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01. Feb 2024 - 8 min Lesezeit

Notfall Alpin (2/9): Atmung und Kreislauf

Im Teil 1 beschäftigte sich Philipp Dahlmann im ersten Teil unserer Erste-Hilfe-Serie mit den Maßnahmen in den entscheidenden ersten 5 Minuten. Dabei wurde vom ABC-Schema vor allem der erste Punkt „Airway/Atemwege“ thematisiert. Was zu tun ist, wenn die Situation eskaliert, wenn Atmung und Kreislauf kritisch beurteilt werden, erklärt er im folgenden zweiten Teil von Notfall Alpin.

alle Artikel der Serie: Notfall Alpin

Ein Großteil der Notfälle im Gebirge betreffen „internistische Probleme“. Bei ihnen gilt es, dass Beteiligte bzw. Notfallzeugen die wichtigen Basismaßnahmen ergreifen. Dazu zählt bei einem Herzkreislaufstillstand das sofortige Durchführen einer Reanimation, d.h. Herz-Lungen-Wiederbelebung (engl. CPR, cardiopulmonary resuscitation) und der schnellstmögliche Einsatz eines automatisierten externen Defibrillators (AED, auch Laiendefi genannt).

Die Überlebenskette setzt sich zusammen aus:

  • Rasches Erkennen und Hilfe rufen!
  • Frühe CPR, um die Zeitspanne des Überlebens zu verlängern!
  • Frühzeitiger Einsatz des AEDs!
  • Übergabe an die Profirettung!

Ausgangssituation

klassische Ausgangssituation für Erste Hilfe am Berg: Zwei Wanderer sind unterwegs und
einer bekommt während der Belastung
plötzlich ein Problem.
klassische Ausgangssituation für Erste Hilfe am Berg: Zwei Wanderer sind unterwegs und einer bekommt während der Belastung plötzlich ein Problem.

Ein Hauptproblem der alpinen Ersten Hilfe ist der interne Notfall in Form eines Herz- Kreislauf-Notfalls. Eine klassische Situation dazu spielen wir in unserem Beispiel durch: Zwei Wanderer sind am Berg unterwegs und einer bekommt während der Belastung plötzlich ein Problem, das sich folgendermaßen zeigt:

Der Patient verspürt einen grundsätzlichen Schmerz ohne äußere Einwirkung, der auch in Ruhe anhält und nicht besser wird. Begleitsymptome können auch Schwindel, Übelkeit und Erbrechen sein. Als erste Maßnahme erfolgt ein Belastungsstopp und der Patient sollte sich an einen Ort setzen, an dem keine Absturzgefahr besteht. Dies ist deshalb von Bedeutung, da er plötzlich kollabieren könnte und sich beim Sturz nicht verletzen sollte.

Anhaltender Schmerz ist als Alarmzeichen zu werten und erfordert rasches Handeln in Form der sofortigen Alarmierung der Rettung und der medizinischen Abklärung in einem Krankenhaus. Zusätzlich sollte man um Hilfe rufen, um andere Bergsteiger in der Nähe auf sich aufmerksam zu machen. Während man sich selber um den Patienten kümmert, sollten verfügbare Helfer sofort einen AED organisieren (Automatischer Externer Defibrillator, der an öffentlichen Plätzen, z.B. Schutzhütten, Liftstationen, etc. zur Verfügung steht und es dem Laien ermöglicht, einen Therapieansatz gegen den plötzlichen Herztod einzuleiten) bzw. bei einer Verschlechterung der Situation helfend zur Verfügung stehen.

Der AED ist in diesem Zusammenhang absolut lebensrettend und hat deshalb auch eine hohe Priorität. Ein weiterer Helfer sollte idealerweise im Falle der Reanimation als weitere Ressource zur Verfügung stehen. Verschlechtert sich die Situation nicht weiter, unterstützt man den Patienten bestmöglich, um ihm die Zeit bis zur Ankunft der Rettungskräfte zu erleichtern. Personen mit Atemnot sind eher aufrecht zu lagern und welche ohne Atemnot eher flach liegend. Grundsätzlich gilt es, die betroffene Person zu unterstützen und auch die von ihr gewünschte Lagerung zu ermöglichen.

