minimum reduziert. Auf diese Art und Weise erreichen wir nicht nur die Effizienz einer Micro Traxion, sondern sogar noch mehr Funktionalität: Ist der Klemmknoten korrekt geknüpft, reicht ein wenig Druck mit zwei Fingern oben auf den Knoten, um ihn kontrolliert zu lösen.
Sogar ein kurzes – langsames! – Abseilen ist möglich. Aufgrund dieser Umkehrbarkeit sind Klemmknotenrollen für die Seiltechnik ein zentrales Werkzeug. Es können sehr leichte Multifunktionsrollen wie die Petzl Partner verwendet werden oder spezielle Klemmknotenrollen wie die DMM Hitchclimber mit drei Anschlagpunkten, die ein sehr kompaktes Setup ermöglichen.

Für alpine Anwendungen bieten sich auch die Petzl-Spin- und Rock-Exotica-Omniblock- Rollen an, da diese geöffnet werden können, ohne sie aus dem Karabiner zu nehmen und möglicherweise fallen zu lassen. All das sind nur einzelne Tools im Werkzeugkasten, die uns ein breites Spektrum an Möglichkeiten für jede Situation bieten. Im zweiten Teil in der Frühjahrsausgabe schauen wir uns an, welche Seilaufstiegstechniken wir aus diesen Bausteinen zusammenstellen können!

Literatur
- Dirk Lingens: Baumknoten für Kletternde und Bodenleute (2021). ISBN 978-3- 9810417-3-6
- Mathias Oppolzer, Thomas Wahls: I like to move it (2019). ISBN 978-3-9820618-0-1
- Stefan Blochum, Chris Semmel: Die Beißer. bergundsteigen #126 / Frühling 24
- Chris Semmel: Total verklemmt. bergundsteigen #111 / Sommer 20