Atemkontrolle

Verschlechtert sich die Situation und der Patient kollabiert, versucht man, den Sturz möglichst abzufangen und den Patienten sofort in Rückenlage zu bringen und eine Atemkontrolle im Sinne des A-B-C Schemas (vgl. bergundsteigen #99) durchzuführen.

Eine erneute Kontaktaufnahme in Form von „Ansprechen/Anfassen“ ist an dieser Stelle nicht mehr notwendig. Gegebenenfalls erfolgt eine neurologische Beurteilung in D (Disability/neurologisches Defizit), also nach A, B und C.

Atemkontrolle – wie gehts?

Dazu überstreckt man „inline“ (achsengerecht) den Kopf und kontrolliert die Atmung mit allen Sinnen: ich horche auf Atemtätigkeit, ich fühle an der Wange den Atemzug und beobachte den Oberkörper, ob er sich hebt und senkt.

Eine Atmung ist dann eindeutig vorhanden, wenn sich der Oberkörper deutlich hebt und senkt und zeitgleich ein Luftzug fühlbar ist, wobei man unauffällige Atemgeräusche hört. Die Atemfrequenz sollte normal sein, d.h. sie ist gleichmäßig in der Frequenz und Atemtiefe und annähernd so wie die eigene Atemtätigkeit.

Erste Hilfe: Atemkontrolle
Atemkonrolle mit den 3 A’s: Anschauen, Ansprechen, Anfassen.

Ist die Atemfrequenz unter 8 oder über 25 pro Minute wird gleich vorgegangen als ob keine Atmung vorhanden wäre, d.h. die Konsequenz bedeutet Reanimation. Im Zweifelsfall wird von einer nicht vorhandenen Atmung ausgegangen. Selbiges gilt auch für Atemgeräusche, welche auf eine nicht normale Atmung schließen lassen.

Option A) Bewusstlos mit Atmung >stabile Seitenlage

Bei Bewusstlosigkeit, aber vorhandener Atmung ist der Patient in die stabile Seitenlage zu bringen, um den Atemweg zu schützen. Die Vorgehensweise ist in Abb. 3 dargestellt und beschrieben. Für die stabile Seitenlage gilt allgemein, dass eine Position gefunden wird, in der die Atemwegsöffnungen (Mund und Nase) offen und zugleich tiefster Punkt des Körpers sind.

Im abschüssigen Gelände sollte der Patient hangparallel liegen, die Knie des Helfers unterstützen die Seitenlage und verhindern ein Abstürzen.

Vor Auskühlung schützen & Atmung kontrollieren

Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte wird der Patient vor Auskühlung geschützt (Mütze, Biwaksack,…) und der Zustand laufend über das ABC-Schema kontrolliert. Der Fokus liegt dabei auf der Überwachung einer ausreichenden Atemtätigkeit.

stabile Seitenlage und waermeerhalt
Vor Auskühlung schützen und Atmung kontrollieren

Option B) Bewusstlos ohne Atmung > Rückenlage & Atemkontrolle

Herrschen Zweifel über eine normale Atmung, ist der Patient unverzüglich in Rückenlage zu drehen, da nur in Rückenlage eine umfassende Atemkontrolle durchführbar ist (unten).

Rückenlage für Herzdruckmassage
Rückenlage für Herzdruckmassage bei nicht stabiler Atmung

Herzdruckmassage bei einem Helfer

Ist keine normale Atmung vorhanden (zu schnell, zu langsam oder nicht ausreichend), erfolgt unmittelbar die Thorax-Kompression (Herzdruckmassage):

  1. Oberkörper freimachen.
  2. Patienten auf festen Untergrund legen.
  3. Druckpunkt suchen: Der Handballen ist in der Mitte des Brustkorbs (untere Hälfte des Brustbeins) zu platzieren.
  4. Um effizient reanimieren zu können, wirkt das Gewicht des Körpers über die gestreckten Arme direkt und senkrecht auf den Brustkorb. Dabei ist schnell und regelmäßig (100-120 Mal/min) sowie kräftig (ca. 5-6 cm) zu drücken. Nach jeder Kompression ist das Brustbein komplett zu entlasten ohne den Druckpunkt zu verlassen, damit sich das Herz mit neuem Blut füllen kann.
  5. Keine Unterbrechung, außer für den AED in der Analyse oder bei Elektroschockabgabe.
  6. Wenn zwei Helfer vorhanden sind, komprimiert einer 30 Mal das Herz, woraufhin der andere zwei Atemspenden gibt usw.

Die Herzdruckmassage wird so lange durchgeführt bis die Rettung eintrifft.

In einer Situation, wo nur ein Helfer zur Verfügung steht (wie hier angenommen und abgebildet), bietet es sich an, den Fokus auf eine qualitativ hochwertige Druckmassage zu richten. Dies wird insofern begründet, da durch den ständigen Wechsel eines Helfers zwischen den Positionen zur Beatmung und zur Herzdruckmassage kein kontinuierlicher Blutfluss aufgebaut werden kann bzw. dieser immer wieder abreißen kann.

Druckpunktsuche für Herzdruckmassage
Herzdruckmassage bei einem Helfer: Oberkörper frei machen, Druckpunkt suchen, effizient komprimieren
Herzdruckmassage Einhelfermethode
Bei der Einhelfermethode unbedingt den Fokus auf eine qualitativ hochwertige Druckmassage richten.

Mit Ausnahme von Lawinenverschüttungen, Ertrinkungsunfällen oder bei Notfällen mit Kindern kann davon ausgegangen werden, dass im Körper genügend Sauerstoff vorhanden ist, um bei kontinuierlicher Herzdruckmassage die wichtigen Bereiche ausreichend zu versorgen. Ein positiver Nebeneffekt der Herzdruckmassage ist ein durch Druckwechsel erzeugter Luftaustausch in den Lungen (welcher eine Ventilation ermöglicht).

Reanimation versteht sich als Verlängerung der Zeitspanne, in der eine Therapie möglich ist. Für den Ersthelfer bietet der AED die Möglichkeit, einen kausalen Reanimationsgrund zu beheben. Etwa 75 % aller zu reanimierenden Personen erleiden in den ersten Minuten nach dem Kollaps eine Rhythmusstörung (elektrische Phase eines Herzkreislaufstillstandes), die nur durch den AED behoben werden kann.

Auch wenn AED und spätere therapeutische Maßnahmen das Überleben des Patienten gewährleisten können, ist die korrekt durchgeführte Herzdruckmassage für den Behandlungserfolg ausschlaggebend! Stehen zwei oder mehr Ersthelfer zur Verfügung, ist bei Alpinunfällen – bei denen die Rettung nicht so zeitnahe verfügbar ist wie im urbanen Raum – die Herzdruckmassage mit Beatmung durchzuführen:

Nach 30 Thorax-Kompressionen werden 2 Notfallbeatmungen durchgeführt. Die Herzdruckmassage sollte dabei alle zwei Minuten von einer anderen Person durchgeführt werden, um einer Erschöpfung und damit einer schlechten Qualität der Kompression entgegenzuwirken. Es ist selten, dass durch die CPR allein wieder ein Spontankreislauf erreicht wird. Zeichen beim Patienten dafür wären: er bewegt sich eindeutig (kein Krampfen), wacht auf, öffnet die Augen und atmet normal. Auch wenn das eintritt, bleibt man aber bereit, sofort wieder mit der CPR beginnen zu können.

Rechtzeitig und konsequent durchgeführt habe ich mit der vorgestellten Methode die besten Voraussetzungen, das Überleben einer betroffenen Person bis zum Eintreffen der Rettungskräfte sicherzustellen. Für den Großteil aller kollabierten/bewusstlosen Personen kann die vorgestellte Methode als Basismaßnahme verstanden werden. Mehr zu AED und speziellen Reanimationssituationen in den nächsten Ausgaben.

Zum Teil 1 der Serie Notfall Alpin: Die ersten 5 Minuten

Zum Teil 3 der Serie Notfall Alpin: AED

Erschienen in der
Ausgabe #100